Römisch-griechische Schriftsteller über den Norden

Römisch-griechische Schriftsteller über den Norden — Cimbern, Teutonen und Ambronen — Angelsächsische Wanderung — Skalnastal auf Amrum — Beowulf, Edda, Gudrun — Handelsbeziehungen mit Holland, rheinischer Traß und Steinsärge — Die Friesen, seit der jüngeren Steinzeit hier ansässig, Ortsnamen auf um — Uthlande.

Der Umstand, daß die mit dem vorgeschichtlichen germanischen Norden durch Handel und Kriege in Berührung kommenden Völker aus dem Süden Europas schon eine hohe schreibende Kultur hatten, lässt einige historische 1) Lichtblicke in die prähistorischen Nebel fallen. Nachdem die im letzten Kapitel erwähnten Handelsbeziehungen lange Jahrhunderte hindurch gedauert, unternahm etwa anno 330 a. Chr. also in der 1. Periode der nordischen Eisenzeit der hochgebildete Kaufmann Pytheas aus Marseille eine planmäßige Forschungsreise auf dem Seeweg ins Zinn- und Bernsteinland, d. h. Britannien und die Küsten der Nordsee. Die Cassiteriden (Zinninseln) unter welchen die S. W. - Küste Englands zu verstehen ist, werden schon bei Hekatäus von Milet (ca. 500 a. Chr.) erwähnt. Von dort holten Phöniker und Carthager ihr Zinn. Er nennt die Teutonen unmittelbare, aus Schonen eingewanderte Nachbarn der Goten, sie sollen den auf den Inseln gesammelten Bernstein weiter nach dem Süden verhandelt haben. Der Geograph Pomponius Mela (ca. 50 p. Chr.) berichtet, daß die Teutonen in Schonen saßen und daß die Ureinwohner Mecklenburgs und Holsteins sich Teutonen nannten. Es war also ein Sammelname. Posidonius (135—50 a. Chr.) lässt die Cimbern (Cimrier) am Ende der Welt am äußeren Meere sitzen. Die Cimbern scheinen als ein mächtiger Stamm zwischen Nord- und Ostsee, die „Cimbrische Halbinsel“ ganz, oder wenigstens den westlichen Teil bewohnt zu haben, östlich davon Teutonen.2)


Der weltgeschichtliche Zug der Cimbern und Teutonen anno 113 a. Chr. brachte die römische Welt plötzlich in nahe Berührung mit den nordischen Barbaren. Als Kernschar der Cimbern werden die Ambronen genannt, die als gallisches Volk von vielleicht germanischer Abstammung wahrscheinlich in der Gegend von Embrun gewohnt haben sollen. Über den Zusammenhang der Ambronen mit Ambrum (Amrum) siehe weiter unten.

Plinius3), (ca. 50 p. Chr.) gibt folgende Schilderung der Ems -Wesermarsch und der dort wohnenden Chauken. „Dort wohnt ein elender Volksstamm an den Ufern des Meeres, das 2 mal binnen Tag und Nacht unübersehbare Strecken überflutet, auf Werften, die nach den Erfahrungen der höchsten Flut erbaut sind. Wenn das Wasser die Umgebung überschwemmt, gleichen ihre Hütten Schiffenden, Schiffbrüchigen aber wenn das Wasser zurückgegangen ist und um ihre Strohdächer machen sie Jagd auf die mit dem Meer zurückfliehenden Fische. Ihr Los ist, kein Vieh zu besitzen, sich nicht von Milch zu nähren, nicht einmal mit wilden Tieren zu kämpfen, da Strauchwerk erst fern von ihnen vorkommt. Aus Schilf und Sumpfbinsen flechten sie sich Stricke zu Netzen. . . . Den mit den Händen aufgefangenen Schlamm trocknen sie mehr mit den Winden als mit der Sonne und mit dieser Erde kochen sie ihre Speisen und wärmen die von Nordwind erstarrten Eingeweide. Kein anderer Trunk ist da als vom Regenwasser, das in Gruben im Innern des Hauses aufbewahrt wird.“ Wir erkennen in dieser Schilderung eine auffallende Ähnlichkeit mit dem Leben, das auf den unbedeichten Halligen noch jetzt geführt wird. Wir werden später nochmals darauf zurückkommen. —

