Bei den Perlenfischern Arabiens

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1926
Autor: Alfred Heynicke, Erscheinungsjahr: 1926

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Perlen, Perlenfischer, Perlentaucher, Perlenhändler, Schmuck, Persischer Meerbusen, Seebusen, Menschenhai, Fremdkörper, Muschelbänke,
Zu dem Seebeben und der Wirbelsturmkatastrophe im Persischen Meerbusen, dem tausend Perlenfischer mit ihren Taucherschiffen zum Opfer fielen.

Vom Persischen Meerbusen kam die Nachricht, dass dort ein Zyklon gewütet habe, der von einem Seebeben und einer Flutwelle begleitet war und dem tausend Menschenleben zum Opfer fielen. Die Flotte der arabischen Perlenfischer ging bis auf einen kleinen Rest unter. Diese erschütternde Kunde weckte in mir die Erinnerung an eine Zeit, die ich inmitten der Perlenfischer verbrachte.

**************************************************
Auf der Reede und am Strand von Menama, dem Haupthafen des Bahrein-Archipels, ging es lebhaft zu. Die Tauchzeit der Perlenfischer sollte ihren Anfang nehmen. Eine stattliche Anzahl Küstenfahrer, jene malerischen arabischen „Bagaras“, deren Bauart seit Sindbads Zeiten sich nicht geändert hat, bereiteten sich vor, in See zu stechen.

Dunkelbraune, sehnige Gestalten im weißen Lendentuch und roten Fes hoben die Anker aus dem Grund. Arabische Lieder, tiefe, raue Kehltöne, begleitet vom Stampfen nackter Füße und dem Klatschen vieler Hände, schallten herüber zum Strand. In höchsten Fisteltönen sangen halbwüchsige Schiffsjungen jede einzelne Strophe dieser Arbeitslieder vor.

Am Ufer entlang standen in erregten Gruppen die zurückbleibenden Männer, reiche Kaufleute, Basarhändler, Fischer und Kaffeesieder. Die Flachdächer der am Strand befindlichen Häuser waren dicht mit Frauen und Mädchen besetzt. Verhüllt bis zu den Augen in ihre grellbunten, weiten Umhänge, tönte in kurzen Zwischenräumen ihr durchdringendes Freudengeschrei hin aus über den Hafen. Es war jenes schrille, langanhaltende Trillern, das der, der es einmal im Orient gehört hat, so leicht nicht wieder vergessen wird. Durch die engen Gassen liefen halbnackte, behende Jungen und schlugen wie besessen das Tamtam. Die Stadt feierte ein Freudenfest.

Taue knirschten, Blöcke knarrten, überall wurden die mächtigen Segel gehisst. Gleich einer Schar Schwäne zogen die rotbewimpelten Boote hinaus ihrem Ziele zu, nach den zwischen El Bahrein und Ras Rekkan (Kap Rekkan) liegenden Austernbänken.

Von Nachota Ibrahim, einem der reichsten Booteigner, eingeladen, erhielt ich auf seiner Bagara den Ehrensitz. Im hohen Heck auf einem farbenprächtigen Teppich unter dem luftigen Sonnensegel, bei arabischem Kaffee und der ständig kreisenden Wasserpfeife wer unser Gesprächsstoff natürlich die Perle. Wie abergläubisch sind doch diese braunen Söhne der sandigen Wüste! Nicht ein einziger von den vierzigtausend Tauchern glaubt, dass die Perle durch das Eindringen eines Fremdkörpers in die Muschel entsteht. O nein, fest glauben sie den Überlieferungen ihrer arabischen Dichter: Jedes Jahr, wenn heftige Regengüsse auf die salzigen Fluten der Perlenbänke niederprasseln, dann schwimmen die Austern an die Oberfläche, öffnen ihre Schalen, um einen der süßen Tropfen aufzufangen, und je größer dieser ist, umso größer, schöner und wertvoller wird die in der Auster geborene Perle.

