Baugeschichte von Berlin

Vortrag gehalten im Berliner Hilfs-Verein für das germanische Museum zu Nürnberg am 6. Februar 1861
Autor: Adler, F. (?) Baumeister., Erscheinungsjahr: 1861
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Architektur, Berlin, Berliner Baumeister, Bauwerke, Baugeschichte, Schlüter, Göthe, Schinkel
Jedes Bauwerk, mit Ausnahme der rein idealen Grabes- oder Ehrendenkmäler, ist bestimmt, reale Bedürfnisse des menschlichen Lebens zu befriedigen. Mehr als ein andrer Künstler ist daher der Baumeister gezwungen, auf Sitte und Lebensweise seiner Zeitgenossen einzugehen, und den Ideengehalt des Zeitalters an seinen Schöpfungen auszuprägen. Da aber nur derjenige Bau ins Leben tritt, zu welchem die materiellen Mittel vorhanden sind oder zu dessen Herstellung die mechanischen Fertigkeiten ausreichen, so gibt jede Bauanlage beide Bedingungen wie in einem Spiegel zu erkennen.

Bauwerke sind daher treue unverfälschte Zeugnisse für das geistige wie materielle Leben eines Zeitalters.
Erwägt man nun, dass die hohe Blüte des Handels, die religiöse Begeisterung, und der politische Aufschwung eines Landes oder einer Zeitepoche stets von gesteigerter Bautätigkeit begleitet sind, so ergibt sich als Resultat, das eine historische Betrachtung der Bauwerke, — die Baugeschichte, — eine ergänzende Seite der politischen Geschichte ist, und die eine nicht ohne die andere existieren sollte. Denn Bauwerke sind im eigentlichsten Sinne des Worts monumentale Illustrationen der Weltgeschichte.

Freilich muss man diese Illustrationen nicht wie Bilder eines Bilderbuchs flüchtig betrachten oder in beliebter Oberflächlichkeit geistreich schildern, sondern mit Zugrundelegung aller historischen Nachrichten jedes einzelne Bauwerk mühevoll zergliedern, mit verwandten Monumenten vergleichen und weder die technischen noch künstlerischen Eigentümlichkeiten übersehen, um eine gesicherte Vorstellung von der inneren Gliederung wie äußeren Gestaltung desselben in den verschiedenen Zeitepochen zu gewinnen. Erst nach diesem analytischen Prozess ist man berechtigt, über den Werth oder Unwert, Bedeutung wie Stellung jedes Denkmals zu sprechen, — dann erst ist man im Stande, das verborgene geistige Leben, welches die stummen aber inhaltstiefen Formen bewahren, ans Tageslicht zu fördern.

Wenn man diese wissenschaftliche Behandlung auf die Baukunst der Stadt Berlin anwendet, so ergibt ein übersichtlicher Blick, dass Berlin zu den wenigen Hauptstädten Europas gehört, deren Bauwerke eine ruhmreiche Vergangenheit neben einer kräftig aufstrebenden Gegenwart bezeugen. Wie Vieles auch im Laufe von mehr als sechs Jahrhunderten untergegangen ist und aus Fragmenten oder Nachrichten ergänzt werden muss, die Tatsache bleibt, das Berlin nicht der Baulust eines Herrschers oder der konzentrierten Bautätigkeit eines Zeitalters seine Physiognomie verdankt, — sondern dass es in Jahrhunderten erwachsen ist, — langsam, sicher und kräftig, wie der Staat, dessen Hauptstadt zu sein es sich zur Ehre rechnet. Es gibt in Deutschland mehr als eine Hauptstadt, welche faktisch gemacht ist, — Berlin ist geworden!

Berlins Baugeschichte scheidet sich in zwei Epochen, deren jede nahezu den Zeitraum von drei Jahrhunderten umfasst. Die erste beginnt mit der Gründung der deutschen Städte Berlin und Köln auf slawischem Boden im Anfange des 13. Jahrhunderts und schließt mit dem Auftreten der Reformation in der Mitte des 16. Jahrhunderts; die zweite Epoche, in deren erstes Jahrhundert die nachhaltig aufregenden Wirkungen der Reformation, dann die schweren Zeiten des 30jährigen Krieges fallen, beginnt erst mit der staatsbegründenden Tätigkeit des großen Kurfürsten und reicht bis in unsere Tage.

In der ersten Epoche ist Berlin zwar das Haupt der märkischen Städte, aber nicht die Hauptstadt der Mark, in dem zweiten Zeitabschnitte erscheint Berlin wieder nicht als Hauptstadt der Mark, sondern als Hauptstadt des Staates, als Residenz seiner Fürsten.

So sind die alten Bauwerke Berlins ein Ausdruck des abgeschlossenen Lebens der mittelalterlichen Stadt, unter gleichen Verhältnissen entstanden, einfach und übereinstimmend, dagegen die jüngeren Monumente ein Spiegelbild der Herrscher, reich, vielseitig, individuell, wie diese.

Fassen wir die erste Epoche, die baugeschichtliche Entwickelung im Mittelalter zunächst ins Auge, so zeigt sich dieselbe von der anderer märkischen Städte nicht verschieden. Da alle Städte der Mark auf mühsam erobertem Slawengebiet erbaut und von deutschen Einwanderern besetzt wurden, so war die erste Bautätigkeit auf die Erfüllung der nächstliegenden Bedürfnisse gerichtet. Mit dem Aufbau schlichter Wohnhäuser für die einwandernden Kaufleute, Ackerbürger und Handwerker verband sich die gleichzeitige Errichtung der Pfarrkirche, während die junge Pflanzstätte deutscher Kultur durch Wall und Graben gesichert wurde.

Wahrscheinlich von Süden her, aus der Zauche und dem Teltow erfolgte die erste Ansiedelung unter dem Schutze der siegreichen Waffen der Anhaltinischen Fürsten. Die vorwärts dringenden Deutschen fanden auf der Spree-Insel ein wendisches Dorf Kolne, das jetzige Köln vor, in dessen östlichem Teil (der Fischerstraße) die verachtete und gemiedene slavische Bevölkerung sich zusammendrängte, während von deutschen Händen daselbst die erste Pfarrkirche dem heiligen Petrus, dem Schutzpatrone der Fischer erbaut wurde. Aber die zur Anlage einer größeren Stadt ungleich günstiger belegene sandige Uferstelle, „to dem Berlin“ genannt, bald erkennend, zögerten die Deutschen nicht, überschritten die Spree und erbauten für die deutsche Stadt Berlin an dem Markte eine Pfarrkirche, welche dem Schutzpatrone der Kaufleute und Schiffer, dem heiligen Nikolaus, geweiht wurde.

Beide Städte wurden gleich nach erfolgter Gründung durch provisorische Befestigungen geschützt und die notwendigen Mühlen an dem trennenden Spreearme zwischen beiden, dem jetzigen Mühlendamme angelegt. Die für den Handel günstige Lage, sowie die rasch bis zur Oder und der Uckermark vordringende Eroberung der Markgrafen, welche der deutschen Einwanderung neue Gebiete erschloss, gab beiden Städten, namentlich Berlin, eine überraschend schnelle Entwickelung. So finden wir nicht nur vor Ablauf des 13. Jahrhunderts einen zweiten Markt, „den neuen Markt“ angelegt und eine zweite Pfarrkirche St. Maria erbaut, sondern auch Berlin durch starke Mauern und Tore, Wälle und Gräben vor jedem feindlichen Einfall gesichert. Die Richtung der heutigen Neuen Friedrichsstraße von der Waisenbrücke bis zur neuen Börse bewahrt die Richtung des alten Stadtwalles, den drei Tore, am Schlusse der Königs-, Stralauer- und Spandauer Straße durchbrachen und den weiteren Verkehr mit dem innern Lande vermittelten. Das damals eingehegte Stadtareal hat sich bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, also vier Jahrhunderte hindurch wenig oder gar nicht verändert. Die Inselstadt Köln hatte ihre natürlichen Grenzen zwar durch die beiden damals viel breiteren Flussarme gefunden, wurde aber nichts desto weniger auf der Südseite vom Ende der Fischerstraße beginnend bis zur Schleusenbrücke und von dort nach dem Domufer hinablaufend, ebenfalls mit Toren und Mauern gesichert. Eingerammte Pfähle sperrten an den Uferstellen, wo die Mauern begannen, die Strombreite, und verstatteten nur ein schmales leicht zu schließendes Fahrwasser.

