Abschnitt 3

Darauf erscheint Marquard Preen, dessen Vater sich so früh und kräftig dem Fürstenhause Meklenburg angeschlossen hatte, als Hauptmann der Vitalienbrüder, so lange diese noch die Befreiung des Königs Albrecht und die Verproviantirung der Hauptstadt Stockholm zum Zweck hatten: 1392 vor Oesel und Reval, 1393 vor Stockholm, 1394 in Stockholm. Mit der Befreiung des Königs verschwindet nicht allein Marquard Preen aus der Geschichte, sondern auch die ganze Linie seines Geschlechts, deren Rittersitz Davermoor wohl ohne Zweifel bald darauf zerstört ward, da er schon im J. 1425 als wüste Feldmark genannt wird. Marquard Preen wird in der Fremde oder auf der See sein Leben beschlossen haben.

Marquard Preen war also ohne Zweifel, nach urkundlichen Aussagen ein meklenburgischer Edelmann. Aber auch von andern seiner Genossen läßt sich dasselbe nachweisen.


Der Ritter Bosse von Kaland war ebenfalls ein Meklenburger. Die Familie von Kaland war eine alte, jetzt ausgestorbene, meklenburgische adelige Familie, welche von der meklenburgischen Stadt und Fürstenburg Kaland, oder jetzt Kahlen oder Kahlden, den Namen trug. Der Vorname Borchard, oder das Diminutiv desselben Bosse für Knappen, war in der Familie sehr gebräuchlich. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. theilte sich die Familie in drei Linien nach den Gütern Rey, Sukow und Vinkenthal, welche alle in der Nähe der stadt Kalen und des Klosters Dargun liegen; das Gut Rey war noch am Ende des 17. Jahrh. im Besitze der Familie. In der Linie Sukow lebte im J. 1360 ein Knappe Borchard von Kalant und in der Linie Vinkenthal im J. 1392 ein Knappe Bosse von Kaland; der letztere wird der Hauptmann der Vitalienbrüder sein, da er sich um diese Zeit seiner Güter entäußerte und durch seine Frau Geld aufnahm. Am 4. Nov. 1387 verkaufte, nach einer ungedruckten Urkunde, "Bosse von dem Kalande, Hermann's Sohn, der zu Vinkenthal gewohnt hatte, seines rechten Vaters Erbe (mynes rechten vader erue), zwei Hufen zu Vinkenthal." Am 10. sept. 1392 ertheilte der Herzog Johann von Meklenburg, zu Wismar, auf Rath der Räthe des Königs Albrecht, welcher ihm die Regierung des Landes übertragen hatte, "dem Busse von dem Kalande" die Freiheit, das halbe Gut Stove, welches seiner Ehefrau, Gottschalk's von Stove Tochter, aus der väterlichen Erbschaft zugefallen war, nach seinem Belieben zu verpfänden oder zu verkaufen, und am 2. Oct. 1392 bezeugt der Herzog Johann, daß Sigrit, "Busse von Kaland's Weib", vor ihm aufgelassen habe ihr väterliches Erbe, nämlich die Hälfte des Dorfes und Hofes Stove, welches sie an Johann Bassewitz und Bernd Dume zum brauchlichen Pfande überlassen hatte. Aus allen diesen Veräußerungen geht hervor, daß Bosse von Kalant zu besondern Unternehmungen Geld gebrauchte und aufnahm und sogar seine Frau ihr Erbtheil verpfänden mußte; er scheint bei dieser Verpfändung schon außerhalb Landes gewesen zu sein. Wann und wo er Ritter geworden ist, ist nicht bekannt; um Michaelis des J. 1392 war er es noch nicht, wenigstens war es im Lande nicht bekannt, da es sonst in den Urkunden sicher ausgesprochen sein würde.

Eben so waren die meisten andern Hauptleute der Vitalienbrüder meklenburgische Edelleute.

Lippold Rumpeshagen, von dem bei Penzlin belegenen Gute gleiches Namens so genannt, war ein Glied einer bekannten rittermäßigen Familie Meklenburgs, welche jedoch nicht sehr ausgebreitet war und im 17. Jahrh. ausgestorben ist.

Arnd Stük, nach dem Gute gleiches Namens in der Nähe von Schwerin, gehört einer alten meklenburgischen Ritterfamilie an, welche schon im J. 1171 genannt wird und im 15. Jahrh. ausstarb. Die Hauptfeste der Stük war Kützin (Pf. Körchow, bei Wittenburg), welche im J. 1349 zugleich mit den v. Züleschen Festen Neuenkirchen, Tessin und Camin von den Lübekern gebrochen ward: "1349 wunnen se de vestene Koessyn, de horde to dem van Stuken (Detmar Lüb. Chron.). Das Gut Stük war schon 1440 im Besitze der Familie Raven.