Ungefähr fünf bis sechstausend Bagaras ziehen jährlich aus zum Fang. Der Durchschnittsertrag beträgt ungefähr zwanzig Millionen Markt, aber es gibt auch Jahre, wo die Ausbeute bedeutend geringer ist. Viel hängt vom Wetter ab, und der Gewinn der Bootseigner ist reine Glückssache. Wirft ihm der Zufall einige große Stücke in den Schoß, so bleibt ein guter Überschuss. Noch ist keiner reich geworden, aber jedem schwebt das sagenhafte Taubenei Harun al Raschids vor, jene erstaunlich große Perle des einstigen Kalifen von Bagdad, die, so will es die Sage, auf den Perlenbänken von El Bahrein gefunden wurde.

Der Löwenanteil des Perlenhandels fällt den schlauen Zwischenhändlern, den von Indien eingewanderten Hindus, in den Schoß. Durch ihre Hände gelangt der größte Teil der Ausbeute des Golfes auf die Weltmärkte Paris und London. Aus ihren Händen erhalten die Bootseigner Monate vor Beginn der Tauchzeit große Vorschüsse und die Lebensmittel für die Taucher. Je eher es daher dem Araber gelingt, diese Schulden zurückzuzahlen, desto eher beginnt sein Verdienst; sind aber die Tauchergebnisse ungünstig, so kommt es vor, dass ein Teil der Schulden auf die nächste Fischzeit vorgetragen werden muss. Ohne Murren geschieht es. „Kismet“, sagt der Araber und „Gott ist groß“, er wird schon einmal die große Perle schenken.

Als die Sonne am westlichen Himmel in die goldig schimmernden Fluten sank, waren die ersten Perlenbänke erreicht. Eine kleine schwimmende Stadt hatte sich hier zusammengefunden, in Rufweite lagen alle Bagaras nebeneinander verankert. Mit dem ersten Schimmer des jungen Tages begann die Arbeit. Im Bug unserer Bagara standen die Taucher beisammen, fetteten ihre sehnigen Körper ein, tranken heißen Kaffee und rauchten ihre Wasserpfeifen. Außer einigen Datteln genossen sie nichts, mit vollem Magen wird nicht getaucht, größte Mäßigkeit während der Arbeitszeit erleichtert das Unterwasserbleiben. Erst nach einbrechender Dunkelheit wird die Hauptmahlzeit genommen, sie besteht aus Reis mit viel Hammelfett, Hülsenfrüchten, Fisch und Brot.

Ebenso einfach wie die Boote sind die wenigen Gerätschaften des Gewerbes. An den Bootseiten entlang, einige Fuß unter Wasser hingen die schweren Sinksteine. Kunstgerecht mit einem Schlippsteg an der Reling befestigt, werden sie von den Jungen, den Tauchlehrlingen, bedient. Zu jedem Stein gehört auch eine dünne Signal- und Hebeleine.

Mit begreiflicher Spannung wartete ich auf den Beginn der Arbeit. Acht Taucher traten zur Reling, unter Lachen und Scherzen drückte sich ein jeder den einfachen Hornkneifer auf die Nase, der das Eindringen von Seewasser verhütet. Auf die Finger der rechten Hand wurden lederne Fingerlinge gestülpt, sie verhinderten beim schnellen Zusammenraffen der Austern ein Verletzen der Hände. Das Ende der dünnen Signalleine, an der auch der Korb oder das Netz zur Aufnahme der Austern hängt, wurde um den linken Arm geschlungen.

Mit der großen und der nächsten Zehe das Tau des Sinksteines umklammernd, glitten die Burschen bis zu den Hüften ins Wasser. Nach einigen langen Atemzügen kam das Zeichen, die Jungen lösten die Schlippstege, und lautlos verschwanden alle, vom schweren Stein in die Tiefe gerissen.