Fragen wir nun nach der Baukunst, welche die ersten Bürger in beiden Städten ausübten, so liegt es nahe, dieselbe nicht nur sehr schlicht und einfach, sondern auch aus den Lokalen übertragen zu denken, welchen die eingewanderten Deutschen entstammten. Sachsen war die Heimath der Landesfürsten, in Ballenstädt stand ihr Ahnenhaus, und Magdeburg war als erzbischöfliche Hauptstadt der Zentralpunkt aller kirchlichen Wirksamkeit. Folgerichtig musste die in Sachsen geübte, auf die Bearbeitung von Bruch- und Werksteinen hingewiesene Bautechnik auch in die Mark, auch nach Berlin und Köln übertragen werden, so gut wie ein Gleiches mit der Sprache, mit den Sitten, mit dem Kultus, mit dem Rechte geschah. Auf märkischem Boden bot sich zunächst kein anderes Material dar, als der schwer zu bearbeitende, aber unzerstörbare Granit, welcher in riesigen Geschieben über die märkischen Waldebenen zerstreut lag und in verschollenen urgermanischen Zeiten bereits zur Errichtung von Grabstätten gedient hatte. In diesem Materiale wurden die ersten beiden Pfarrkirchen, sowie die Ringmauern Berlins und Kölns erbaut. Dies lehren Nachrichten von der alten seit einhundert dreißig Jahren verschwundenen St. Peterskirche, dies beweisen die noch vorhandenen ältesten Reste der St. Nikolaikirche. Vermutlich waren beide Kirchen dreischiffig mit höherem Mittelschiff, einem breiten oblongen Turm an der Westseite, einem schmalen Chor nebst halbrunder Altarnische im Osten, das Innere mit einfachen Holzdecken bedeckt und durch kleine Fenster in den starken Mauern erleuchtet. Die noch vorhandenen fast gleichzeitig errichteten Dorfkirchen zu Marienfelde, Tempelhof und Herzfelde geben von dieser ersten schlichten Anlage eine deutliche Vorstellung, wenn man sich dieselben größer und dreischiffig gestaltet denkt. Das Gründungsjahr der beiden Pfarrkirchen zu Berlin und Köln ist urkundlich nicht gesichert; da aber 1237 ein Pfarrer Symeon zu Köln genannt wird, welcher 1244 als Propst zu Berlin erscheint, so darf man die Erbauungszeit in die Jahre zwischen 1230 und 1240 setzen. Mit dieser Annahme stimmen die einfachen Strukturformen, welche an der St. Nikolaikirche sichtbar sind, vollkommen überein. Der Spitzbogen und das abgestufte Gewände des Westportals bezeichnen das allmähliche Auftreten des gotischen Stiles, welcher um 1250 in der Mark östlich von der Elbe erscheint. Der granitene Unterbau der breiten, Ursprünglich für einen Turm bestimmten Westfront von St. Nikolaus ist der älteste Architekturrest, welchen Berlin bewahrt. In gleichem Material und gleicher Technik wurde auch die bei raschem Anwuchse Berlins bald nöthig werdende zweite Pfarrkirche St. Maria, vermutlich zwischen 1260 und 1270 erbaut. Die Tatsache, dass auch dieser zweite größere Bau, der nicht so eilig wie die erste Pfarrkirche geführt werden musste, in demselben schwerfälligen Material des Granits erbaut wurde, ist auffallend und darf nicht übersehen werden. Denn in den Gebieten des Havellandes und der Altmark gab es damals seit mehr als hundert Jahren eine nicht minder solide und für eine Kunst-Entwickelung ungleich fähigere Bauweise, welche sich auf die Anwendung des Backsteinmaterials stützte. Die Einführung dieser neuen Bautechnik und die damit zusammenhängende Anlage von Ziegeleien verdankte die Mark Brandenburg dem segensreichen Walten Albrechts des Bären, welcher zwischen 1150 — 1160 viele niederländische Kolonien in der Altmark und dem Havellande angesiedelt hatte. Auch waren die Vorzüge dieser neuen niederländischen Bautechnik allmählich so einleuchtend geworden, dass alle Klöster und die meisten Städte jener Gebiete vom Jahre 1200 ab ihre Bauwerke ausschliesslich in Backsteinen errichteten.

Dass die Städte Berlin und Köln noch vierzig bis fünfzig Jahre später diese solide und praktische Bauweise noch nicht angenommen hatten, beweißt überzeugend, dass ihre Ansiedler weder aus der Altmark, noch dem Havellande, sondern als frischer Zuzug aus dem Teltow und der Zauche, vielleicht sogar aus Obersachsen kamen. Ebenso unzweifelhaft beweist der Granitbau von der Nikolaikirche, dass Berlin wie Köln zu jener Zeit noch jeder baukünstlerischen Entwickelung völlig fern standen.

Eine solche trat erst ein, da die wunderbar schnelle Ausbreitung der Bettelmönchsorden, aus Italien durch das innere Deutschland vorwärts dringend, auch die Städte Berlin und Köln berührte und diese Brüderschaften zum

Bau ihrer Kirchen schritten. In Berlin geschah dies im Jahre 1271 durch den Franziskanerorden, der als kleiner Konvent schon seit 1250 ansässig war, aber erst in jenem Jahre, von dem Landesherrn mit einem Bauplatze beschenkt, seine Klosterkirche in der Klosterstrasse zu erbauen begann. Dieser altgotische, mit großer Sparsamkeit, aber lebhaftem Kunstgefühle ganz in Backsteinen durchgeführte Bau muss als der und gediegenste Bau des Mittelalters in Berlin betrachtet werden. Ohne Zweifel hat das daran entwickelte System von leichten, aber feuersicheren Decken, deren Struktur nur der Backsteinbau ermöglichte, in Berlin wohlverdienten Beifall gefunden, denn fortan sehen wir nicht nur die Gewölbe, sondern Pfeiler und Wände an den öffentlichen Gebäuden, selbst an Toren und Ringmauern in Backsteinen ausgeführt. Mit der Adoptierung des Backsteinbaues begann für Berlin wie Köln erst eine höhere künstlerische Entwicklung in der Baukunst. Aber die Fortschritte waren langsam, und die besten städtischen Leistungen, wie der vor Ablauf des 13ten Jahrhunderts noch ausgeführte Bau eines stattlichen Rathauses an der Ecke der Königs- und Spandauerstraße, sind niemals über den trefflichen Bau der Franziskaner hinausgegangen, zumal diese Klosterkirche durch einen im Jahre 1345 hinzugefügten polygonen Chor einen architektonischen Schmuck empfangen hatte, der sie den edelsten Bauwerken der Mark ebenbürtig macht. Dass aber die Klosterkirchen in allen Städten der Mark ebenso rationell wie gediegen erbaut wurden, findet seine Erklärung in der Tatsache, dass in der ersten Zeit der begeisterten Ordensverbreitung eine Fülle von Kirchen notwendig wurde, dass also die Brüder in steter Baupraxis blieben, und dass ihre weitreichenden Verbindungen es möglich machten, die besten Zeichnungen und Werkmeister zu erhalten.

Wenn man nun daran denkt, dass auch die Dominikaner in Köln auf dem Schlossplatze eine stattliche Klosterkirche mit drei gleich hohen Schiffen ebenfalls in gewölbtem Backsteinbau um 1280 erbaut hatten, so kann es nicht befremden, dass die städtischen Werkmeister zu Berlin und Köln diese trefflichen Vorbilder gern studierten, aber auch häufig wiederholten.

Wir finden daher die zierliche Kapelle des heiligen Geist-Hospitals in der heiligen Geistgasse um 1300 in Backsteinen erbaut und in ihren Fenstern und Blenden wie die Klosterkirchen ausgestattet. Ja, als beide Berliner Pfarrkirchen St. Nikolaus und St. Maria der gestiegenen Einwohnerzahl halber 1330 und 1340 erweitert und umgebaut werden mussten, wurde zwar das alte Granitmaterial aus Sparsamkeit von Neuem verwendet, aber das Prinzip der Hallenkirchen angenommen und das System der Pfeiler und Fenster denen der Klosterkirche nachgebildet. Wir würden dies noch besser beurteilen können, wenn nicht das Jahr 1380 einen verderblichen Brand gebracht hätte, der bei der Enge der Straßen, dem Fachwerksbau der mit Schindeln oder Rohr gedeckten Häuser und bei dem Mangel eines geordneten Feuerlöschwesens einen ungeheuren Umfang gewann und das alte Berlin in Asche legte. Nur die Klosterkirche wurde gerettet, auch Köln blieb verschont, aber die kaum vollendeten Pfarrkirchen St. Maria und St. Nikolaus mussten in Dächern, Gewölben und Obermauern erneuert werden. In Folge dieses Brandes wurde die Nikolaikirche, welche schon seit 1375 einen neuen Chor empfangen hatte, eilig und mittelmäßig vollendet. Besser erging es der Marienkirche, welche nach 1380 neu überwölbt und 1405 beendigt wurde. Doch dauerte es noch lange Jahre, ehe man an die Erbauung des schon 1418 beabsichtigten Glockenturmes denken konnte; erst im Jahre 1434 wurde das noch vorhandene eherne Taufbecken angeschafft.

