Wohnungsmängel und Wohnungsmangel

Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unterlassen, auf die elenden, kleinen , niedrigen und ungesunden Wohnungen der geringeren Klassen von Bürgern aufmerksam zu machen. Seitdem man insbesondere angefangen hat, aus mehreren kleinen Häusern, die diesen Leuten zur Wohnung dienten, einzelne große Häuser aufzuführen, die nur von einer Familie bewohnt, oder wohl gar zu Korn- und Warenmagazinen bestimmt werden, und seitdem zugleich die eingegangenen Kellerwohnungen durch andere nicht verhältnismäßig wieder ersetzt sind, dagegen aber die Bevölkerung in den untern Klassen sich vorzüglich seit einigen Jahren vermehrt hat, sind nicht nur die Wohnungen des armem Handwerkers und überhaupt des in bedrängten Umständen lebenden Bürgers beträchtlich im Preise gestiegen, sondern auch so sehr beengt worden, dass zahlreiche Familien sich nicht selten mit allen ihren Vorräten auf ein einzelnes kleines Stübchen einschränken müssen. Hier schläft denn die ganze Familie bei Nachtzeit, nimmt ihr Frühstück, Mittags- und Abendessen ein, und ein Teil derselben, wozu insbesondere die Mutter mit ihren kleinern Kindern, oft aber auch der Mann gehört, verrichtet seine täglichen Geschäfte größtenteils in dieser eingeschlossenen Luft.

Ein so beschränktes Verhältnis disponiert nur gar zu leicht zu Schmutz und Unreinlichkeit, die denn, in Verbindung mit jenen sie veranlassenden Ursachen, die Gesundheit solcher Menschen untergraben, welche sich durch ihre Gesundheit und körperliche Stärke besonders auszeichnen sollten. Dass auf diese Weise aber vorzüglich die Gesundheit des jungen Staatsbürgers schon in ihrem Aufkeimen geschwächt wird und manche Pflanze vor der Zeit dahin welkt, die dem Staate vielleicht sehr wesentliche Dienste in der Folge hätte leisten können, verdient von allen, die zur Abstellung solcher Inkonvenienzen bei tragen sollten, nicht nur zu Herzen genommen, sondern auch durch anpassende Vorkehrungen verhütet zu werden. Ich werde mich innigst freuen, wenn ich durch diese Bemerkung etwas zur Abstellung der Not, unter welcher die ärmeren Bürger seufzen, beigetragen habe.


Auf sie werde ich auch bei anderen Veranlassungen in dem Verfolg dieses Werkes die Aufmerksamkeit meiner Leser hinzuleiten mich besonders verpflichtet halten: da ich als Arzt mehr Gelegenheit gehabt habe, das Elend unserer geringeren Mitbürger kennen zu lernen, als mancher, der mehr, als Ich, zur Abstellung desselben beitragen kann. Schon als Menschen verdienen sie unsere aufrichtige Teilnahme und tätige Unterstützung ; aber als Mitbürger einer Stadt und einer Verfassung, die dem Armen, wie dem Vornehmen, Schutz und Sicherheit verspricht, machen sie insbesondere die gerechtesten Ansprüche auf alle nur mögliche Erleichterung ihrer drückenden Lage, welche ich ihrer Obrigkeit um so mehr ans Herz lege, da sie ihrer väterlichen Fürsorge sich durch die Erfüllung der ihnen vorgeschriebenen Pflichten nach ihren Kräften nicht selten eben so würdig machen, als mancher noch so reiche und begüterte Einwohner, der oft nicht einmal in Verhältnis seiner Kräfte sich gleiche Verdienste um den Staat zu erwerben pflegt.