Heinrich Lüchow, von dem Gute gleiches Namens bei Kaien, war ein Glied einer meklenburgischen rittermäßigen Familie, welche wenig genannt wird und mit dem Ende des 14. Jahrh., vielleicht mit diesem Heinrich, ausstarb.

Bertram Stokeled (Stokvlet?) wird auch aus einer meklenburgischen Familie stammen, da der Name einige Male in der meklenburgischen Ritterschaft genannt wird.

Henning Manteuffel gehört zu der noch blühenden Familie, welche im Mittelalter ihre Wohnsitze im Lande Stargard hatte.

Kule gehört auch einer meklenburgischen Familie an, welche jedoch nicht sehr verbreitet war.

Moltke, der im J. 1395 von den Stralsundern gefangen und enthauptet ward, war ein Glied, der bekannten großen meklenburgischen Familie, die schon im 14. Jahrh. auch in Dänemark ansässig war und hier in großem Ansehen stand.

Andere lassen sich mit geringerer Sicherheit nachweisen, wie die Schütte, Seedorp, jedoch klingen die Namen sehr meklenburgisch und kommen öfter unter verschiedenen Verhältnissen in Meklenburg vor.

Einige Hauptleute, wie der Ritter Rambold Sanewitz, lassen sich noch nicht nachweisen; es mögen aber auch einige Namen falsch gelesen sein.

Es ist also keinem Zweifel unterworfen, daß bei weitem die Mehrzahl der ersten Hauptleute der eigentlichen Vitalienbrüder meklenburgischen rittermäßigen Familien angehörte. Alle diese Hauptleute der Vitalienbrüder wirkten so lange, als die Gefangenschaft des Königs Albrecht dauerte: mit dem J. 1395 verschwinden sie aus der Geschichte.

Mit dem J. 1394 traten zuerst jene berüchtigten Seeräuber auf, namentlich Claus Störtebeker, welche so viele Jahre die See völlig unsicher machten und deren Zweck allein Raub war. Diese bloßen Seeräuber sind mit den Vitalienbrüdern nicht zu verwechseln, wie es von den Chronisten wohl öfter geschehen ist. Claus Störtebeker war wahrscheinlich ein Einwohner der Stadt Wismar.

Ein anderes wichtiges Element in der Bewegung von der Mitte der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. lag in der Erstarkung der Städte, welche bei dem regen Leben oft in gewaltthätigen Uebermuth und in eigenmächtige Selbsthülfe ausartete. Es waren nicht allein die Seestädte, sondern auch die Landstädte, welche ihre Kraft oft auf eine etwas ungemessene Weise äußerten, namentlich die Städte des Fürstenthums Werle, welches häufige Landestheilungen und oft schwache Fürsten hatte. So hatten z. B. die Bürger der Stadt Malchin im J. 1372 das dortige fürstliche Schloß gebrochen und die Fürsten mußten die Schloßstätte an die Stadt verkaufen; im J. 1385 vereinigten sich die Seestädte mit dem Könige Albrecht, um die gefährlichsten Ritterburgen zu brechen, unter diesen auch die Burg Schorssow: bei dieser Gelegenheit erschlugen die malchiner Bürger den Maltzan anf Schorssow zu Faulenrost.

Dergleichen Beispiele kommen in dieser Zeit öfter vor. Die Entdeckung einiger interessanter Urkunden im Archive der Stadt Güstrow giebt mir die Gelegenheit, bei der Untersuchung über die Herkunft und die Stellung der Vitalienbrüder hier einige bisher unbekannte Beispiele in die Geschichte einzuführen, um so mehr als sie mit der obigen Darstellung in gewissem Zusammenhange stehen.

Im J. (1366) hatten die Bürger der Stadt Güstrow einen Strauß mit den fehdelustigen Preen auf Davermoor gehabt und dem Hans Preen, einem Bruder des nachmaligen Vitalienbruderhauptmanns Marquard Preen, vor Güstrow den Kopf abgeschlagen; am 29. Jan. 1367 mußte der Vater Henneke Preen auf Davermoor mit seinem Sohne Marquard der Stadt Güstrow und dem Fürsten Lorenz von Werle Urfehde schwören und sämmtliche Vettern der Familie mußten Bürgschaft dafür leisten. Im J. 1373 hatten die Bürger der Stadt Güstrow dem Bernd Gamm seine Burg Bülow bei Güstrow "zerhauen und zerbrochen" und ihn selbst gefangen genommen; auch er mußte am 11. Sept. 1373 der Stadt und dem Fürsten Urfehde schwören.

Solche Beispiele, die in jener Zeit nicht sehr selten sein werden, werfen ein sehr helles Licht auf die damaligen Rechtszustände und geben den Beweis, daß es gegen das Ende des 14. Jahrh. auf dem Lande nicht viel sicherer war, als auf der See.