Bayerische Sagen und Bräuche. Band 1

Beitrag zur Deutschen Mythologie
Autor: Panzer, Friedrich (1794-1854) bayerischer Sagensammler und Architekt, Erscheinungsjahr: 1848
Themenbereiche
Vorrede.

Nach Überresten gemauerter Tempel im sinne der Griechen und Römer, wenn sie nicht von letzteren selbst abstammen, werden wir uns im Vaterlande vergeblich umsehen, gleichwohl gab es auch bei uns vor Einführung des Christentums Stätten des alten Kultus. Das bezeugen die sprachlichen Denkmäler, wie sie uns Jacob Grimm in seinem vortrefflichen Werke der Deutschen Mythologie vorführt.

Es fragt sich nun, ob von den Tempeln unserer Altvordern keine Spur auf unsere Zeit gekommen ist? Mangel an Schrift und plastischer Kunst erschwert die Untersuchung der vaterländischen Baudenkmäler, gleichwohl wird einiger Ersatz in anderer Weise geboten, es gibt in Bayern, in ganz Deutschland, eine Menge von natürlichen, oder künstlichen Hügeln, welche heilige Stätten der beiden waren, sie liegen meistens in Wäldern, und sind mit Wall und Graben umgeben, in ihrer Nähe entspringt eine Quelle, fließt ein Bach. Trümmer von Totenurnen, Knochen von Tieren, bisweilen auch von Menschen, Waffen, Verzierungen, Kohlen — Überreste vollzogener Opfer — werden oft in geringer Tiefe gefunden, mehrere dieser, von Grabhügeln wohl zu unterscheidender, Schlossberge enthalten unterirdische Gänge, wahre Irrgänge, wenn richtig ist, was die Sage meistens berichtet, dass sie sich weit über dieselben hinaus erstrecken, wie aus der Vergleichung einer großen Anzahl dieser Denkmäler hervorgeht, liegt ihrer Wahl und technischen Anordnung ein bestimmter Typus zu Grunde, wichtige Zeugnisse gewähren die Ortsnamen und mythischen Sagen, gleichwohl würde das gesammelte nur geringen Aufschluss gewähren, ließe sich nicht nachweisen, dass sich die gewonnenen Fäden in tiefes Altertum hinabziehen, für die Forschung in dieser Richtung sind jetzt Quellen geöffnet, die man früher nicht ahnte, wer hätte es vor den Brüdern Grimm, Mone u. a., welche das lang verkannte deutsche Altertum in sein Recht einsetzten wagen dürfen, heimischer Sage und Sitte nur irgend einen Wert beizulegen? Jacob Grimm hat in seinem schätzbaren Werke der Deutschen Mythologie, das in mir stets das Gefühl der Bewunderung und innigen Dankes anregt, eine solche Fülle vaterländischer Denkmäler vorgeführt, und über sie mit so glücklichem Erfolg Licht verbreitet, dass schön hierin eine dringende Anmahnung liegt, die Überreste, welche noch im Munde des Volkes vorhanden sind, sorgfältig und bald zu sammeln, längst liegt das Heidentum danieder, aber es haften noch Spuren in der Sage, ja selbst im Aberglauben. Wir haben es hier mit einer Stammsage zu thun, welche an jenen Schlossbergen haftet, in wenigen Jahren wird die Ausbeute nicht mehr ergiebig seyn; mit einem hochbetagten Greis, mit einem alten Mütterchen sinkt oft die Sage auf immer dahin.

Drei Schwestern sind es, jene itisi, nornir, fatae, parcae, — Priesterinen, halbgöttliche Jungfrauen — welche der Aberglaube bisweilen jetzt noch als geisterhafte Wesen auf den berüchtigten Stätten erscheinen lässt, wo der Gottheit unnahbarer Tempel stand, dass eine dieser Priesterinnen der Hellia diente, geht entschieden aus dem Gesammelten hervor, und findet in sprachlichen und plastischen Denkmälern Begründung.

Die Sage ist nicht immer reich entfaltet; meistens konnten nur Bruchstücke gewonnen werden; aber so fest sind ihre Teile mit dem Ganzen verwachsen, dass es nur einiger bedarf, um auf den früheren Umfang zu schließen, etwa wie eine alte sehr gangbare Münze leicht bestimmt werden kann, wenn sich nur einige Züge des Gepräges erhalten haben.

Außer diesen Sagen enthält diese Schrift einiges über: Osterfeuer, Notfeuer, Nothalm, Bilmerschnitt, Wasservogel, Frau Bercht, Pflanzen, Sommer und Winter, und Aberglauben.

Alles, was ich aus dem Munde des Volkes erhielt, habe ich treu wieder gegeben, ohne etwas hinzuzufügen, oder hinwegzulassen, ohne es auszuschmücken, und ohne in das dargestellte selbst irgend eine Deutung zu legen, dagegen ließ ich in einem besonderen Anhang der Entwicklung eigener Ansicht freien Lauf, und das Bestreben, weitere Forschung anzubahnen, besiegte die falsche Scham, Fehlgriffe gemacht zu haben.

München den 28. April 1848. Friederich Panzer.