Das Dunkel, welches nach Auflösung des römischen Reiches die Geschichte West-Europas bedeckt, lässt auch für den Norden keinerlei Aufhellung zu. Einige Notizen des Sidonius Apollinaris4), der ca. 450 p. Chr. in Bordeaux lebte, sind erwähnenswert. Dieser trotz seines schwer genießbaren Stils für die Geschichte seiner Zeit recht wichtige römisch christliche Schriftsteller hatte einen heillosen Respekt vor den Seeräubern, welche das britannische Meer befuhren und mitunter auch seiner Nachbarschaft Besuche abstatteten. Er schreibt (Epist libr. 8, 6 u. 9) an seine Freunde Lampridius und Namatius: „daß die blauäugigen Sachsen Erzseeräuber seien und einen überaus furchtbaren Feind darstellen; Schiffbrüche erschrecken sie nicht, sondern dienen ihnen zur Übung“. In dem Panegyricus an den Kaiser Avitus berichtet er dann weiter, daß diese seeräuberischen Sachsen Boote aus Tierfellen haben, was Julius Cäsar auch von den Küstenbewohnern der Bretagne erzählt. Der ältere Plinius berichtet, daß die Germanen Einbäume als Schiffe benutzten. — Unser oben genannter Gewährsmann Apollinaris rühmt, nebenbei erwähnt, als Lichtblick in seinem tristen Leben in Bordeaux, dass er seine Mahlzeiten dort mit Austern würzen könne und sucht mit dieser Attraktion seinen römischen Freund Tryetius zu einem Besuch zu veranlassen. Man darf also wohl annehmen, dass diese Austern lokales Produkt waren.

Die angelsächsische Wanderung nach England wird gewöhnlich auf 450 p. Chr. angesetzt Man geht indes kaum fehl mit der Annahme, dass es sich nicht nur um einen einmaligen Zug, sondern um eine fortgesetzte Wanderung handelte. Reimer Hansen5) erwähnt außer den bekannten Namensparallelen Hengist und Horsa: Hingsteneß und Horsbül (auf Nordstrand und bei Tondern) noch einige andere, die hier genannt seien: Auf Föhr liegt der Ort Boldixum, ein Vorfahr des angeblich 494 nach England gekommen Cerdic hieß Bäldäg.6)

Im „Vidsidhliede“, einem angelsächsischen Epos, dessen ursprüngliche Lieder der 2. Hälfte des 6. oder dem Anfange des 7. Jahrhunderts angehören, werden genannt: die Fürsten Offa, Meaca und Witta. Maak, Witt und Off sind noch jetzt nicht seltene Namen. Vgl. Witzworth bei Schwabstätt, Witsum auf Föhr, Offenbüll in Eiderstedt. Der Name Hemming, der im Beowulf-Lied als Offa’s Verwandter genannt wird, findet sich in Hemminghörn bei Offenbüll, Hemmingstedt in Ditmarschen7). Der Name Hemmings ist mir als jetzt noch gebräuchlicher Familienname in England bekannt.

Reimer Hansen hält auch nicht für unwahrscheinlich, daß die Ambronen auf den Geestinseln speziell Ambrum (Amrum) gesucht werden dürften. Sach II, 270 hält ebenfalls dafür, daß die Geestinseln schon lange vor der Wanderzeit von germanischen Stämmen bewohnt waren. „Haben wir hier etwa die „Ymbre“ des Vidsidh zu suchen und ist mit ihnen und den Ambronen, welche 627 in „Deira“ genannt werden, der Name Ambrum in Verbindung zu bringen? Nennius, Hist. Brit. § 63 erzählt zum Jahre 627 von der Taufe der Ambronen (genus Ambronum id est Aldsaxonum).“ Die Insel Amrum müsste dann jedenfalls größer gewesen sein als jetzt und vielleicht mit den Nachbarinseln zusammengehangen haben. Die äußerst zahlreichen Grabfunde aus der Eisenzeit auf Föhr, Sylt und Amrum weisen auf eine recht zahlreiche Bevölkerung dieser Inseln hin. Eine Sonderstellung unter den prähistorischen Funden nehmen die Steinkreise im Skalnastal von Amrum ein.8) Hier wurden im Jahre 1845 durch einen heftigen Sturm aus dem Dünensande bloßgelegt 23 Steinkreise, die größten mit einem Durchmesser von 15 Schritt; 4 dreieckige Steinsetzungen mit konkaven Seiten und 2 rechteckige, 1 Eisenmesser, 1 Schlangenring von Gold, etc. Sach setzt sie ins 7. Jahrhundert. Nach seinem im Jahre 1896 genommenen Augenschein bilden die Steinsetzungen nur die Einfassungen beigesetzter Urnen. Nach ihm kommt die Endung „ask“ überall auf den Inseln vor und bedeutet wohl ursprünglich Saatfeld. Dann würde der Name noch aus einer Zeit stammen, wo die Dünen noch nicht den alten Diluvialboden bedeckt hatten. Danckwerth-Meyer (a. 1652) geben an der Stelle des Skalnastales den Namen Schall-Kappel, Schallhafen, Schallum und Templum Saturni in deren Mitte, so daß man annehmen muss, daß sie Kenntnis von einem früheren Heiligtum an dieser Stelle hatten. Diese Steinsetzungen weichen in ihrer Form durchaus von den auf unsern Inseln sonst gebräuchlichen ab, entsprechen aber auffällig den weiter nördlich, z. B. zu Bleckingen in Schweden gefundenen, so daß Sophus Müller in Übereinstimmung mit Worsäe sie eher für Grabstätten schwedischer oder norwegischer Vikinger halten möchte.9)

