Bali, ein Paradies im Malaiischen Archipel

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1922
Autor: Th. R. Eggers, Erscheinungsjahr: 1921

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Bali, Insel, Java, Paradis, Tempel, Eingeborene, Opfer, Dorfgenossen.
Im Malaiischen Archipel, an der Ostseite Javas, von diesem durch die schmale Balistraße getrennt, östlich von der Lombokstraße, liegt Bali, eine der Kleinen Sundainseln. Die von 800.000 Menschen bewohnte Insel gleicht nach der geologischen Bildung, der reichlichen Bewässerung des Bodens, dem üppigen Pflanzenwuchs und der großen Fruchtbarkeit den östlichen Teilen Javas. Die vulkanische Insel ist in den westlichen Teilen zu mehr als einem Drittel noch mit Urwald bedeckt. In gleichmäßiger Tropenwärme, aber ohne die erschlaffende, dumpf brütende Hitze anderer Lagen verbringt ein körperlich ungewöhnlich schön gebildetes Volk sein Dasein. Offenbar aus der gelben Grundrasse, zu der die Chinesen und Japaner gehören, hervorgegangen, ähneln sie den Polynesiern, sind jedoch durch Vermischung mit indogermanischem Blute von ihnen verschieden. Unter diesem Volke lebte vom Jahre 1912 bis 1914 der deutsche Arzt Dr. E. Krause in holländischen Diensten, der dort etwa viertausend photographische Aufnahmen gemacht hat, die ein ebenso erschöpfendes wie berückendes Bild einer insularen Kultur bieten, die über die Meere hin von den großen asiatischen Mutterländern ostjavanischer Reiche gelangte. Das Folgende ist dem Werk „Die Insel Bali“ entnommen. Im Jahre 1849 gelangte Holland zur Oberhoheit auf Bali, nachdem zuvor vergeblich versucht worden war, die einheimische Herrschaft von acht kleinen Staaten zu brechen.

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Auf der Insel gab es kein Grundeigentum; das Land gehörte den Dewas, den guten Göttern, denen man von jeder Ernte Opfergaben in den Tempeln darbrachte. Unter den Insulanern bildeten Dorfgemeinschaften einen festen Halt für alle Eingeborenen, die freundschaftlich untereinander lebten. Auf den Märkten fordert man für alle feilgebotenen Waren von den eigenen Dorfgenossen den geringsten Preis, einen höheren von den Einwohnern der Nachbardörfer, noch mehr von den meist an der Nordküste wohnenden Chinesen und den auf der Insel ansässigen Europäern. Von dem Grunde, der den Dörfern gehört, darf nichts brachliegen; der Boden muss überall voll ausgenützt werden. Die wasserreichen Flüsse kommen von oben in tiefeingeschnittenen Schluchten von Felsen herab, und die Balier verstehen es meisterhaft, kunstvolle Bewässerungsanlagen zu errichten und sogar ausgedehnte Tunnelbauten zu diesem Zweck anzulegen, um überall an den Gebirgshängen terrassenförmig gestaltete Reiskulturen zu schaffen. Bietet eines der Dörfer keinen Grund mehr zum Anbau, dann beginnt ein Teil des jüngeren Nachwuchses Rodungen im Urwald vorzunehmen. Da sich die Balier alles beseelt denken, geht das Fällen der Bäume unter einen: gewissen Zeremoniell vor sich; Opfergaben müssen gebracht und zuerst eine besondere Hütte mit einem Altar errichtet werden.