Mit der Uhr in der Hand, wartete ich. Nur wenige Luftblasen stiegen auf. Wie unendlich lang eine solche Minute wird, man glaubt es kaum! Als die zweite nahezu voll war, wurde heftig an einer Leine gerissen, und noch ehe der Junge das mit Muscheln gefüllte Netz an der Oberfläche hatte, kam der Taucher herauf. Hilfsbereite Hände zogen ihn ins Boot, mächtig arbeiteten seine Lungen, auf einer Matte hingestreckt erholte er sich langsam.

Die dritte Minute hatte begonnen, die Luftblasen wurden zahlreicher. Als weitere dreißig Sekunden verstrichen waren, wurde heftig an sämtlichen Leinen gerissen, und kurz darauf erschienen sieben Köpfe an der Oberfläche. Alle waren tief erschöpft, die ungeheure körperliche Anstrengung spiegelte sich deutlich auf ihren Gesichtern, einige waren förmlich verzerrt.

Nachota Ibrahim ließ von den heraufgebrachten Austern einige öffnen, doch ergab sich nur eine minderwertige Ausbeute. Ein ergebenes „Inschsallah daffa degar“, „So Gott will, das nächste Mal“, murmelte er und ließ dabei die Kügelchen seines Gebetkranzes durch die hennagefärbten Hände gleiten. Die Jubelrufe aus anderen Booten zeigten, dass dort bessere Erfolge erzielt worden waren.

Während früher die geöffneten Schalen wieder in die See geworfen wurden, bilden sie heute einen sehr begehrten Handelsartikel. Tausende Kisten werden jährlich von Bahrein verschifft und in Europa zu Knöpfen, Messerschalen und vielen anderen Gebrauchsgegenständen verarbeitet.

Nach Sonnenuntergang, als die fetten Reisgerichte in den großen Kupferkesseln brodelten, fuhr ich mit Ibrahim auf der größten Bagara zur Perlenbörse. Was gab es da alles zu sehen! Neben flachen, runden, länglichen, ovalen und verkrüppelten Perlen schimmerten mir aus braunen Händen die herrlichsten Regenbogenfarben entgegen. Alle Schattierungen waren vertreten, goldene, rosa, blaue, grüne, violette und tiefschwarze Perlen. Ganz nebensächlich wurden die vielen Samenperlen bewertet.

Abends beim schwachen Licht des Mondes lauschte ich den Erzählungen der braunen Gesellen. Die kleinen Teufelsfische sind vor allem gefürchtet, oft kommen sie in großen Schwärmen, und ihre schmerzhaften Angriffe werden durch enganliegende Hemden abgewehrt. Außer diesen unangenehmen Blutsaugern ist der Menschenhai sehr gefürchtet; eine Panik entsteht, wenn seine Rückenflosse ich zeigt, tagelang ruht die Arbeit. Schon mancher Taucher wurde verstümmelt und fristet als Bettler im Basar sein Dasein. Aber auch die Gesundheit leidet unter den großen Anstrengungen, alt werden die wenigsten Taucher, mit den Jahren treten Taubheit, Rheuma und andere Beschwerden ein.

Wenn im Oktober die Tauchzeit vorüber ist, sitzen die Perlenhändler täglich in den Kaffeebuden, und der Handel beginnt. Alle tragen ihre Schätze bei sich. In der innersten Tasche des Kaftans, verpackt in rote Baumwollläppchen oder flache Blechdosen, nehmen sie sie überallhin. Von Sonnenauf- bis –untergang wird gehandelt, heiß wird manche Perle umstritten. Erregt sind die sonst gleichgültigen bronzenen Gesichter, bei Differenzen wird sofort die kleine Handwaage hervorgeholt. Als Gewicht dienen getrocknete Erbsen, eine im Golf bekannte Gewichtseinheit. Eine Perle, die zehn Erbsen wiegt, ist ein Prachtstück. Aber auch das Ta-us, ein sehr sinnreicher Apparat mit drei übereinander angebrachten Sieben, jedes mit einer anderen Lochweite, wird zur Bestimmung der Größe angewandt. Eine Handvoll Perlenwird ins obere Sieb geschüttet. Die über Erbsengröße, welche nicht durchfallen, heißen „Ras“ und gelten als die wertvollste Ware, die nächstkleineren im zweiten Sieb werden „Batn“ und die im untersten zurückbleibenden „Dhail“ genannt. Die Staubperlen werden in kleinen Säckchen nach Gewicht verkauft.