Inzwischen war die Stadt Köln nicht müßig gewesen, ihrer Pfarrkirche St. Peter durch einen umfassenden Neubau von 1378 ab, ein den gesteigerten Anforderungen entsprechendes Äußere zu geben und dieser in Abbildungen bekannte Bau war zwar reicher ausgestattet, aber im Wesentlichen wieder nur eine Kopie der schönen St. Stephanskirche zu Tangermünde.

Wenn man zu diesen Bauwerken noch die vor den Toren belegenen Hospitäler und Kapellen St. Gertrud und St. Georg, sowie die Rathäuser und Tore beider Städte hinzufügt, so hat man den summarischen Inhalt der gesamten städtischen Bautätigkeit bis zum Jahre 1442, wo die freie Selbstverwaltung der Stadt aufhörte. Über das Rathaus zu Köln und die Tore in beiden Städten kann man fehlender Abbildungen halber nicht urteilen, aber die Kapellen St. Gertrud von 1405 — 1411 und St. Georg schon 1331 erbaut (auf deren Stelle jetzt die Spittelkirche und Georgenkirche stehen), waren sehr bescheidene Bauwerke in hergebrachter, einfacher und billiger Form.

Vergleicht man nun unbefangen die genannten Bauwerke, welche die Städte Berlin und Köln im Laufe von zwei Jahrhunderten bei fast unabhängiger Selbstständigkeit aus ihren Mitteln errichtet hatten, mit den entsprechenden Bauwerken anderer Städte der Mark, wie Brandenburg, Stendal, Prenzlow oder Frankfurt, so tritt die Berlin-Kölner Baukunst an Zahl, Umfang und künstlerischer Bedeutung sehr zurück. Diese Tatsache fällt um so schwerer ins Gewicht, wenn man erwägt, dass Berlin nach dem Aussterben der Anhaltinischen Fürsten während der schwachen Regierung der Baiern und Luxemburger das Haupt des märkischen Städtebundes geworden war, dass es als permanenter Versammlungsort der Landstände wie ein Zentralpunkt der Landesverwaltung erscheint, dass es durch seine gute Lage und große Handelsvorrechte begünstigt, eine zahlreiche und wohlhabende Bürgerschaft umschloss, und dass es den regierenden Geschlechtern weder an Tatkraft noch Selbstvertrauen fehlte.

Wenn aber alle diese günstigen Vorbedingungen doch zu keinem größeren Resultat geführt haben, als das ist, was vorliegt und was trotz aller Lücken noch sehr wohl erkennbar ist, so bleibt nur die Annahme übrig, dass im Mittelalter eben so sehr den Bürgern Berlins der begeisterte Kunstsinn gefehlt hat, welcher zum Schmucke und zur Verherrlichung der Vaterstadt sein Bestes hergibt, als es andererseits der Einsicht der städtischen Behörden nie gelungen ist, für ihre Bauausführungen die rechten Kräfte zu finden.

Der Beginn des 16ten Jahrhunderts brachte auf politischem Gebiete für Berlin die durchgreifendsten Veränderungen. Schon lange war trotz des Städtebundes der Landfriede nicht mehr gesichert, die Landesregierung war schwach, der Adel mächtig. Fehden erfüllten das Land, machten die Strassen unsicher, hemmten den Verkehr — kurz, ein Zustand völliger Rechtlosigkeit drohte das Land zu zerrütten. Mitten in der Verwirrung verlieh Kaiser Sigismund dem Burggrafen Friedrich von Hohenzollern die Mark erst zur Verwaltung, dann zum erblichen Besitz. Mit eben so viel Tatkraft wie Mäßigung gelang es diesem seltenen Fürsten, in jahrelangem, mühsamen Kampfe den Trotz des verwilderten Adels zu brechen, den Landfrieden zu sichern und die Mark vor gänzlicher Zersplitterung zu retten. Um aber diesen Erfolg für alle Zukunft zu sichern, bedurfte es eines innigen Zusammenschlusses aller Kräfte des Landes zum Wohl des Ganzen. Dieser Absicht widersetzten sich im Gefühle ihrer Selbstständigkeit die Städte, Berlin an der Spitze. Schon 1412 wagten es die alten Geschlechter, dem Kurfürsten entgegen zu treten und ihm das Öffnungsrecht der Tore zu verweigern. Aber ihr Widerstand konnte sich nicht lange behaupten, innere Zwietracht führte die Lösung herbei. — Von der Bürgerschaft, welche mit dem Gesamtrate über die innere Verwaltung haderte, 1442 gerufen, erschien Kurfürst Friedrich II., beseitigte den alten Rath, setzte ein neues Regiment ein und nahm bei fortdauerndem Aufruhr der Parteien beiden Städten ihre wichtigsten Vorrechte.

Der Bau einer festen Burg zu Köln, der 1443 begonnen und 1451 beendigt wurde, besiegelte die Unterwerfung. Nichts charakterisiert deutlicher den veränderten Zustand, als die Vergleichung der festen, von Mauern und Türmen geschirmten Hohenzollernburg an den Ufern der Spree mit dem unbefestigten, patriarchalisch ausgestatteten Hofe der Markgrafen in der Klosterstraße.

Aber dasselbe Fürstengeschlecht, welches Berlin so tief demütigte, dass es an Ansehen und Vorrechten einer Landstadt glich, war vom Geschick berufen, es zur Hohe einer europäischen Hauptstadt zu erheben. Ein seltenes Beispiel in der Geschichte!

Schon derselbe Fürst, dessen Willenskraft ihm den Beinamen „mit den eisernen Zähnen“ gab, eröffnete nach fast vierzigjährigem Stillstande eine neue Bautätigkeit zu Berlin. Frommen Sinnes erbaute er auf seinem Schlosse die noch erhaltene St. Erasmus-Kapelle 1451 und erhob dieselbe 1469 zu einem Kollegiatstift. Und wie er selbst schon 1443 auf dem Harlunger Berge bei Brandenburg zum Lobe der Himmelskönigin Maria die Kapelle des Schwanenritterordens erbaut hatte, so beförderte er den Bau der Liebfrauenkapelle, welche 1452 sein Küchenmeister Ulrich Zeuschel neben der St. Nikolauskirche gründete. Diese schöne nach der Poststraße hinaus belegene Doppelkapelle giebt mit ihren zierlichen Giebeln ein lebhaft gesteigertes Kunstgefühl zu erkennen und ist deshalb für Berlin ein nicht unwichtiges kunsthistorisches Denkmal. Auch blieb dieser erste Anstoß nicht ohne Nachwirkung. Schon acht Jahre darauf entschlossen sich die Vorsteher der St. Nicolaikirche zu einem Abbruch und Neubau ihrer baufällig gewordenen alten Pfarrkirche. Wenn auch eine genaue Untersuchung lehrt, dass kein wirklicher Neubau erfolgte, so umfasste der siebenundzwanzig Jahre dauernde Umbau eine beträchtliche Herstellung. Alle Gewölbe, eine große Anzahl von Fenstern, die auf der Nordseite belegene heilige Kreuzkapelle und Stücke der Obermauern wurden erneuert und die Kirche empfing durch den Umbau ihre jetzige Gestalt. Auch dieser Bau lehrt, dass man in Berlin dem althergebrachten Prinzip einer großen Schmucklosigkeit treu blieb, und noch mehr ist dies an dem schweren viereckigen Glockenturme erkennbar, welcher am Schlusse des löten Jahrhunderts der Marienkirche angebaut und zur Erinnerung an verheerende Pestjahre mit den Wandmalereien eines in unseren Tagen wieder aufgedeckten Totentanzes geschmückt wurde.

Besser gestaltet erscheinen das schöne Sterngewölbe der heiligen Geistkirche von 1476, welchem der wenig ältere Kapitelsaal von 1474 sowie der größere Konventsaal von 1516 im grauen Kloster sich anschliessen.

Aber die eintretenden Vorboten einer neuen religiösen Entwicklung des deutschen Geistes berührten schon die Mark und unterbrachen diese Keime einer reiferen künstlerischen Bautätigkeit.

