Fünfte Fortsetzung

Im Jahre 1831 sind hier bei einer Einwohnerzahl von etwa 34.000 Seelen 392, oder 1,15 Prozent erkrankt und 275 oder 0,81 Prozent gestorben, von den Erkrankten sind also 70,15 Prozent gestorben.

Im Jahre 1837 bei etwa 38.000 Einwohnern, sind 350 oder 0,92 Prozent gestorben.


Im Jahre 1848 bei 42.690 Einwohnern sind 1.122 oder 2,03 Prozent erkrankt, 595 oder 1,39 Prozent gestorben und von den Erkrankten sind 53,03 Prozent gestorben.

Im Jahre 1849 bei 49.719 Einwohnern sind erkrankt 1.162, oder 2,34, gestorben 643, oder 1,29 Prozent und von den Erkrankten gestorben 55,34 Prozent.

Im Jahre 1853 sind bei einer Einwohnerzahl von 55.000 Seelen 1.251 oder 2,16 Prozent erkrankt, 971 oder 1,67 Prozent gestorben und von den Erkrankten 77,62 Prozent gestorben.

Im Jahre 1855 bei 60.000 Einwohnern erkrankten 801, oder 1,33 Prozent und starben 478, oder 0,80 Prozent und von den Erkrankten starben 59,68 Prozent.

Von den sechs großen Epidemien, von denen die Zahl der Erkrankungen festgestellt ist, war die diesjährige Epidemie mit 3,89 Prozent die stärkste; dann folgt die von 1848 mit 2,63 Prozent, dann die von 1849 mit 2,34 Prozent, die von 1853 mit 2,16 Prozent, die von 1855 mit 1,33 Prozent und endlich die von 1831 mit 1,15 Prozent.

Die Sterblichkeit war am größten im Verhältnis zur Einwohnerzahl in der Epidemie von
1866 mit 2,55 Prozent,
1853 mit 1,67 Prozent,
1848 mit 1,39 Prozent,
1849 mit 0,92 Prozent,
1831 mit 0,81 Prozent,
1855 mit 0,80 Prozent,

Dagegen im Verhältnis zur Zahl der Erkrankungen, in der Epidemie von
1853 mit 77, 62 Prozent,
1831 mit 70,15 Prozent,
1866 mit 65,44 Prozent,
1855 mit 59,68 Prozent,
1849 mit 55,94 Prozent,
1848 mit 53,03 Prozent,
An die Feststellung dieser verschiedenen Tatsachen sind noch folgende Erläuterungen zu knüpfen:

Von den Zahlenangaben sind diejenigen, die sich auf die Menge der Erkrankungen in den verschiedenen Epidemien beziehen, unsicher, weil nicht jeder Erkrankte angemeldet worden ist, dagegen sind die Zahlenangaben über die an der Cholera hier Verstorbenen zuverlässig, wie aus dem hier bestehenden Institut der Leichenschau-Ärzte gefolgert werden muss. Berücksichtigt man nun die oben angegebenen Summen der in den verschiedenen Epidemien an der Cholera Verstorbenen, so folgt, dass diese Krankheit hier von Dezennium zu Dezennium in einer immer verheerenderen Weise aufgetreten ist. Während die Zahl der Verstorbenen in den dreißiger Jahren nur 0,81 und 0,92 Prozent betrug, stieg dieselbe in den vierziger Jahren auf 1,29 und 1,39 Prozent, dann in den fünfziger Jahren auf 1,67 Prozent und in der letzten Epidemie gar auf 2,55 Prozent.

In Kalkutta, bei einer Einwohnerzahl von 400.000 Seelen, starben in den dort jährlich auftretenden Cholera-Epidemien durchschnittlich 11.000 Personen an dieser Krankheit. Da im Ganzen die Summe aller Todesfälle in Kalkutta das Jahr über 33.000 beträgt, so stirbt gerade 1/3 hiervon an der Cholera. In Stettin sterben zusammen mit dem Außenbezirk durchschnittlich jährlich 2.200 Personen. Hiernach würde also in diesem Jahre die Summe aller Todesfälle durch die Cholera-Epidemie sich gerade verdoppelt haben, d. h. die Hälfte aller Todesfälle würde hier auf die Cholera-Epidemie zurückfallen.