In diesem Falle müßten sie jedenfalls nicht weit vom Meere angelegt worden sein; dagegen scheinen die ausgedehnten Sande vor dieser Küste Amrums zu sprechen; jedoch ist unzweifelhaft, daß noch in weit jüngerer Zeit Schiffe mit großem Tiefgang bis nahe an den jetzigen Uferrand Amrums fahren konnten 10). (Kniephafen.) Einen Bericht über einen solchen Einfall nordischer Vikinger in Nord-Friesland gibt uns die Egill-Saga, Mitte des 10. Jahrhunderts 11) die von den seeraubenden Nordhelden Arinbjörn und Egill erzählt, wie dieselben auf ihren 3 großen mit mehr als 300 Kriegern bemannten Langschiffen in der Dunkelheit der Nacht es wagten, in ein Fleet einzulaufen; die Landung war schwierig, weil man das Wasser an der Küste seicht und keinen eigentlichen Hafen dort fand. Ein harter Kampf mit den Friesen folgte.

Bei Goting-Föhr, das durch seine zahlreichen eisenzeitlichen Grabhügel auffällt, sieht man heute noch einen als Vikingerhafen traditionell bezeichneten, jetzt trocken liegenden Landstrich, der ziemlich weit ins Land geht, mindestens 2 Meter tiefer als das übrige Niveau liegt und den Charakter einer feuchten Wiese trägt, während seine Umrandung Geest ist. Auf einigen Karten findet sich im Watt vor diesem Stück ein „Vikinger-Hafen um das Jahr 1000“ verzeichnet. — Das Watt vor der ganzen Südküste Föhrs heißt noch jetzt Nordmannsgrund.

Was uns das Beowulf-Lied12) an Kultur -Schilderungen übermittelt, zeigt, daß die küstenbewohnenden Friesen und Dänen kriegerische, seefahrende Völker waren, deren Fürsten mit dem Gold (in Form von Ringen und Spangen) recht verschwenderisch umgingen. Sie hatten mit Gold geflochtene Banner, getäfelte Säle, an Waffen: Ringbrünne, Eberhelm, Lindenschild, Schwert und Sachs, Speer, Armbrust, Bogen, Pfeil.

Die Edda (deren Stoff aus dem nordischen Kulturkreis und dem 9. — 12 Jahrhundert stammt) gibt uns im „Rigsmal“ einige interessante kulturgeschichtliche Notizen. Im „Bauernhause“ stand eine hölzerne Stange an dem Herde, geglättet zum Weberbaum ward sie vom Gatten, im knappen Kittel, mit kurzem geschorenem Haar und gestutztem Bart, daneben bewegte sein Weib den Rocken und zog die Fäden zu feinem Gespinnst, ein Tuch um das Haupt, eine Jacke um die Brust, Achselstreifen (dvergar) über die Schulter. — Der Bauer zähmte Stiere, zimmerte Pflüge, schlug Häuser auf, erhöhte Scheuern, fertigte Wagen und führte den Pflug; da fuhr einst dem Bauer die Braut in den Hof, Schlüssel am Gürtel, im Gaisfellkleid und geschmückt mit dem Mantel. — Von den Adeligen erzählt die Edda, daß die Hausfrau hohe Haube und Halsgeschmeide trug.*)

*) Der Name für Kittel ist „Skyrta“, für Jacke „Smokkr“ das Gaisfellkleid „Gaitakyrtla“.