Neben der gesteigerten und übertriebenen Heiligen-Verehrung der höheren Stände entwickelte sich Gleichgültigkeit gegen die vielen Festtage unter Bürgern und Volk, während der wissenschaftliche, durch die Universitäten heranreifende Geist die päpstliche Autorität seiner Kritik unterwarf. Mitten in der Steigerung dieser Gegensätze führte Kurfürst Joachim II. die von seinem Vater beabsichtigte Herstellung eines Domstiftes aus, indem er die auf dem Schlossplatze belegene Dominikanerkirche prachtvoll zur Kreuzkirche mit hohen Giebeln und Türmen 1536 umbaute und dieselbe zur Gruftkirche der Hohenzollern bestimmte. Aus diesem Grunde wurde der ganze Bau mit kostbarem Kirchengerät ausgestattet und als höchster Schmuck im hohen Chore das prachtvolle erzene Doppeldenkmal aufgestellt, welches von Peter Vischers Sohn, Johannes, 1530 zu Nürnberg gegossen, jetzt eine besondere Zierde unserer Domkirche ist. Dies war der letzte Bau des katholischen Mittelalters zu Berlin. Schon vier Jahre darauf wurde in dieser neuen Domkirche zum heiligen Kreuz das Abendmahl unter beiderlei Gestalt gereicht und damit diese wie alle übrigen Kirchen und Kapellen dem protestantischen Kultus übergeben.

Ein langer Stillstand erfolgte hierauf in der kirchlichen Baukunst zu Berlin. Einesteils lag eine direkte Veranlassung für kirchliche Neubauten nicht vor, da die vorhandenen Kirchen für die Einwohnerzahl völlig genügten, andererseits ergriff und bewegte die Reformation die Gemüter so mächtig und andauernd, dass eine geistige Sammlung, aus welcher allein künstlerische Bestrebungen hervorgehen können, auf lange Zeit verhindert wurde.

Mehr Veranlassung boten die Bedürfnisse des fürstlichen wie bürgerlichen Lebens. So finden wir den kunst- und prachtliebenden Joachim II. schon seit 1538 beschäftigt, die alte wehrhafte Hohenzollernburg in ein fürstliches Schloss umzubauen und stattlich zu erweitern. Dieser Bau war für die ganze Baukunst von Berlin insofern von wesentlicher Bedeutung, als mit demselben die gotischen Stilformen des Mittelalters verlassen und neue aus Italien stammende Kunstformen der Renaissance eingeführt wurden. Noch folgenschwere» war der Umstand, dass man die neuen Kunstformen großenteils in Sandstein herstellte und den Backstein nur zum Kernmauerwerk verwendete. Damit wurde diesem vaterländischen Materiale eine fernere künstlerische Pflege entzogen und sehr zum Schaden der Berliner Baukunst der billige aber unsolide Putzbau eingeführt.

Eine Anschauung des Joachim'schen Schlossbaues gibt der nach der langen Brücke belegene Teil der Wasserseite des Schlosses, und noch besser erhalten, aber viel kleiner, das von demselben Baumeister Kaspar Theiss erbaute Jagdschloss Grunewald.

Wie schwer man sich aber von den Traditionen des Mittelalters trennte, beweisen nicht nur beide burgartig hoch emporragende, mit Türmen und Giebeln reich versehene Schlösser, noch mehr wird dies erkennbar an der sorgfältig bis nach dem dreißigjährigen Kriege erhaltenen Stechbahn auf dem Schlossplatze (zwischen der Spree und dem großen Kandelaber belegen), auf welchem die ritterlichen Spiele noch immer mit fast unerhörter Pracht gefeiert wurden. Auch der alte bis zur jetzigen Schlossbrücke heranreichende Tiergarten hatte noch keine andere Bestimmung erhalten, als der leidenschaftlichen Jagdlust des kurfürstlichen Hofes zu dienen. Und wie der Hof an Ringelrennen, Tierhetzen, Feuerwerken sich erfreute, so gefiel sich der Bürger in Hochzeitsgelagen, Kleiderluxus und äußerem Prunk. Überall ist ein langsamer aber unaufhaltsamer Rückschritt in der geistigen Bildung Berlins unverkennbar, den auch die Baugeschichte bestätigt. Schon ein Menschenalter vor dem Ausbruche des dreißigjährigen Krieges ist weder von Bauausführungen noch von Baukünstlern in Berlin die Rede, — nur von notdürftigen Reparaturen wird ausführlich berichtet.

So kam der große deutsche Krieg und brachte über Deutschland dreißig Jahre der bittersten Not, des tiefsten Elends. Die Baugeschichte gedenkt seiner mit Trauer über die grauenvollen Zerstörungen der herrlichsten Denkmale. Wenn auch die Stadt Berlin keine Plünderung oder Zerstörung erfuhr, so sank sie doch durch Brandschatzungen, Hungersnot und Pest erschöpft zum Range einer Landstadt herab. Die noch nicht lange vor Köln entstandenen Vorstädte wurden niedergebrannt, ohne dass die beabsichtigte Befestigung zur Sicherung der Stadt sich daran angeschlossen hätte. Während der kurfürstliche Hof zu Königsberg in Preußen residierte, verödeten in Berlin hunderte von Bürgerhäusern und die Zahl der Einwohner sank bis auf die Hälfte. Noch zwölf Jahre nach dem beendigten Kriege erfahren wir, dass ungefähr 6.000 Einwohner die ausgedehnten aber verfallenen Mauern bewohnten. Die Häuser selbst waren nicht mehr im Stande gehalten, die Strassen teilweise ungepflastert und ohne Erleuchtung, die Brunnen bestanden noch aus Ziehbrunnen mit Schwengeln, der beste Brunnen auf dem Schlossplatze hob mittelst einer Kettenwinde das Wasser. Überdies waren die Brücken baufällig und für Fuhrwerk kaum passierbar, die öffentlichen Plätze lagen voller Kehricht, auf dem neuen Markte war ein so hoher Kehrichthügel allmählich entstanden, dass man denselben besteigen und auf die Straßen und Häuser blicken konnte, das wenige Vieh, das man besaß, lief in den Strassen umher und hatte seine Stallungen unter den Fenstern der Bürgerhäuser, — kurz das Bild des tiefsten Verfalles wird in diesen wenigen aktenmäßigen Zügen erkennbar.

Aber so viel Not und Elend der dreißigjährige Krieg auch mit sich brachte, er hatte auch sein Gutes. In der eisernen Zeit erwuchsen eiserne Männer. Ein solcher Mann war Kurfürst Friedrich Wilhelm, dessen Tatkraft den brandenburgischen Staat auf eine neue Höhe hob. Schon als er in Gemeinschaft mit seiner Gemahlin im Jahre 1647 die Lindenallee pflanzte und die Anlage von neuen Vorstädten projektierte, hatte er erkannt, dass wenn Berlin die Hauptstadt eines kräftigen Militärstaates werden sollte, sie durch starke Befestigungen gesichert werden müsse. Denn noch besaß Schweden Teile von Pommern nebst dem wichtigen Stettin und das zwar schon von Parteien zerrüttete Polen war noch stark genug, um einen Angriff gegen den westlichen Nachbar wagen zu können. Im Jahre 1657 begann der Bau der Festung nach niederländischem System unter der Leitung von Memmhard am Stralow'schen Tore und wurde 1662 auf der Berliner Seite vollendet. Die alten Mauern und Tore blieben erhalten, indem die neuen Bastionen, Wälle und Gräben hinausgerückt wurden. Der Königsgraben von der Stralower- bis zur Herkules-Brücke und die ihm parallelen Straßen bezeichnen die Richtung des Festungsgrabens und beweisen, dass auf dieser Seite die alte Stadt Berlin wenig oder gar nicht erweitert wurde. Auf der Kölnischen Seite begann der Festungsbau im Jahre 1662 und wurde vieler Schwierigkeiten und der weiteren Ausdehnung halber, da neue Vorstädte Neu-Köln und Friedrichswerder mit hineingezogen werden mussten, erst gegen 1670 fertig. Drohende Kriegsgefahr von Schweden wie von Frankreich her trieb mehrfach zur Beschleunigung und der Kurfürst über wachte den Bau, selbst während seiner Feldzüge, mit dem unermüdlichsten Interesse, wovon die erhaltene Korrespondenz aus dem Elsass wie aus Preußen ablegt. Noch vor gänzlicher Vollendung des Baues war die Festung stark genug, um entscheidend auf die Geschicke des Vaterlandes einzuwirken, denn das weitere Vordringen der 1675 ins Land gefallenen Schweden wurde durch die Festungen Berlin und Spandau aufgehalten. Noch wichtiger und einflussreicher aber war die Thatsache, dass die Festung bestimmt wurde, die Residenz der Fürsten, den Zentralpunkt des Landes, in dem die Fäden einer ausgedehnten Verwaltung zusammenliefen, für alle Zeiten zu schlitzen, dass also mit dem Festungsbau Berlin die Garantie empfing, Landeshauptstadt zu bleiben. Ein Vorzug, der alle Nachtheile und Unbequemlichkeiten des Festungsbaues überwog, aber von der noch immer sehr verkommenen Bürgerschaft wenig erkannt wurde. Die Physiognomie des alten Berlins veränderte sich durch den Festungsbau vollständig. Die Wassermasse der Oberspree wurde durch die neuen Gräben so sehr verringert, dass der Wasserstand fiel, das Flussbett sich einschränkte, sumpfige Uferstellen trocken gelegt und neue Straßen gezogen werden konnten. Das Areal der Stadt wuchs um ein Viertel.