51. Aber noch ein Punkt, der sich auf die Wohnungen der hiesigen Einwohner bezieht, trifft vor allen wieder am meisten den Armen. Wegen seiner Wichtigkeit darf ich ihn nicht übergehen. Es ist zwar eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass wir überhaupt nicht mehr so fest und sicher bauen, als unsere Vorfahren, und dass hieran besonders unsere Eilfertigkeit und die schlechtem Materialien Schuld sind; aber diese Bemerkung gibt uns nicht das Recht, auf Kosten der Gesundheit eine der ersten Regeln in der Baukunst so sehr zu vernachlässigen, wie man es bei uns nicht selten tut. Wo wären alle die vortrefflichen Denkmähler der Baukunst, von denen wir zum Teil die Regeln der Formen, wenigstens die der zu wählenden Materialien abstrahierten, wenn diese Regeln ihre Erbauer nicht selbst geleitet hätten? Würde Rom nach allen Schmälerungen seiner Kunstsammlungen noch wohl einen so schätzbaren Vorrat von ehrwürdigen Denkmählern der Baukunst enthalten, welche nur die dumme Hand des Vandalismus zerstören kann, wenn seine Architekten nur für ihre Generation gearbeitet hätten? Würden auch wir noch die Kunstwerke der gotischen Baukunst in Kirchen und andern öffentlichen Gebäuden benutzen können, wenn unsere Vorfahren eben so nachlässig gebaut hätten wie wir?

Und doch ist das alles noch Kleinigkeit gegen die Folgen, auf welche eine schlechte Auswahl der Materialien mich gegenwärtig führt, und die eine solche Vernachlässigung insbesondere auf die Gesundheit der Menschen hat. Eine Mischung aus Kalk und Kies würde unstreitig nicht nur das sicherste Bindungsmittel für die Ziegel, mit denen wir unsere Gebäude aufführen, abgeben; sondern auch der Gesundheit am zuträglichsten sein, weil sie in kurzer Zeit austrocknet und zu einer festen Masse erhärtet. Dafür begnügen wir uns, wegen des wohlfeilem Preises, mit dem sogenannten Spargut. Dieses besteht in der Regel nur aus einem Teil Kalk, einem Teil Sand und einem Teil Lehm. Der letztere verdirbt die ganze Mischung, schwächt ihre Konsistenz und scheint zwar das Austrocknen nicht zu verhindern, befördert aber den Einfluss einer feuchten Luft und jeder andern Feuchtigkeit auf ein damit zusammengesetztes Gebäude. Ein größeres Übergewicht desselben, und eine verminderte Quantität des Kalks, wodurch das gewöhnliche Verhältnis dieser Mischung bestimmt wird, verursacht die eben gerügte Folge noch in einem höhern Grade. Und bei den Gebäuden, die von ihrem Erbauer sogleich zum Verkauf bestimmt werden, bekümmert man sich noch weniger um das gehörige Verhältnis.

Der Käufer oder Mietsmann wird also nicht nur betrogen, dass er für sein Geld ein unsicher gebautes Haus erhält; sondern erfährt auch bald die nachteiligen Folgen, die ein feuchtes Haus haben muss. Aber dies ist noch nicht alles, was ich hier zu erinnern habe. Auch die Ziegelsteine, die man dazu anwendet, sind nicht allemal aus einer reinen Erde gemacht und genügsam gebrannt, und manchmal baut man sogar nur mit ungebrannten Steinen. Auf alles dieses sollte die Polizei ein wachsameres Auge haben. Unter den angeführten Verhältnissen finde ich es aber nun vollends sehr tadelnswert, dass man noch, wie ich so häufig gesehen habe, das Übersetzen der Wände beeilt, wenn kaum die Mauern zur Hälfte ausgetrocknet sind, und unverzüglich in die kaum fertigen Häuser mit seiner Familie einzieht. Billig sollte auch hier ein gewisser Termin zum Austrocknen bestimmt werden, damit die neuen Bewohner eines Hauses sich nicht mutwillig um ihre Gesundheit bringen. Man pflegt hier gewöhnlich zu sagen, dass der Erbauer eines neuen Hauses sein Werk nicht lange überlebt, und ich will gern glauben, dass diese allgemeine Rede ihren Grund haben mag. Sollte dieser aber nicht hauptsächlich von dem frühen Beziehen der neuerbauten Häuser, ehe sie gehörig ausgetrocknet sind, abgeleitet werden können?