Neunte Fortsetzung

Mit der höchst notwendigen Umänderung der die Gesundheitsverhältnisse der Stadt auf das Nachtheiligste beeinflussenden Gräben, Wässer, Kanäle u. s. w., müsste im Hinblick auf zu befürchtende Cholera-Epidemien so schnell wie möglich und sobald die Jahreszeit es gestattet, vorgegangen werden, weil mit Rücksicht auf die nicht sofort sich umändernde Organisation des Menschen, die Durchführung dieser Veränderungen kurz vor oder während einer Cholera-Epidemie den beabsichtigten Vorteil nicht gewähren würde. Anzuempfehlen wäre ferner die dauernde Desinfektion der Abtritte, entweder mittelst der Karbolsäure oder des Eisenvitriols. *)

*) Die nach dem Müller-Schürschen System errichteten Nachtstühle verdienen die weiteste Verbreitung.


Während einer Epidemie müsste dieselbe, wie dies auch geschehen, obligatorisch gemacht und auf die Senkgruben des Hofes, sowie auf die durch die Häuser geleiteten Abzugskanäle ausgedehnt werden, besonders aber auch auf die nächtlichen Abfuhren der Dunggruben und Abtritte. Die Desinfektion der Auswurfstoffe der Cholerakranken, sowie der Effekten, die mit denselben in Berührung gekommen sind, würde mit der von mir anempfohlenen Mischung aus Kalk, Chlorkalk und Kohle, die auch in Berlin eingeführt worden ist, auf das Strengste gehandhabt und umfangreicher überwacht werden müssen. Mit der Reinigung der Rinnsteine, die noch in manchen Straßen einer Verbesserung bedürfen, mittelst unserer Wasserwerke, müsste schon begonnen werden, sobald nur eine Epidemie aus der Ferne drohte. Reinlichkeit, Mäßigkeit im Essen und Trinken, der Genuss leicht verdaulicher Speisen, die Verhütung von Erkältungen, die Sorge für gesunde Luft in den Wohnungen und die Enthaltsamkeit vom Trinken des Wassers während einer Cholera-Epidemie sind Anforderungen, die das Gesamtwohl an den Einzelnen zu stellen hat, deren Durchführung aber auch dem Einzelnen ermöglicht werden muss.

Es hat die diesjährige Epidemie den unumstößlichen Beweis geliefert, dass die aufopferndsten Bemühungen der Beamten und Ärzte unzureichend sind, um das ausgebrochene Übel in einer wünschenswerten und erreichbaren Weise zu massigen und die Schädigungen an Gesundheit und Leben zu verringern. Gleich in den ersten Tagen der Epidemie, als man Vermutungen über ihre Ausdehnung sich erlauben durfte, ging mein Streben dahin, Bürgervereine zu stiften, die sich der Beaufsichtigung der Häuser und ihrer Bewohner unterzögen. Es sollte von denselben nur konstatiert werden, ob und inwieweit das erforderliche Maß der Reinlichkeit in den Zimmern, Höfen, Kanälen etc. durchgeführt werde, ob und wo sich Mangel an einer reinen Luft und an gutem Wasser zeige, ob die Desinfektionen eingeleitet und vorschriftsmäßig durchgeführt seien, ob der eine oder der andere der Bewohner etwa leidend sei und ob gegen dies Leiden nicht ein diätetisches oder ärztliches Eingreifen stattgefunden habe. Es ist nicht übertrieben, wenn angenommen wird, dass 1/6 der vorgekommenen Todesfälle durch Vernachlässigung der ersten Krankheitserscheinungen herbeigeführt worden sind, dass daher etwa 350 Menschen hier durch ein rechtzeitiges Ermahnen und Eingreifen dem Leben hätten erhalten werden können. Die zu diesem Zwecke gemachten Aufforderungen sind indes leider zurückgewiesen und die Teilnahme an diesen Bürgervereinen ist versagt worden. — Nichts desto weniger halte ich an der Hoffnung fest, dass diese so ersichtlich nötigen Vereine sich auch hier werden ins Leben rufen lassen. Die Strömung der Ansichten geht jetzt zwar dahin, die Cholera für eine außerordentlich leicht ansteckende Krankheit zu halten, sie ist es aber in der Tat nicht und z. B. lange nicht in dem Masse ansteckend, wie das Scharlachfieber. Die Gemüter werden sich beruhigen und zusammenfassen. — Unser Adel hat es in dem verflossenen glorreichen Sommer nicht verschmäht, unseren in den Lazaretten liegenden verwundeten und cholerakranken Soldaten Labung und Hilfe zu bringen, sollte Bürgersinn und Bürgermut hier, wo die Menschenliebe in gleicher Weise in Anspruch genommen wird und dringendst winkt, nicht Ähnliches leisten können, sollten Bürgersinn und Bürgermut hier nicht ebenso darnach trachten, nicht allein frische Blätter und Blüten in die ihren Gemeinsinn zierenden Kränze zu flechten, sondern auch ihrem Gewissen ein befriedigendes, stolzes Selbstbewusstsein zu schaffen? —

Will die Stadt in derselben umfangreichen und großartigen Weise, wie sie in der Anlage unserer Wasserwerke für die Versorgung der Bewohner mit ausreichendem und gutem Wasser eingetreten ist, auch für die Beschaffung einer gleichmäßig gesunden Atmosphäre Vorgehen, so müsste, abgesehen von der oben vorgeschlagenen Drainierung der Lastadie und dem Zuschütten resp. Regulierung der genannten Gräben, nach folgendem Systeme verfahren werden: jedem Hausbesitzer wäre die Beschaffung hinlänglich geräumiger, wohlausgemauerter und zementierter Gruben auf den Höfen zur Aufnahme aller und jeder Auswurfstoffe aufzuerlegen. Jeder Ausguss auf die Straße sowie der Abfluss schmutziger Flüssigkeiten von den Höfen durch Kanäle auf die Rinnsteine der Straßen ist zu untersagen und zu bestrafen. Kanäle zur Ableitung von Regenwasser oder von Wasser, das zu einem Gewerbe benutzt worden ist, müssen ebenfalls gemauert und zementiert werden und in verdeckte Rinnsteine münden. Es wird hiermit die Ansammlung und Konzentrierung der sämtlichen Abfall- und Auswurfstoffe auf einen bestimmten Raum beabsichtigt. Dieser Raum ist ebenso wie Abtritte und Nachtstühle einer täglichen Desinfektion nach Vorschrift zu unterziehen. Die Desinfektion übernimmt und führt eine Aktiengesellschaft aus, die Überwachung der Desinfektion übernimmt die Behörde. Die Abfuhr der stets desinfizierten Auswurfstoffe aus den Gruben erfolgt rechtzeitig und bevor sie vollständig angefüllt sind, nach dem Tonnensystem und zur Tageszeit, nicht des Nachts. Mit der Abfuhr ist eine Reinigung der Gruben zu verbinden.

Schließlich noch die Bemerkung, dass der Bericht über die Cholera-Epidemie von 1831 umfangreich die Lage und die Bodenverhältnisse Stettins bearbeitet, weshalb auch hier davon Abstand genommen worden ist.