Das Anbrechen einer neuen Zeit und einer neuen Bautätigkeit bekundet Nichts deutlicher, als dass trotz aller Schonung die alten Tore, Mauern und Türme dem gesteigerten Bedürfnis allmählich weichen mussten. Jetzt steht nur noch der vierte Teil der Berliner Ringmauer in Häusern der Neuen Friedrichsstraße verbaut, die Tore und Türme sind vollständig verschwunden.

Während noch der große Kurfürst durch den wohlwollenden Empfang der durch Aufhebung des Edikts von Nantes vertriebenen französischen Protestanten die Einwohnerzahl Berlins beträchtlich hob und für den Anbau von Neu-Köln und Friedrichswerder unermüdlich sorgte, war seine nicht minder tätige Gemahlin Dorothea darauf bedacht, auf ihren eigenen Besitzungen am Tiergarten Straßen anzulegen und Bauplätze abzuzweigen. So entstand die Dorotheenstadt und beide Straßenseiten der sechsreihigen Lindenallee, die heute der eigenste Schmuck von Berlin ist.

Als der große Kurfürst nach tatenreicher Regierung starb, hinterließ er seinem Sohne Friedrich III. einen neubegründeten kräftigen Militärstaat und als Hauptstadt desselben die sicher geschützte, bereits zu neuem Leben erwachte Festung Berlin.

Einen besseren Pfleger und Freund konnte die verjüngte Stadt nicht finden als Friedrich III. Wenn der Vater der Stadt das Gute gegeben hatte, so gab ihr der Sohn das Schöne. Durch seine Bildung und seinen Kunstsinn erwachte plötzlich in Berlin eine Bautätigkeit, welche nicht nur die notwendigsten Bedürfnisse zu befriedigen suchte, sondern sich gleich von vornherein an den mächtigsten Aufgaben der monumentalen Kunst versuchte. Was Friedrich III. in zwanzig Jahren erbaut hat, würde uns unglaublich erscheinen, wenn wir nicht wüssten, dass er die besten Kräfte für seine Aufgaben heranzog. Begabte Künstler wollen gesucht sein, — sie wachsen nicht immer und überall, aber dass er sie fand und für seine großen Ideen verwendete, ist sein Verdienst und es bleibt Ehrensache für Berlin, des letzten Kurfürsten als eines Mannes zu gedenken, dessen Kunstsinn und Tatkraft auf künstlerischem Gebiete in zwanzig Jahren mehr geleistet hat, als vier Jahrhunderte vor ihm. Gleich der erste bedeutende Bau, den er 1692 begann, bekundet die Großartigkeit von Friedrichs Ideen. Die lange Brücke, welche Berlin und Köln verband, war vor nicht langer Zeit im Jahre 1661 als einfacher Holzbau erneuert worden. Friedrich beschloss, dieselbe nicht nur solider in Sandsteinen zu erbauen, sondern gleichzeitig ein monumentales Kunstwerk daraus zu machen, welches den Nachruhm seines großen Vaters verherrlichen sollte. In diesem Sinne wölbte Neilring die fünf mächtigen Joche in Sandsteinquadern, indem er das mittelste weit hinausrückte, und mitten darauf stellte Schlüter 1706 das Heroenbild des großen Kurfürsten. Es war der bestgewählte Platz für das Denkmal des Mannes, welcher begeistert für alles, was den Niederlanden entstammte, in seine Staaten den Festungs-, den Brücken-, den Schleusen- und Kanalbau der Niederländer übertragen hatte, der selbst im Handel und Schifffahrt mit diesen berühmten Seefahrern zu konkurrieren suchte. Kein Hohenzoller hat so viel Neigung für Mechanik und Wasserbau gehabt wie er, darum ziemte ihm auch der ideale Ehrenplatz auf stolzer Brücke, an dem Handel und Wandel noch heut vorbeifluten. Und das Denkmal selbst! — Wo ist in der modernen Kunst, in ganz Europa ein zweites, welches die geistige Größe mit physischer Kraft so wunderbar verschmolzen zeigt, aus dem die Majestät des Fürsten so ergreifend hervorleuchtet? Mit dem Bau der Kurfürstenbrücke, dieser gemeinsamen Schöpfung von Baukunst und Skulptur, trat der brandenburgische Staat in die Reihe kunstpflegender Staaten ein. Dieses Denkmal ist daher der Anfang einer kunsthistorischen Epoche für Preußen. Der erst seit 1692 in brandenburgische Dienste getretene Bildhauer Schlüter ist sich der seltenen Größe und der tiefen Bedeutung der schweren Aufgabe in vollem Maße bewusst gewesen, denn er hat sie mit dem Ernste und der Hingebung gelöst, welche nur großen und gereiften künstlerischen Naturen eigen ist. Und schon während dieser Arbeit traten andere, nicht minder große Aufgaben an ihn heran. Die Festung Berlin bedurfte eines Arsenals, das hatte schon der große Kurfürst entschieden. Der Ideenreichtum des Sohnes erweiterte aber diese Aufgabe dahin, dass das neue Gebäude nicht dem nackten Bedürfnisse dienen, sondern ein monumentaler Kunstbau werden sollte, würdig des Ruhmes der brandenburgischen Waffen, die er. selbst zur Verteidigung der deutschen Reichsfreiheit 1689 am Rhein so glorreich geführt hatte. Zwei Baukünstler de Bodt und Nehring teilen sich in den Ruhm der einfach großartigen Bauanlage, aber wieder war es Schlüters Genius beschieden, durch die Fülle tiefsinnigen Bildschmuckes außen und innen dem Gebäude den höchsten Stempel der Kunst aufzuprägen. Die Bauausführungen des Zeughauses von 1695 — 1698 sowie des schönen Schlosses zu Charlottenburg von 1695 — 1696 hatten Schlüters architektonisches Talent deutlich zu erkennen gegeben. Daher zögerte der fürstliche Bauherr nicht, gerade diesem Meister die größte baukünstlerische Aufgabe, welche er überhaupt zu bieten hatte, anzuvertrauen. Denn in Friedrichs Seele war inzwischen der Gedanke gereift, in Berlin sich und seinem Herrscherhause ein neues Residenzschloss zu erbauen. Und wie seine diplomatischen Bestrebungen schon damals darauf gerichtet waren, seine Souverainität mit der Königskrone zu weihen, so sollte auch dieses Schloss der glänzenden Entfaltung seines Königshofes dienen. Dabei war freilich die für jeden mittelmäßigen Baukünstler harte Bedingung hinzugefügt, dass von dem alten, aus den verschiedensten Zeiten stammenden Burg- und Schlossbaue so viel erhalten werden sollte als möglich. Dadurch war aber nicht nur Ausdehnung und Umfang, sondern auch Lage der Treppen und Auffahrten an den meisten Punkten fest bestimmt, ja durch das lange Flügelgebäude des Schlossplatzes aus Joachim II. Zeit, selbst die Fensteraxenteilung gegeben. Was nun Schlüter in einer siebenjährigen Bauzeit bei sehr knappen Geldmitteln und bei einer Fülle von Verwaltungsgeschäften und eigenen Kunstarbeiten geleistet hat, mit welchem Talent er Altes und Neues harmonisch verbunden, mit welchem Ideenreichtum er das Innere und Äußere ausgestattet hat, kann nur derjenige beurtheilen, welcher eine spezielle Kenntnis des alten Schlossbaues besitzt und den älteren Bau mit Schlüters Schöpfung vergleicht. Was aber Jedem, Einheimischem wie Fremdem, Kunstkenner wie Laien, bei der Betrachtung des Schlosses sofort und unleugbar entgegentritt, ist der Ausdruck grandioser imponierender Einheit. Wer erkennt nicht, dass die hochfliegenden Plane des neuen Königs, aus Preußen einen einheitlichen geschlossenen Staat zu machen, durch Schlüters Geist im Schlossbau verkörpert worden sind? Man blicke auf die Hofburg von Wien, jenes Konglomerat von Flügeln, Pavillons und Höfen, und vergleiche damit das in sich geschlossene, auf tief durchdachtem Plane ruhende Königsschloss zu Berlin, so erkennt man, dass die Baukunst den Gegensatz beider Staaten, beider Höfe, nicht schlagender charakterisieren konnte. Das Schloss zu Berlin ist der Gipfelpunkt der profanen Baukunst des 18. Jahrhunderts in Deutschland. Zwar giebt es eine Fülle von trefflichen ausgedehnten prachtvollen Fürstenschlössern aus jener Zeitepoche, aber keins derselben ist an Ernst, Würde und Hoheit dem Berliner Schlosse zu vergleichen. Doch derselbe Schlossbau, der Schlüter auf die Höhe des Ruhmes trug, wurde auch Veranlassung seines Sturzes und seines viel zu frühen Todes.

