Zustand der Straßen und Gassen

Auch die sie verbindenden Straßen sind, mit Ausnahme einiger wenigen, ziemlich breit und gerade. Das Letztere ist nun freilich nicht durchgehends im strengsten Sinne zu nehmen: denn mehr oder weniger weichen fast alle von der geraden Linie ab; obgleich dieses bei vielen nicht sehr in die Augen fällt. Eben so gibt es auch Ausnahmen von der ersten Bestimmung, indem einige von ihnen sich allmählich trichterförmig verengern, andere wieder an ihren beiden Enden enger, als in der Mitte sind; auch Enden sich gerade unter den lebhaftesten Straßen einige sehr enge. Insbesondere ziehen zwei in der Mitte fortlaufende Straßen sich beinahe durch die ganze Länge der Stadt in ziemlich gerader und wenig unterbrochener Richtung.

Die Entfernung dieser beiden Gassen gab ehedem an der Grenze der Neustadt mit der Mittelstadt das eigentliche Längenmaß für die faule Grube. Außer den beiden eben genannten Straßen gibt es noch verschiedene kleinere und unregelmäßigere, welche eine gleiche Richtung halten. So wie alle diese von Osten nach Westen gehen, so werden sie in einer ganz verschiedenen Richtung von Süden nach Norden beinahe unter rechten Winkeln von andern, und vorzüglich von den zwölf Strandgassen, durchschnitten.
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Dass bei der die Reinigkeit der Straßen so sehr begünstigenden Lage der Stadt Einheimische sowohl, als Fremde sich über den Schmutz und die Unreinigkeit der Gassen beklagen, scheint zwar etwas widersprechend, lässt sich aber doch sehr gut erklären. Bei einiger Aufsicht und unter Mitwirkung eines uneigennützigen Patriotismus könnte Rostock eine der reinlichsten Städte Deutschlands sein, da ihre Lage hierzu so sehr vorteilhaft ist. Aber teils kommt man der Natur hier nicht nur selten, oder gar nicht zu Hilfe, teils scheint man absichtlich dem Vorteile, welchen eine geringe Mühe verschaffen könnte, noch Schwierigkeiten entgegen zu stellen.


Die Gassen sind im Ganzen nur schlecht gepflastert, und die befahrendsten durch die einschneidenden Räder der Korn-, Holz- und Frachtwagen so verdorben, dass man an manchen Stellen Gefahr läuft, sich im Dunkeln die Beine zu zerbrechen. Dies wird nur einigermaßen durch eine sehr langsame und nachlässige Ausbesserung des Pflasters verhindert. So paradox dieses klinget, so wahr ist es doch. Der Einheimische, der viel auf den Gassen zu tun hat, lernt auf die Art allmählich die gefahrvollen Stellen kennen, und weiß sie bei Nachtzeit eben so gut, als am Tage zu vermeiden; der Fremde mag im Dunkeln zu Hause bleiben, oder sich einem geschickten Führer anvertrauen.

Dieser Rat ist ihm auch in Absicht der Haufen von Mist und Unrat zu geben, auf die schon so mancher Fremde, wenn er des Abends von seinen Freunden zurückkehrte, zum größten Nachteil seiner Kleidung geriet, und die ihn zu dem gerechtesten Tadel oder Spott veranlassten. Sie sind in manchen engern Straßen so schwer zu vermeiden, dass das „incidit in Scyllam, qui vult vitare Charybdim,“ hier buchstäblich seine Anwendung findet. Am meisten ist dieses aber an den Tagen zu fürchten, welche zur Reinigung der Straßen eigentlich bestimmt sind, an den Mittewochen und Sonnabenden. Durch eine unmittelbare Entfernung des an diesen Tagen zusammengefegten Unrats, würde sich alle Besorgnis sehr leicht heben lassen; allein daran ist gar nicht zu denken.

Man bringt den Gassenkot zwar in Haufen: aber entweder ist er so flüssig, dass er bald wieder zerfließt, oder der erste beste Wagen fährt ihn auch sogleich aus einander. Kommen dann an den folgenden Tagen die Landleute zur Stadt, um diese Goldgrube für ihre Saaten zu benutzen: so finden sie alles schon aus einander getreten, und begnügen sich bei dem eiligen Durchfahren der Straßen mit dem, was sie für das Beste halten; das Übrige bleibt für den genügsamem Liebhaber auf längere oder kürzere Zeit liegen. Wenn nach einem harten und etwas anhaltenden Winter Tauwetter einfällt, so nehmen Wasser und Unrat oft so sehr überhand, dass man manche Straßen gar nicht passieren kann. Der Grund davon ist allein darin zu suchen, dass man alles der Natur überlässt.

Die dicke Eis- und Schneerinde mit allen Ingredienzen, welche sie enthält, wird entweder gar nicht, oder nur auf eine sehr unvollkommene Art von einzelnen Bürgern aufgehauen, um dem neugebildeten Wasser einen Abfluss zu verschaffen; natürlich muss dieses also austreten, die Straßen überschwemmen und unsicher machen. Ich weiß, dass aus dieser Nachlässigkeit mancher in tiefe Löcher gefallen ist und sich sehr beschädigt hat, dass Kutschen und Frachtwagen umgeworfen sind; und dennoch waren dergleichen Unglücksfälle kaum eine Aufforderung zur Abstellung eines so abscheulichen und gefährlichen Übelstandes.