Paul (Grundriss der germanischen Philologie), gibt in 2, III, S. 444 folgendes: Es wird altskandinavisch eine Art Hemd erwähnt, welches „Smokkr“ hieß, es war sehr ausgeschweift und ohne Ärmel, die Stücken oder Streifen oben auf den Schultern, womit es gehalten wurde, hießen dvergar; auf Föhr heißt noch jetzt ein Frauenhemd „Smok“, auf Amrum „Smak“, auf Sylt „Smok“; früher verstand man auf den nordfriesischen Inseln unter „Smok“ ein Frauen-Oberkleid, das bei festlichen Gelegenheiten getragen wurde. (Siehe weiter unten.) Im Englischen ist nach Webster „Smock“ ein Kleidungsstück, dessen Charakteristikum ist, daß man den Kopf durchstecken kann, also etwa Hemd, Bluse.

Zu „Kyrtill“ (Rock) gibt Paul I. c. S. 439: Oberkleider, bolklaedl. Das gewöhnlichste auf dem Oberkörper war ein Rock (Kyrtill); dieser war vorne ganz und mußte wie das Hemd über den Kopf durch ein Halsloch heruntergezogen werden; er war fast immer mit Ärmeln versehen und reichte in der Regel bis zu den Knien. Der Rock wurde durch einen Gürtel (belti), welcher nicht selten aus zusammengehefteten Silberplatten bestand, am Leibe festgehalten. Bei Vornehmen war der Rock von Scharlach. Auf Föhr heißt heutzutage „Kortel“ Weiber-Unterrock, auf Amrum und Sylt ebenso, dagegen in Niebüll „Körel“ Frauen-Oberrock. In Schweden Kjortel; früher bedeutete auf Föhr und Amrum „Kortel“ einen (roten oder blauen) Frauen-Staatsrock; englisch: Kirtle (Unterrock). Ein großer langer Frauen-Radmantel heißt jetzt noch auf Föhr Bolfanger; hierin steckt wohl der Stamm von alt-nordisch „bolr“ = Rumpf, bolfanger also etwa „Leibumfanger“; d. h. ein den ganzen Rumpf einhüllendes Kleidungsstück. (Meinem Freunde, dem Privatgelehrten Fr. Veit in Tübingen, bin ich für Mitteilung der obigen Bemerkungen zu Dank verpflichtet)

Das Gudrun-Lied, dessen Stoff noch dem 9. Jahrhundert angehört und dessen Schauplatz einerseits Flandern und die Rheinmündung, andrerseits Dänemark ist, zeigt uns, wie die Kaufleute in der Normannenzeit als Pilger mit ihren Lastschiffen über das Meer kamen und ihre Waren in der Fremde feilboten.

Für die Zustände an der Westküste war der schon früh entwickelte Handel von Schleswig von Bedeutung.13) Schleswig hatte schon im Anfange des 9. Jahrhunderts lebhaften Handelsverkehr, besonders mit dem holländischen Friesland (Dorstadt bei Utrecht). Die von dort kommenden Kaufleute landeten an der Eider-Mündung, welche im Jahre 857 von dem Normannenfürsten Rorik, der das unterrheinische Gebiet mit Dorstadt zu Lehen hatte, in Besitz genommen wurde. Für die Normannen war neben der Heerfahrt auch die Kauffahrt wichtig; letztere trat immer mehr hervor und im 10. Jahrhundert war die normannische Seefahrt durchaus friedlich. Auch Ripen hatte nach Adam von Bremen im 11. Jahrhundert Seeverkehr mit den Niederlanden. Wie lebhaft der Handelsverkehr der Niederlande mit der cimbrischen Halbinsel war, zeigen u. a. die großen Mengen von rheinischen Traß (trachitischer Tuff), welcher im 12. und 13. Jahrhundert zu Bauzwecken hierher importiert wurde. Dieser trachitische Tuff kam aus dem Brohltale. Schleswig und Hollingstedt haben Kirchen, deren älteste Teile beide dem 12. Jahrhundert angehören, aus diesem Material. Auch die Johanniskirche auf Föhr zeigt an ihrem Turm noch einzelne Mauerstücke davon; ebenso der Pellwormer Kirchturm u. a. mehr. Auch der Riper Dom ist aus rheinischem Traß. Die auf Föhr, den anderen Inseln und westlichen Küstenstrichen Schleswigs häufigen Steinsärge, welche hier als Tränktröge (Nost) benutzt werden, sind vom Rhein eingeführt; ebenso die schon oben erwähnten Gewürzmühlen aus vulkanischer Eiffel-Schlacke.14)