Ein an der Lustgarten-Ecke des Schlosses befindlicher Turm der Wasserkunst sollte erst verstärkt, dann auf speziellen Wunsch des Königs zu der schwindelnden Höhe von fast vierhundert Fuß empor geführt werden, um ein in Holland angekauftes großes Glockenspiel darin aufzuhängen. Obgleich Schlüter aus technischen Gründen gegen den Bau protestierte, verharrte des Königs Eigenwille, wahrscheinlich von Neidern des Schlüter'schen Ruhmes bestärkt, auf der Ausführung des phantastischen Projekts. Der Bau misslang trotz aller technischen Mittel, die enormen Baukosten gingen verloren und Schlüters Stellung als Ober-Baudirektor war nicht mehr haltbar. Er trat zurück, um noch einige Jahre in Berlin als Hofbildhauer von seiner Hände Arbeit zu leben. Doch die Schwungkraft seines Geistes war gelähmt, das Feld einer unsterblichen Tätigkeit unwiederbringlich verloren, ein früher Tod zu Petersburg 1714 erlöste ihn von den bitteren Erfahrungen seiner Wirksamkeit zu Berlin. Wenige Künstler gibt es, deren Leben so wechselnde Kontraste bietet, deren ruhmgekrönte Tätigkeit so tragisch abschließt. Unter seinen Zeitgenossen blieb Schlüter eine einsame unverstandene Erscheinung, an seinem genialen Gedankenfluge übten damalige Gymnasial-Professoren ihre beschränkte Kritik, und es ist eine bezeichnende Thatsache, dass kein Bildwerk, kein Gemälde, kein Kupferstich die äußere Erscheinung dieses Kunstheroen uns überliefert hat. Man hat ihn vergessen wollen, — aber die Steine reden, wenn Menschenzungen schweigen, seine Kunstwerke haben Berlin zur Königsstadt gemacht, Berlins Ruhm ist sein Ruhm für alle Zeiten! Und wer Schlüters seltenes Talent, seine Bildung, sein Wissen tiefer erkennen will, der muss die nur in Fragmenten erhaltenen Entwürfe zu einem prachtvollen Dome, zur Verbindung des Schlossplatzes mit der Jägerstrasse, die Projekte für Thore, Brücken, Kirchen und Schlösser genauer betrachten und darf weder die in Berlin noch vorhandenen Privatgebäude, noch die herrlichen Grab- und Ehren-Denkmäler in hiesigen Kirchen übersehen.

Sein Nachfolger am Schlossbau war Eosander von Göthe, den die Geschichte wohl nicht mit Unrecht als die versteckte Triebfeder von Schlüters Sturz bezeichnet. Von Eosander rührt die Schlossfassade an der Schlossfreiheit her, welche den Haupteingang bilden sollte und daher mit dem großen Hauptportal geschmückt wurde. Aber an diesem einen Bautheil erkennt man deutlich das viel geringere Talent des Nachfolgers. Das mächtige Hauptportal ist eine fast sklavische Kopie des Triumphbogens des Septimius Severus zu Rom und kann schon deshalb gegen die von Schlüter selbstständig geschaffenen, nicht minder großartigen Schlossportale an der Schlossplatz- und Lustgartenseite sich ebenbürtig nicht behaupten. Überdies war Eosanders Wirksamkeit zu kurz, um ihn eingehender zu beurtheilen, aber für Berlin und seine Entwickelung hat er wenig geleistet. Viel wichtiger sind die Bauanlagen, welche Berlin dem bedeutenden Vorgänger Schlüters — dem Ober-Baudirektor Nehring — verdankt, denn die eigentümlich großartige Gestaltung der Parochialkirche so wie die zweckmäßige Anlage der Kolonnaden und Kaufläden des Mühlendammes lassen ein vielseitiges Talent erkennen. Andere große Bauwerke Nehrings, wie das prächtige Leipziger Tor und der in der Form eines römischen Amphitheaters mit Sitzplätzen und Säulengängen 1693 erbaute Hetzgarten, in welchem Tierkämpfe veranstaltet wurden, sind leider untergegangen, können aber aus vorhandenen Abbildungen genügend beurtheilt werden. Auch diese Bauanlagen geben Zeugnis von der höchst bedeutenden und energischen Bautätigkeit am Schlusse des 17ten Jahrhunderts. König Friedrich I. starb 1713 und es folgte Friedrich Wilhelm I., auf politischem wie künstlerischem Gebiete der volle Gegensatz des Vaters. Seine verständige, landesväterlich gesinnte, aber praktisch einseitige Natur verfolgte andere Ziele als der kunst- und prachtliebende Vater. Ihm galt jeder nicht kirchliche Kunstbau als Verschwendung; auf die Erfüllung der realen Bedürfnisse des Landes war seine Tätigkeit fortdauernd gerichtet. Urbarmachung wüster Ländereien, Vermehrung der Einwohner, Hebung des Landes, Förderung der Industrie, Erweiterung der Städte, das waren die Ideale, zu deren Verwirklichung eine gute Finanzverwaltung und ein ökonomisch gesammelter Staatsschatz diente. Der einzige Luxus, den Friedrich Wilhelm I. für erlaubt hielt, war ein stehendes wohlgeschultes Heer, dessen Pflege und Ausbildung ihn ununterbrochen beschäftigte. Was Wunder, dass diese so kräftige und so praktische Persönlichkeit die Baukunst von Berlin jahrelang beherrschte und sich in derselben ausprägte. So sehen wir unter seiner Regierung das noch immer als Festung geltende Berlin sich mit weitgedehnten Vorstädten auf der Nord-, West- und Südseite bebauen. Schon unter Friedrich I. waren Häuser und Plätze auf der Friedrichsstadt und Spandauer Vorstadt entstanden, aber erst unter Friedrich Wilhelm I. erfolgte, veranlasst durch die starke Einwanderung französischer Flüchtlinge, eine regelrechte Bebauung. Der König erkannte ihre Bedeutung und sorgte nicht nur für Pflasterung und Ummauerung der neuen Vorstädte vom Schlesischen Tor bis nach dem Brandenburger Tor, sondern durchbrach die Walllinien und überbrückte den Festungsgraben an der Spittel- und Jägerbrücke. Sein Eifer zwang den Adel, die Räte, die Bürger und Zunftgenossen zu ununterbrochener Bautätigkeit. Die Markgrafen- und Wilhelmstraße wurden nur von höheren Staatsbeamten erbaut und hießen daher mit Recht das Geheimratsviertel. Glücklicherweise wurden bei dem energischen Wachstum der Stadt der Dönhofsplatz und der Gensdarmenmarkt als Paradeplätze gerettet. Für Boulevards, die aus den alten Wällen so leicht hätten gewonnen werden können, interessierte sich der ökonomische Sinn des Königs nicht, er wollte vorläufig nur steinerne Häuser und Kasernen. Beides entstand auch im weitesten Sinne des Worts, freilich sehr zum Schaden der Kunst, deren geringe Höhe selbst Luxusbauten, wie die Georgen-, Sophien-, Jerusalems-, Böhmische- und Dreifaltigkeits-Kirche deutlich bezeichnen. Der größte Segen für die Baukunst war es, dass die noch immer teilweise konservierte Festung der Baulust seines Nachfolgers große Räume offen hielt.

