Bauer Pihwitt

Autor: Wilhelm Busch (1832-1908), Erscheinungsjahr: 1910
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Bauer Pihwitt, Ochse, Volkssage, Pflug
Ein Bauer hieß Pihwitt (Kiebitz); der pflügte mit seinem einzigen Ochsen auf dem Felde. Über seinem Kopfe kreiste ein Kiebitz und schrie: „Pih – witt.“ – „So heiß ich,“ sagte der Bauer. – „Pih – witt!“ „So heiß ich,“ sagte der Bauer. – „Pih – witt! Pih – witt!“ – „Ich sage dir,“ rief der Bauer ärgerlich, „schrei nicht immer so meinen Namen oder ich werfe!“ – „Pih – witt! Pih – witt! Pih – witt!“ – Da nahm Pihwitt seine Pflugschaufel und schleuderte sie nach dem Vogel hoch in die Luft. „Pih – witt! Pih – witt!“ Da flog er hin; aber die Schaufel traf beim Herabfallen den Ochsen so heftig zwischen die Hörner, daß er todt umfiel. „Oh, oh!“ rief Pihwitt und kratzte sich hinter den Ohren, „das ist doch ärgerlich; wenn das meine Frau erfährt, so wirds einen schönen Lärm abgeben. Nur rasch dem Ochsen die Haut abgezogen und zum Gerber damit, daß ich meinem Weibe wenigstens das Geld für die Haut bringen kann.“ Wie gesagt, so gethan. Der Gerber war aber gerade nicht zu Haus, und da hatte der Edelmann denn seine Abwesenheit wahrgenommen, um zu des Gerbers Frau zu gehen, die ihm das Beste aufgetischt hatte, was sie in ihrem Haushalte besaß das durfte aber der Mann nicht wissen. Als nun Pihwitt ins Haus trat, sprang der Edelmann rasch in eine große Tonne hinter der Hausthür. Pihwitt that, als hätte er nichts gemerkt; ging zu der Frau sprechend: „Wie stehen denn jetzt die Ochsenhäute im Preise? Ich habe hier eine, die wollte ich wohl verkaufen.“ „Ja,“ sagte die Frau, „sie kosten jetzt drei Thaler; aber ich kann euch die da nicht abnehmen, denn mein Mann hat’s Geld in den Kasten geschlossen und ist nicht zu Haus.“ „Na,“ sagte Pihwitt, „gebt mir die alte Tonne, die da in der Ecke steht, so mögt ihr dafür die Haut behalten.“ „Ei, ja wohl; wenns weiter nichts ist, die mögt ihr immerhin nehmen, ist doch zu nichts mehr zu gebrauchen.“ Die Frau hatte aber nicht gesehen, daß der Edelmann sich darin versteckt hatte.

Nun ging Pihwitt dabei, nagelte die Deckel recht fest zu, legte die Tonne auf die Seite und rollte sie vor sich her zum Hause hinaus. Nicht lange dauerte es, so rief’s in der Tonne: „Wohin, wohin?“ „Ins Wasser, ins Wasser!“ antwortete Pihwitt. „Ach, laß mich raus, ich will dir auch hundert Thaler geben.“ „Ins Wasser, ins Wasser!“ „Oh weh,“ stöhnte es im Fasse, „ich gebe dir fünfhundert Thaler, nur laß mich raus.“ „Nichts da, ins Wasser, ins Wasser!“ „O weh, o weh; mach doch auf und laß mich leben, ich will dir auch tausend Thaler geben.“ „No ja,“ sagte Pihwitt, „so komm heraus; aber ich sage dir, gibst du mir die tausend Thaler nicht, so steck ich dich wieder in’s Faß und rolle dich in den Fluß hinein.“ Als der Edelmann heraus war, zahlte er dem Pihwitt das Geld. Der ging damit zu seiner Frau: „Sieh, Frau, die tausend Thaler habe ich für unsern Ochsen seine Haut bekommen.“ „Ei, Mann,“ rief die vor Freuden, „das ist der beste Handel, den du in deinem Leben gemacht hast;“ und das war viel gesagt, denn sonst gab sie ihm nie recht und war niemals zufrieden, er mochte thun was er wollte.

Bald war es im ganzen Dorfe bekannt, daß Pihwitt seine Ochsenhaut so schrecklich gut verkauft hatte. Sammt und sonders schlugen nun die Bauern ihre Ochsen todt und trugen die Haut zum Gerber. Der wies sie aber als Narren mit Spott zum Hause hinaus. Voll Grimmes kehrten sie zurück, griffen den Pihwitt, den Urheber ihres Unglücks, fest des Sinnes, ihn stracks in der Weser zu ersäufen. Nun war’s gerad an einem Sonntagmorgen; und als sie unfern an einem Kirchlein vorüber kamen, da die Leute so schön zu der Orgel sangen, meinten sie, es sei gut, hier erst einzukehren und den armen Sünder dann nach dem Gottesdienste ins Wasser zu bringen. Sie steckten ihn darum in einen Schäferkarren, der nicht weit davon im Felde stand, schlossen die Tür und gingen zur Kirche.

Nicht lange, so trieb der Schäfer seine Heerde vorüber. Da rief Pihwitt drinnen im Karren:

„Amtmanns Tochter will ich nicht!

Amtmanns Tochter will ich nicht!“

„Narr, nimm se doch!“ sagte der Schäfer. „O nein, o nein, es ist mir wahrhaftig nicht möglich; aber, wenn du sie willst, so mach auf und steig nur statt meiner hier herein.“ Das ließ sich der Schäfer nicht zweimal sagen, half dem Pihwitt heraus und stieg dann selbst hinein. Da machte Pihwitt den Karren rasch fest zu und trieb dann die Heerde gemächlich dem Strome zu.

Als die Bauern endlich aus der Kirche kamen, setzten sie bald den Karren in Bewegung; und weil der drinnen fortwährend rief:

„Die Amtmannstochter will ich wohl!

Die Amtmannstochter will ich wohl!“

so hielten sie’s für Spott, trieben den Karren eilig an den Uferrand und stießen ihn mit Hurrah in den Strom. Nach diesem nahmen sie den Heimweg; als sie aber von ungefähr über eine fette Trift kamen, ging da eine Heerde der schönsten Schafe, und der sie weidete, das war Pihwitt. „Ei, Pihwitt,“ riefen die Bauern, „haben wir dich nicht eben in’s Wasser geworfen? Wo kommst du her?“ „Ja, ja,“ sagte Pihwitt, „aus dem Wasser! aus dem Wasser! Als ich da unten ankam, das erste was ich faßte, war jener fette Leithammel, und als ich den nur hatte, kamen die andern Schafe gleich hinterdrein. Ich sollt’s eigentlich nicht verrathen, aber es sind auf dem Grunde des Stromes noch viel mehr und, ich möchte fast sagen, noch schönere zu finden als diese hier. Darum seid so freundlich und werft mich noch einmal ins Wasser; denn selbst hineinzuspringen, dazu habe ich den Muth nicht.“ „Ne, ne,“ riefen die Bauern alle, „das thun wir nicht; die schönen Schafe wollen wir selber holen,“ liefen darum schnell zum Flusse zurück und stürzten sich kopfüber hinein, daß sie versaufen mußten.

Pihwitt aber behielt die vielen Schafe und war reich, so lange er lebte.

Wilhelm Busch

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