Auch unter den vor kurzem auf Sylt gefundenen und jetzt im Kieler Museum vaterländischer Altertümer aufbewahrten Münzen, von der Mitte des 11. Jahrhunderts, befinden sich hauptsächlich kölnische und angelsächsische Münzen.*)

Es erscheint zweifellos, daß Föhr und die andern Inseln schon um das Jahr 1000 keineswegs außerhalb aller Berührung mit großen handeltreibenden Zentren waren.

Dass die Kultureinflüsse der iro-schottisch-angelsächsischen Missionstätigkeit, welche vom 6.-8. Jahrhundert eine Menge von Glaubensboten nach Deutschland sandte, sich hier geltend machten, ist kaum anzunehmen.*)

Es steht fest, daß im Norden das Christentum von Deutschland aus im 10. Jahrhundert verbreitet wurde. Die älteste Kirche Föhrs, die Johanneskirche in Nieblum, stammt aus dem Ende des 12. Jahrhunderts.

Betreffs der oben erwähnten britischen Missionare mag angeführt werden, daß dieselben im Hellant (8. Jahrhundert) als in Schafsfelle gekleidet geschildert werden. Auch der Langobarde Liutprand (anno 949 Gesandter in Byzanz) berichtet, daß man sich in Byzanz über die armen in Schafsfelle gekleideten Sachsen lustig machte.

Über die Frage der Besiedelung Nord-Frieslands und der Herkunft seiner jetzigen Bewohner sei zusammenfassend erwähnt:

1. Kossina14a) u. a. Forscher lassen schon von der jüngeren Steinzeit an in Schleswig-Holstein, Dänemark, Mecklenburg und Pommern Germanen wohnen.

2. Sophus Müller15): „In den Gräbern der Bronzezeit Dänemarks höchstwahrscheinlich ein germanischer Stamm, groß, blond, (auch Pytheas und die klassischen Schriftsteller um 100 n. Chr. geben nur germanische Namen für diese Stämme). Da nun in den nächsten Jahrhunderten vor Chr. und noch weiter zurück keine allgemeine und große Einwanderung stattgefunden haben kann, darf man annehmen, daß das Land schon zur älteren Bronzezeit seine gegenwärtige Bevölkerung hatte.“

*) Freundliche Mitteilung von Frl. Prof. Mestorf-Kiel: Inzwischen erschien eine vorläufige Nachricht über diesen Münzfund in „Mitt. d. nordfris. Ver. f. Heimatkunde“ 1906/07, H. 4.

*) Jellinghaus in Niederdtsch. Jahrb. 1887, XV, S. 62 erwähnt beim Heliant einige vom Lateinischen herübergenommenen Worte, welche auch im Föhrer-Friesisch vorkommen; z. B. Skööl, Schaar, Haufe vom latein. Skola; Fômen (Ost-Föhr) = Frau. Amrum und Sylt Famen (von latein. femina.)

3. Sach II, 270: „Die Geestinselbewohner sind aus antiquarischen und anderen Gründen einer jener germanischen Stämme, welche schon lange vor der Wanderzeit in dem Herzogtum sesshaft waren; welcher besondere Stamm es war, ist nicht sicher. Rest eines englischen Stammes, Chauken (= Sachsen), Ymbre, Ambronen (= Altsachsen). Speziell für Amrum erwähnt Sach II, 260: „Die an das Skalnastal (siehe oben) sich knüpfende Überlieferung beweist, daß derselbe Volksstamm, dessen Nachkommen noch heute hier wohnen, schon in der Vikingerzeit hier sesshaft war.“

4. Reimer Hansen 16): Dass die Ambronen auf Amrum und benachbarten Inseln ehemals gewohnt haben und durch eine große Wasserflut zur Auswanderung veranlasst seien, etwa um 120 p. Chr., halte ich trotz Müllenhoff’s Einwänden nicht für unwahrscheinlich.