Ehe die Schätze des Meeres ausgeführt werden, bewahrt der Eigner sie in einem Gefäß auf, das zur Hälfte mit braunem Madagaskarzucker gefüllt ist, und schüttelt die Perlen täglich tüchtig durch. Dieses einfache Verfahren soll ihnen den zarten, duftigen Glanz bewahren. Auf alle vom Archipel ausgeführten Waren erhebt der Scheik eine bestimmte Abgabe, ein hübsches Sümmchen bleibt ihm trotz des großen Schmuggels.

Schon im Altertum war die Bahreinperle sehr gesucht. Die besten Abnehmer sind noch heute die Fürstenhöfe Asiens. Um Perlen von ganz bestimmten Formen oder Farben zu erhalten, um damit gewisse Schmuckstücke zu vervollständigen, halten sich Vertrauenspersonen asiatischer Fürsten monatelang in Bahrein auf. Ist es ihnen endlich gelungen, die Perle zu finden, nach der sie fahnden, so werden oft fabelhafte Preise gezahlt, die sich nur ein indischer Maharadscha leisten kann. In allen Harems des Ostens ist die Perle der beliebteste, aber auch vornehmste Schmuck. Arabische Dichter haben sie in allen Tonarten besungen, durch viele Legenden wurde sie verherrlicht.

Unendliche Werte wurden bereits gehoben. Aber wieviel Schätze ruhen noch unter den smaragdgrünen Fluten! Jedes Jahr lockt das Tamtam die braunen Gestalten zur harten Arbeit, jeden zieht es mit geheimnisvoller Gewalt immer wieder hinaus, denn keiner der vierzigtausend Taucher gibt die Hoffnung auf, einmal das sehnlichst erwünschte Gegenstück zu Harun al Raschids Perle zu finden.

Trotz Seebeben und Wirbelstürmen werden die Perlenfischer ihr Glück auf dem Meeresgrund suchen.

Ein großes Taucherschiff auf der Fahrt zu den Perlenbänken im Persischen Golf. Der größte Teil der Perlentaucherflotte wurde durch Wirbelsturm und Seebeben vernichtet.
Ein reicher Perlenhändler der Persischen-Golf-Küste seinem Ehrengewand, einem echten Kaschmirschal
Perlentaucher im Persischen Meerbusen
Arabische Perlenhändler und Kaufleute in Menama

Perlentaucher und Perlenhändler

Perlentaucher und Perlenhändler

Maritimes, Ein großes Taucherschiff auf der Fahrt zu den Perlenbänken im Persischen Golf. Der größte Teil der Perlentaucherflotte wurde durch Wirbelsturm und Seebeben vernichtet

Maritimes, Ein großes Taucherschiff auf der Fahrt zu den Perlenbänken im Persischen Golf. Der größte Teil der Perlentaucherflotte wurde durch Wirbelsturm und Seebeben vernichtet

Maritimes, Ein reicher Perlenhändler der Paersischen-Golf-Küste in seinem Ehrengewand, einem echten Kaschmirschal

Maritimes, Ein reicher Perlenhändler der Paersischen-Golf-Küste in seinem Ehrengewand, einem echten Kaschmirschal

Maritimes, Arabische Perlenhändler mit Kaufleute in Menema

Maritimes, Arabische Perlenhändler mit Kaufleute in Menema

maritimes, Perlentaucher im Persischen Meerbusen

maritimes, Perlentaucher im Persischen Meerbusen