König Friedrichs II. Scharfblick erkannte auch unmittelbar nach seiner Thronbesteigung, dass das schönste Terrain für monumentale Bauten, die Gegend zwischen dem Zeughause und der Akademie, noch offen sei und zu seiner Disposition stände. Schon 1740 beauftragte er W. von Knobelsdorff, einen Freund und Genossen des idyllischen Lebens von Rheinsberg, den Entwurf zu einem Königlichen Opernhause zu liefern, welches an dem verlegten und eingeschränkten Festungsgraben errichtet werden sollte. Der 1741 begonnene und trotz des schlesischen Krieges energisch betriebene Bau kam 1743 zu Ende und erntete, namentlich in der Anlage des Innern, den Beifall des Königs. Dieser Bau bereicherte die Stadt um ein großartiges Monument, dessen ernste, einfache Haltung zu einer Zeit des übertriebenen französischen Rokokostils ganz ohne Beispiel dasteht und sich in würdiger Weise an die monumentalen Bauten Schlüters anschließt. Aber gerade dieser Vorzug entsprach den Wünschen des für französische Sprache und Kunst so leidenschaftlich begeisterten Königs nicht völlig. Er liebte mehr die prächtig phantastischen, reizvollen Anlagen der französischen Paläste, gegen welche der in strengen Studien antiker Monumente erwachsene Knobelsdorff eine entschiedene Abneigung bekundete. So kam die künstlerische Überzeugung mit dem königlichen Urteil und Willen oft in Konflikt. Es blieben Zerwürfnisse nicht aus, die auf eine fernere großartige Bautätigkeit Knobelsdorffs lähmend einwirken mussten. Bald blieb ihm nur die verjüngte Anlage des Tiergartens, womit der große König die Residenz Berlin beschenkte, als das Feld einer jahrelangen, liebgewonnenen und erfolgreichen Tätigkeit, indessen andere Architekten an seine Stelle und in des Königs Gunst traten. Leider waren es Männer, deren Talent und künstlerische Kraft den großen Aufgaben, welche der baulustige und kunstliebende Friedrich ihnen anvertraute, nicht entsprach. In dem großartig angelegten, aber nüchtern durchgebildeten Palastbau des Prinzen Heinrich (der jetzigen Universität) ist das mittelmäßige Talent des älteren Boumann ebenso deutlich erkennbar, wie in der katholischen Kirche, einer unglücklichen Kopie des berühmten Pantheon zu Rom. Nicht viel günstiger lässt sich von dem Invalidenhause von Petri und dem von Boumann ausgeführten neuen Dom urteilen, der nach dem Abbruch des altehrwürdigen Domes von 1747 — 1750 auf seiner jetzigen Stelle im Lustgarten erbaut wurde, aber neben erhabenen Nachbarbauten den Wunsch einer baldigen Beseitigung gerechtfertigt erscheinen lässt. Erst in den letzten Lebensjahren des großen Königs sind bedeutendere Talente zu erkennen, welche zur monumentalen Entwickelung Berlins wesentlich beigetragen haben. Unter ihnen ist neben dem jüngeren Boumann, welcher die stattliche, aber von königlichen Capricen nicht freie Bibliothek von 1775 an erbaute, vor allen Gontard zu nennen, dessen Bauwerke ein warmes Kunstgefühl, einen seltenen Reichtum der Phantasie und besonderen Sinn für großartige Anlagen bekunden. Mit Recht übertrug ihm der König 1777 den Bau der Königsbrücke und der damit zusammenhängenden Königskolonnaden, welche die ähnliche, aber viel ältere Passage des Mühlendammes von Nehring um Vieles übertreffen. Ungleich energischer macht sich Gontards Talent in den Türmen des Gensdarmenmarkts geltend, für deren Anlage auf einem der schönsten Plätze die Stadt Berlin dem Bauherrn wie dem Künstler zu tiefstem Danke verpflichtet ist. Diese grandiose, ganz ideale Bau-Anlage war der letzte Bau des großen Königs, seines Geistes und seiner Tatkraft würdig. Aber während noch die letzten Architekten Friedrichs II. in ihren Schöpfungen sich immer enger an die antike Tradition wieder anschlossen, immer strenger die Bauwerke Roms studierten, waren schon in den Ruinen Athens neue Quellen für eine Epoche machende Regeneration der Baukunst entdeckt. Die Herausgabe des „Werkes von Stuart und Revett über Athen und seine ewig schönen Monumente wirkte nicht nur zündend in England, auch Frankreich und Deutschland traten in diese fruchtbringenden Bewegungen ein. Dieser kunsthistorischen Bewegung verdankt Berlin sein berühmtes Brandenburger Tor, welches 1797 durch Langhans als eine Kopie der Propyläen zu Athen, jenes hochgefeierten Bauwerks der antiken Kunst, errichtet wurde. Erst mit diesem Denkmale empfing die große Prachtstraße vom Schlosse bis zum Tiergarten einen ihrer Gesamt-Anlage würdigen Abschluss. Doch fehlten immer noch einzelne Zwischenglieder, deren Einschaltung erst einer neuen Gestaltung des Staats verdankt wurde.

Das 19te Jahrhundert begann trotz der scheinbar günstigen, geachteten Stellung des preußischen Staates mit langsamem, aber unaufhaltbarem Verfall. Es kamen die Jahre des Krieges und der Knechtschaft, aber auch die Zeiten der Erstarkung, des Freiheitskampfes und des Sieges. Als endlich das Palladium für des Vaterlandes Freiheit, die Viktoria auf dem Brandenburger Tore wieder aufgestellt war, da war es des heimgekehrten Königs Friedrich Wilhelms III. erster Gedanke, seine Helden zu ehren und den erneuten Aufschwung des Staates durch Baudenkmale in Berlin zu verherrlichen.

Zu so edlem Beginnen fehlte ihm auch nicht der sinnende Geist, die schaffende Hand werktätiger Künstler, an deren Spitze Schinkel, ein Sohn des märkischen Vaterlandes, trat, um durch seinen Genius eine neue Aera der Baukunst für Berlin heraufzuführen. Der Bau der Neuen Wache eröffnete den Reigen seiner Bauwerke, gerade sowie einst vor anderthalb Jahrhunderten der Bau des Zeughauses auch Schlüters Bahn eröffnet hatte. Aber nicht mehr den Werken der römischen Kunst wurde das neue Bauwerk genähert, sondern die klaren, gereiften Formen hellenischer Kunst mussten dienen, die Kunstideen Schinkels auszuprägen.

Die Königswache schloss unter den Bauwerken der denkmalreichsten Straße Berlins eine Lücke und der Bau der prachtvollen Schlossbrücke, welche den würdigsten Zugang zum Königsschlosse eröffnete, gab ihr endlich die letzte künstlerische Vollendung.

Doch der fortdauernde Friede und der wachsende Wohlstand des Staates trieben zu neuen Bau-Unternehmungen in Berlin. Schon nach wenigen Jahren erhob sich ein zweites, ungleich großartigeres Bau-Denkmal: das Schauspielhaus auf dem Gensdarmenmarkte, wieder zwischen vorhandenen Monumenten eine Lücke füllend und wieder das schöpferische Talent eines mächtig aufstrebenden Geistes bekundend. Denn so wie Schlüter beim Schlossbau aus älteren Teilen ein neues Ganze hatte erschaffen müssen, wurde auch Schinkel veranlasst, die Fragmente des älteren abgebrannten Theaters zu benutzen. Gereiften Künstlern sind einschränkende Bedingungen weniger eine Fessel als ein Sporn für um so kräftigere Gestaltung. Auch Schinkels Schauspielhause sieht Niemand jetzt an, dass die Plananlage und damit Ausdehnung und Umfang durch erhaltene Mauern und Fundamente aufs Engste vorgeschrieben war. Die Harmonie des Ganzen, die Schönheit des Einzelnen, der sinnvolle Bilderschmuck, alle diese Eigenschaften vereinigen sich, um diesem Bauwerke einen Ehrenplatz in der Geschichte der modernen Baukunst einzuräumen. Im Schauspielhause hatte die darstellende Kunst ein ihrer würdiges Asyl gefunden, noch fehlte es der bildenden Kunst und ihren Werken an einem solchen. Schwierig war die Wahl des Bauplatzes, doch Schinkels Scharfblick erkannte kühn das Richtige und schuf seinem Museum einen neuen Bauplatz in der herrlichsten Lage der Residenz. Da, wo früher der Lustgarten von einem Spreearme durchflossen wurde, errichtete er kühn und sicher sein neues Bauwerk, dem Schlosse des Herrschers gegenüber, dessen Munifizenz so unvergängliche Schöpfungen ins Leben rief. Kein Bauwerk zeigt so sehr die weise Sparsamkeit in den Mitteln, die selbstgewollte Beschränkung, und dabei gleiche Klarheit der Anlage, Einfalt und stille Größe im Aufbau.