5. Eine Untersuchung der prähistorischen Funde von Föhr, Amrum und Sylt spricht ebenfalls nicht gegen eine kontinuierliche Kultur-Entwicklung in diesen Gegenden.

Urkundliche Zeugnisse für friesische Ansiedelungen an der Westküste Schleswig-Holsteins führen uns höchstens bis ins 9. Jahrhundert zurück. Auch Langhans 17) und Jörgensen kommen zu dem Ergebnis, daß die friesische Einwanderung um die Mitte des 9. Jahrhunderts stattgefunden habe.

Was die Ortsnamen auf „um“ anlangt, welche an der ganzen Nordsee von Doccum in Holland, Bochum in Hannover, über Jütland, Nordschleswig, auf der friesischen Marsch, Sylt, Föhr, Nordstrand, Eiderstedt, Gotland verbreitet sind, so kommt Sach zu dem Schluss, dass dieselben, wenn sonst nichts wiederstreitet, im allgemeinen den Friesen zuzuschreiben seien. Erinnert sei hier noch an die friesische Gründung Tukkum bei Riga, in dessen Nähe sich auch ein Ort Wyk befindet, 18)

Was wir heute Nord-Friesland nennen, hieß früher „Uthland“. Dieser Name „Uthland“ taucht schon im Jahre 1187 auf.19)

Der Name „Nordfriesland“ kommt bereits im 15. Jahrhundert vor, wird aber erst im 16. — 17. allgemein gebraucht. In „Waldemar’s Erdbuch“ werden unter „Uthland“ aufgeführt Horsaebyhaeret, Bokynghaeret, Syld, Föör Osterhaeret et Waesterhaeret, Byltrynghaeret, Wyrikshaeret, Pilwaermhaeret, Edomshaeret, Thynninghaeret, Giaethninghaeret, Holm, Haefrae.20)

Der Name „Föhr* tritt zuerst in einer Urkunde vom Jahre 1198 auf in der Form Ford; der Name „Sild“ zuerst im Jahre 1141.21)

Der Name „Ambrum“ zuerst im Erdbuch 1230. Die Herkunft dieser Namen ist noch dunkel.

1) Vgl. Detlefsen. Heimat I, 1907.

2) Der Name Kimber soll nach Fr. Mathias, Progr. d. Luisengymnasium Berlin 1904 vom altgermanischen Kimber = Kante, Rand herkommen also gleich Leute von der Wasserkante; sonst wird Kimbern auch als Kämpfer gedeutet.

3) Hist. nat. XVI, 1-2.

4) Q. S. Apollinaris Sidonii epist. et. carm. Lütjohann, Berlin 1887.

5) Globus 70, Nr. 9.

6) Baldur, angelsächsisch Bäldäg, Simrock, deutsche Mythologie 1882, S. 30.

7) Vgl, hierzu auch Sach II, S. 80.

8) Chr. Johannsen, in Jahrb. f. Landesk. von Handelmann II, 1860, S. 459.

9) S. Müller, Nord. Altertumsk. II, 258.

10) Über die Landveränderungen vgl. Sach II, 258.

11) Zitiert nach Michelsen, Nordfriesland im Mittelalter, Schleswig 1828, S. 38 u. 65.

12) In seine jetzige Form gebracht im 7. Jahrh. Der Kern der Sage ist ein historisches Ereignis um 500.

13) Vgl. A. Kiesselbach, in Zeitschrift f. schlesw.-holst. Gesch. 37. Bd., 1907.

14) Vgl. Kiesselbach I. c. Handelmann, in Zeitschr. der Ges. f. schlesw.-holst.-lauenb. Gesch. 13, S. 46.

15) Korrespondenzbl. d. Ges. f. Antrop. X, 109 ff.

16) Nord. Altertumsk. I, 345.

16) Globus 70, Hft. 9, 1896.

17) Ursprung der Nordfriesen, Wien, 1879.

18) Vgl. auch Reimer Hansen I. c, S. 136.

19) Hasse, Regesten I, 153.

20) Vgl. Michelsen, S. 52 und Sach II, 136 ff.

21) Hasse I, 78.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Beiträge zur Heimatkunde der Insel Föhr