Beiträge zur Mecklenburgischen Kunstgeschichte

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorgrades der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig
Autor: Sarre, Friedrich Dr. (1865-1945) Orientalist, Archäologe, Sammler und Kunsthistoriker, Erscheinungsjahr: 1890
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Kunstgeschichte, Architektur, Baumeister, Formziegel, Tonziegel, Maurermeister, Fürstenhof, Kunstgeschichte
Neben den sozialen Verhältnissen und der Natur der Bewohner übt vor allem das Baumaterial eines Landes Einfluss auf die Gestaltung und Entwickelung seiner Architektur aus. Der nüchterne und praktische Sinn, welcher den Bewohnern des deutschen Ostsee-Gebietes eigentümlich ist, prägt sich wohl während des Mittelalters in ihren massigen, großräumigen Hallenkirchen aus, aber das Fehlen der schwungvollen und reichen Formen, welche die Steinmtzarbeit des Mittelalters im Süden leicht hervorbrachte, ist auch auf die Natur des Materials zurückzuführen. Am Bemühen, die reichgegliederten Fassadensysteme des Hausteins im Backstein wiederzugeben, hat es zwar nicht gefehlt. Die Fähigkeit der Ziegelerde, sich leicht der bildenden Hand des Künstlers zu fügen, führte bei „fortgesetzter Übung und Erfahrungsresultaten“ 1) dazu, gotische Profile und Laubornamente, ja sogar figürliche Darstellungen zu schaffen. In den Hansestädten, in Mecklenburg, Pommern, in der Mark Brandenburg bis hinauf zum preußischen Ordenslande, überall begegnen uns diese oft glasierten und in mannigfachen Farben schillernden Formsteine und wirken belebend auf die wuchtigen und schweren Mauermassen.

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Inhaltsverzeichnis
  1. Der Fürstenhof zu Wismar und die tönernen Formsteine aus der Werkstatt des Statius von Düren in Lübeck
    1. Einleitung
    2. Baugeschichte des Fürstenhofes
    3. Der dekorative Schmuck des Fürstenhofes
      1. Beschreibung des dekorativen Schmuckes.
Bis zu welcher Vollkommenheit man in dieser Technik gelangt war, lehrt z. B. ein Blick auf den Querschiff-Giebel der Nicolai-Kirche in Wismar 1)Hier sind in reicher Abwechselung Reliefs von fabelhaften Tiergestalten, Masken und kleine Statuetten der Maria und des Schutzpatrons der Kirche angebracht. Wenn einige dieser Formziegel auch in Schwerin, Rostock und vor allem in Lübeck 2) vorkommen, so kann man wohl annehmen, dass die Erzeugnisse hier fabrikmäßig hergestellt wurden, Lübeck war nicht nur als bedeutendste Stadt des Nordens, als Vorort der Hansa für einen derartigen Betrieb geeignet, es besaß auch in seinen „besonders zahlreichen und ausgiebigen Tonlagern“ 3) das erforderliche Material. Jedenfalls bestand in Lübeck am Ende des XV Jahrhunderts eine Ziegelei, die, wie wir an dem Friese des 1476 vollendeten inneren Holstentores sehen, technisch und künstlerisch Außerordentliches in der Herstellung von gebrannten Steinen leistete 4). Aus der Mitte des XVI. Jahrhunderts sind uns die Namen zweier Ziegelbrenner erhalten. Statius von Düren und Gerdt Ruter besaßen vor den Toren Lübecks eine Fabrik 5), deren Erzeugnisse nicht nur in Lübeck selbst abgesetzt wurden, sondern sich auch in anderen bedeutenden Städten des nordwestlichen Deutschlands, vor allem aber im benachbarten Mecklenburg nachweisen lassen. Die Schlösser in Wismar, Schwerin und Gadebusch zeigen die Dekoration mit gebrannten Formsteinen in sonst nirgends vorkommender Gleichmäßigkeit durchgeführt, und unter diesen Bauten nimmt der Fürstenhof zu Wismar die erste Stelle ein. Er ist das charakteristische Denkmal eines Stiles, welcher in der Geschichte der deutschen Renaissance-Architektur füglich nicht übergangen werden darf. [Aus der Einleitung]

Sarre, Friedrich Dr. (1865-1945) Orientalist, Archäologe, Sammler und Kunsthistoriker

Sarre, Friedrich Dr. (1865-1945) Orientalist, Archäologe, Sammler und Kunsthistoriker

Wismar, Ansicht aus der 2ten Hälfte des XVII. Jahrhunderts

Wismar, Ansicht aus der 2ten Hälfte des XVII. Jahrhunderts

Wismar, Fürstenhof, altes Fenster auf der Vorderseite

Wismar, Fürstenhof, altes Fenster auf der Vorderseite

Wismar, Fürstenhof, Formstein als Basis aller Pilasten

Wismar, Fürstenhof, Formstein als Basis aller Pilasten

Wismar, Formstein, Fenstergiebel

Wismar, Formstein, Fenstergiebel

Wismar, Fürstenhof, Kleines Portal mit gebrannten Formsteinen

Wismar, Fürstenhof, Kleines Portal mit gebrannten Formsteinen

Wismar, Fürstenhof und St. Jürgen

Wismar, Fürstenhof und St. Jürgen

Wismar, Fürstenhof, Hauptportal

Wismar, Fürstenhof, Hauptportal

Wismar, Fürstenhof, Hofseite

Wismar, Fürstenhof, Hofseite