Neben einer gediegenen Herstellung der reifen hellenischen Kunstformen in Sandsteinbau vergaß doch Schinkel gleichfalls nicht, den erstarkenden Gewerbefleiß zu den vaterländischen Materialien hinzuführen. Wie Berlins urälteste Baukunst mit der Behandlung des spröden Granits begonnen hatte, so wurde auch diesem Material durch die gesteigerte Technik ein seltenes Kunstwerk abgerungen, die große Schale von Granit, die ein Sinnbild vaterländischen Gewerbefleißes den Platz vor dem Museum schmückt. Nicht minder interessierte ihn der Backsteinbau, der so herrliche Denkmale des Mittelalters in der Mark hinterlassen hatte. Als Knabe hatte ihn die wunderbar schöne Klosterkirche zu Neu-Ruppin oft entzückt, zum Jüngling war er aufgewachsen hier in den Räumen des grauen Klosters, als Mann griff er mit vollem Bewusstsein zu dem alt vaterländischen Materiale zurück. Schon bei dem Bau der Werderschen Kirche, mehr noch bei dem der Bau-Akademie, erweckte er den Backsteinbau zu neuem Leben und fernerer Entwickelung. Paläste, Tore und Häuser, Grabes- wie Siegesdenkmäler und eine unabsehbare Fülle von kleineren Monumenten sind Zeugnisse seines schöpferischen Talents, seiner weitumfassenden Tätigkeit. Schinkel hat die lange und gesegnete Regierung eines Fürsten, der die geistige wie materielle Entwickelung seines Landes mit gleicher Liebe umfasste, baukünstlerisch verewigt. Groß und herrlich hat König Friedrich Wilhelm III. Berlin übernommen, größer und herrlicher hat er die Stadt, durch Schinkels Geist von Neuem reich befruchtet, hinterlassen. Der Künstler überlebte zwar den König, aber nicht lange; ein schweres geistiges Leiden kürzte seine Tage. Beide wussten aber, als sie aus dem Leben schieden, dass ihre geistigen Aussaaten nicht ohne fernere Pflege bleiben würden. Denn dem kunstpflegenden Vater folgte ein hochbegabter Sohn, ein kunstgebildeter König, und an die Wirksamkeit des Meisters schloss sich die Tätigkeit befreundeter Genossen, dankbarer Schüler an.

So erhielt sich unter dem Szepter Friedrich Wilhelms IV. eine fortdauernde Blüte der Baukunst zu Berlin. Des Monarchen Scharfblick sah die Hauptstadt durch die Eröffnung neuer Verkehrswege, durch den Aufschwung des Handels, durch eine gesteigerte Entwickelung der Industrie zu einer Weltstadt heranwachsen. Mit freudiger Teilnahme folgte er jeder Regung des Kulturlebens, das sich äußerte. Mit neuen Wasserstraßen ließ er Berlin umziehen, und das Nützliche mit dem Angenehmen verbindend, ihre Ufer mit schattigen Alleen bepflanzen. In gleichem Sinne wurde der Tiergarten durch Lennes Meisterhand verjüngt und mit ausgedehnteren Anlagen dem Naturgenusse der Bewohner Berlins überlassen. Der Wohltätigkeitssinn, der des Königs Herz erfüllte, drängte ihn in Gemeinschaft mit seiner Gemahlin eine großartige neue Heilanstalt Bethanien zu gründen, und die christliche Krankenpflege zu gesegneter Wirksamkeit darin einzusetzen. Aber sowohl bei dieser Bauanlage des realen Bedürfnisses, wie bei anderen verwandten Anlagen, den Mühlen, Gefängnissen, Kasernen, Chausseehäusern, ersehen wir des Königs liebevolle Sorge, eine jede derselben künstlerisch durchzubilden, damit ein jedes Bauwerk seiner Regierung neuer Schmuck, neue Zierde für die Hauptstadt Berlin sein möchte. Nicht weniger dünkte es ihm Königspflicht, für die geistigen Interessen, wie für die religiösen Bedürfnisse seines Volkes zu sorgen. So erstanden die monumentalen Bauwerke von Stüler, dem königliche Huld und Teilnahme ein reiches Feld der Tätigkeit erschloss, das neue Museum mit seinen glänzenden Kunsthallen, die St. Matthäus-, St. Markus-, St. Bartholomäus-Kirche und die Kapelle in dem Ahnenschlosse, welche neben den erneuerten Prachtsälen der schöne Schlussstein eines herrlichen Ganzen ist. Und wie der König die Vollendung der Schlossbrücke veranlasste, neue Heldendenkmale den älteren hinzufügte, Schinkels Museum mit Freskobildern schmücken ließ, so gab er dem prachtvollen Opernplatze eine neue sinnvolle Weihe durch die Errichtung des kolossalen Reiterbildes Friedrichs des Großen, an welchem die Zeitgenossen des Preußenkönigs ihren würdigsten Platz und eine gemeinsame Stelle fanden.

An eine so fruchtbare königliche Bautätigkeit schlossen sich nicht minder bedeutende Werke des Kommunal- und Privatbauwesens an. Auf kirchlichem Gebiete zeugen die St. Andreas- und St. Petri-Kirche von Strack, St. Michaels-Kirche von Soller von der reichen, vielseitigen Begabung dieser Meister, während Knoblauchs, Stracks und Hitzigs gediegene Leistungen auf dem Gebiete des Privatbaues zu einer vollständigen Regeneration dieses so lange und so sehr vernachlässigten Gebietes geführt haben. Selbst bis zu den realen Bedürfnisbauten, der Anlage technischer wie industrieller Etablissements hat sich der mächtige Einfluss, den eine von begabten Meistern schwungreich betriebene Bautätigkeit stets auszuüben pflegt, fortgepflanzt, und gerade auf diesem Gebiete verbürgt Berlins so wesentlich veränderte Stellung als Hauptsitz des Handels, als Zentralpunkt der Industrie, eine reiche und vielversprechende Zukunft. Eine solche wird auch nicht ausbleiben, aber sie kann nur da anknüpfen, wo die lebendige kunstbegeisterte Wirksamkeit König Friedrich Wilhelms IV. aufgehört hat.

Mit Trauer sagen wir, sie hat aufgehört, denn in den jüngsten Tagen ist der Königliche Herr, der Freund der Wissenschaft, der Pfleger in der Kunst, entschlafen. Das Vaterland trauert, denn ein treues Herz, ein heller Geist, ein kunstbegeisterter Sinn ist ihm entrissen. Auch ziemt es sich wohl, an dieser Stelle auszusprechen, dass das germanische Museum zu Nürnberg, dieser Zentralpunkt für kunst- wie kulturgeschichtliche Forschungen einen teilnehmenden, warmen Beförderer seiner auf wissenschaftliche Einigung gerichteten Bestrebungen in König Friedrich Wilhelm IV. verloren hat.

Blicken wir nun zurück auf Berlin und seine Bauwerke! Welch eine Fülle von Erinnerungen, welch ein Reichtum von Geschichte haftet an diesen Denkmalen, den Zeugen einer so bewegten, so reich gestalteten Vergangenheit. Aus dem wendischen Dorfe, aus der bescheidenen deutschen Landstadt ist Berlin — erst durch eigene Tätigkeit, dann durch seiner Fürsten Kunstsinn zur ersten Stadt Deutschlands, zur Metropolis in Wissenschaft und Kunst erwachsen.

Und blicken wir in die Zukunft — so gestalten sich unsere Gedanken zu einem warmen Segenswunsche, den wir der Landeshauptstadt, der Vaterstadt mit freudig bewegtem Herzen zurufen. Möge es Berlin nie fehlen, weder an kunstsinnigen, tatkräftigen Fürsten, noch an hochbegabten, genialen Meistern!

Opernhausplatz nach dem Stich von Fünck, 1743

Opernhausplatz nach dem Stich von Fünck, 1743

Ein berliner Baumeister des 18. Jahrhunderts

Ein berliner Baumeister des 18. Jahrhunderts

Die ehemalige Börse am Lustgarten von Becherr 1801.

Die ehemalige Börse am Lustgarten von Becherr 1801.

Friedr. Wilhelm II. Berliner Biskuitporzellan 1793.

Friedr. Wilhelm II. Berliner Biskuitporzellan 1793.

Neues Palais bei Potsdam von Büring und Manger 1763—1770.

Neues Palais bei Potsdam von Büring und Manger 1763—1770.

Knobelsdorf, Kolonnade in Sanssouci 1745.

Knobelsdorf, Kolonnade in Sanssouci 1745.