Hierbei ist noch zu erwägen, dass Stettin seit 1831 von 12 Cholera-Epidemien heimgesucht worden ist, also häufiger, als, soviel mir bekannt, irgendein anderer Ort in der Monarchie. Man könnte annehmen wollen, dass, wie dies bei den Pocken-Epidemien des vorigen Jahrhunderts nachgewiesen worden, eine fortlaufende Steigerung mit dann wieder folgender Schwächung der eigentümlichen als organisch gedachten Natur des die Epidemie bedingenden Agens auch hier stattfinde, diese Annahme wird aber durch den Umstand widerlegt, dass hier die allgemeine Steigerung durch zwischenlaufende kleine Epidemien in ihrer Stätigkeit unterbrochen worden ist und dass dies Gesetz sich weder in benachbarten Orten mit ähnlichen Bodenverhältnissen und ähnlicher Lebensweise, noch in einem größeren Landes-Komplex wiederholt. Man könnte andererseits den Grund dieser Erscheinung in der durch die Lage der Stadt in einer sehr wasser- und wiesenreichen Gegend, auf einem teilweise sumpfigen Boden, ferner in der durch die Wohnungsverhältnisse und die Lebensweise der Bewohner bedingten örtlichen und zeitlichen Disposition und somit überhaupt in den mehr äußeren Umständen suchen wollen und unterliegt es auch keinem Zweifel, dass die Summe aller dieser äußeren Umstände vom wesentlichsten Einfluss auf den Entwickelungsgang der Epidemie ist, eine einzelne dieser angegebenen Lokal- und Zeit-Verhältnisse aber, auf die hier vielfach die Heftigkeit und Häufigkeit der Cholera-Epidemien zurückgeführt wird, übt bestimmt nicht den ihr zugemuteten Einfluss aus. Dass die Lage allein z. B. nicht vorwaltend den Charakter einer Epidemie bedingt, zeigt ein Vergleich zwischen dem benachbarten Finkenwalde und Stettin. Die Bodenverhältnisse Finkenwaldes sind die der Lastadie und dennoch sind daselbst stets nur sehr vereinzelt Cholera-Erkrankungen vorgekommen. Auch die Ansammlung vieler Menschen in einzelnen Gebäuden und in engen Bäumen ist für sich nicht im Stande, einen bestimmenden Einfluss auf den Gang einer Epidemie zu gewinnen. Die Grützmacherschen Häuser auf der Lastadie, die Gefängnisse der Stadt haben sich sogar durch ihre Salubrität ausgezeichnet.

Die Neustadt Stettins mit gemauerten Fundamenten von 20 bis 50 Fuß Tiefe und einem demnach sehr tief liegenden Grundwasser, ist in einzelnen Straßen so verheerend von der Seuche heimgesucht worden, wie nur je die schlimmsten Teile der Lastadie u. s. w. — Eine nicht anzweifelbare Ursache über die Häufigkeit der Epidemien und ihre steigende Heftigkeit kann zurzeit noch nicht gegeben werden.

Während die Cholera-Epidemien in den dreißiger Jahren, sowie auch die von 1853 und von 1858—59 sich durch Einschleppung hier entwickelt haben, zeigen die Epidemien von 1855 und von 1866, dass die Krankheit höchst wahrscheinlich sich auch spontan zu erzeugen vermag. Von Stettin aus ist die Cholera in dieser Epidemie nach Frauendorf, nach Kratzwieck, nach Nemitz, nach Möhringen, nach Krekow, nach Pommerensdorf und nach Hohenselchow verschleppt worden. Von letzterem Orte nach Lebehne. Nach Nadrense, wo sie außerordentlich heftig auftrat, wurde sie von Ladenthin aus verschleppt. Sie verbreitete sich zunächst von hier in einer Längs-Richtung dem Ausflusse des Stromes zu, dann die Oder aufwärts und zuletzt strahlenförmig im Innern des Kreises. Die Inkubationszeit in dieser Epidemie, die ich an einem Fall im Jahre 1855 auf neun Tage mit Bestimmtheit festzusetzen vermochte, beschränkte sich auf zwei, höchstens drei Tage.

Nach Pölitz wurden in dieser Epidemie von Züllchow und von hier aus neun tödlich verlaufene Fälle eingeschleppt, doch ohne dass auch nur ein einziger Einwohner daselbst weiter von der Krankheit infiziert worden wäre. In früheren Jahren herrschte die Cholera daselbst nicht unbedeutend. In den dreißiger Jahren entwickelte sich die Cholera hier, während gastrische Störungen, Darmcatarrhe vorherrschend waren. Im Jahre 1855 und 1866 dagegen zu einer Zeit, wo der Charakter der Krankheiten durch catarrhalische Affektionen der Luftorgane und Rheumatismen bedingt war. Die gastrische Krankheitskonstitution ist daher keineswegs als ein für die stärkere Intensität und die größere Verbreitung der Cholera besonders günstiger Boden zu erachten, denn die Epidemien von 1855 und 1866 waren heftiger, wie die von 1831 und 1837.

Wechselfieber -Epidemien sind hier in vielen Jahren nicht mehr zum Vorschein gekommen und hat die Stadt überhaupt seit dem Jahre 1860, seit welcher Zeit sic einmal von einer Pocken-Epidemie und einer Epidemie der Cerebrospinal-meningitis heimgesucht worden ist, sich eines guten Gesundheitszustandes zu erfreuen gehabt.

In den früheren Epidemien ist es Regel, dass mehr Personen männlichen als weiblichen Geschlechts von der Krankheit ergriffen worden sind.