Wenn sich auch gegen Ende des achten Jahrhunderts n. Chr. der Hinduglaube auf der Insel zu verbreiten begann, so erhielt sich doch noch vieles aus den Anschauungen und Gebräuchen des älteren heidnischen Kultus. Außer den Dewas, den freundlichen, gütigen Göttern, gibt es zahlreiche schadenbringende, böse dämonische Wesen, die Butas. Nach der hinduistischen Schiwaanbetung hatte auch der Buddhismus Eingang gefunden; dann war um das dreizehnte Jahrhundert der Islam nach Java gelangt, um sich von dort über die Inseln des Malaiischen Archipels auszudehnen und auch auf Bali Anhänger zu finden; doch erlangte diese Lehre dort nie bedeutende Ausdehnung. Der düstere Schiwakultus erhielt sich Jahrhunderte hindurch auf der Insel, während er sonst in Indonesien ausgerottet ist, und obwohl auch andere hindostanische Götter in den wundervollen Tempeln der Balier ihre Stätte gefunden haben. Mit den Hindu kam auch das Kastenwesen auf die Insel, doch gibt es da keine Parias; die Zugehörigkeit zu einer Kaste ist weder an einer besonderen Kleidung ersichtlich, noch durch andere Kennzeichen äußerlich hervorgehoben.

Wie überall, wo nach weitgehendem Beseelungsglauben alle Dinge und Naturerscheinungen mit besonderen, geheimnisvoll wirksamen Kräften begabt sind, sucht man sich vor ihrem bösen Einfluss durch Opfer und Zauber- möglichst zu schützen. Da alle übelgesinnten Mächte besonders in der Nacht zu fürchten sind, opfert der Balier den Dämonen in der Abenddämmerung. Auf einem Bananenblatt legt man Reis, kleines Zuckergebäck und Blumen auf den Weg, der zum Haus führt. Ein Krug, mit Wasser gefüllt, gehört dazu, zuweilen auch ein brennendes Ollämpchen.

Das religiöse Zeremoniell bezieht sich meist auf den Ackerbau, wobei außer den Opfergaben Musik, Spiel und Tanz unerlässlich sind. Zu allen Festlichkeiten, bei Geburt und Hochzeit, aber auch bei Todesfällen, pflegt man Opfergaben auf Bambusgerüsten, die oft zwei Meter hoch sind, in die Tempel zu bringen. Auf diesen eigenartigen Aufbauten befinden sich in geschmackvoller Anordnung Blumen, Früchte, leuchtend gefärbtes Reisgebäck und Geflügel. Im dritten Tempelhof werden dreimannshohe breite Säulen aus Blumen und Früchten errichtet. „Man ist auf Bali unerschöpflich, Gelegenheiten zum Feiern von Festen in irgend einem Tempel zu finden. . . . Für dieses glückliche Volk scheint das Erdenleben ein fast ununterbrochenes Fest zu sein, eine Ekstase von überströmender Freude an diesem Leben und von Dankbarkeit und Verehrung gegen die Götter, die Schöpfer und Erhalter all dieses Lebens.“

Wenn die Seele eines Baliers den Leib verlassen hat, wird nach hindostanischem Religionsbrauch die Leiche verbrannt und die Asche in die See geschüttet. Die Einäscherung wird auf einem pyramidenförmig kunstvoll aufgebauten Gerüst aus Bambus und Rotang vollzogen. Solche Verbrennungen sind kostspielig und finden oft erst nach fünf oder zehn Jahren statt. Inzwischen werden die Leichen dem porösen Tuffboden übergeben, in dem man dann meist nichts mehr vorfindet. In solchen Fällen verbrennt man statt der Leiche eine Puppe aus Palmblättern. Den Zusammenstoß einer anderen Welt mit den Bewohnern der glücklichen Insel schildert Krause in einem Abschnitt: Der Untergang der letzten Fürsten. Bali war ein reiches, glückliches Land. Im Mai 1904 strandet an der Südküste der Insel ein kleines Segelschiff, das einem Chinesen aus Borneo gehört, und zerschellt in der Brandung. Von der Ladung wird einiges ans Land gespült und von Strandbewohnern aufgelesen. Der Chinese — man nennt sein Volk hier im Archipel die Juden des Ostens — klagt bitter über den Verlust von all seinem Hab und Gut, worunter sich auch eine Kiste mit zweitausend Silberdollar befunden haben soll. Die Balier schwören, kein Geld am Strand gefunden zu haben. Man verlangt Genugtuung von dem Fürsten, in dessen Reich der „Strandraub“ stattgefunden hat. Dieser weigert sich und ersucht eine Verhandlung und Entscheidung vor dem Gerichtshof der Kertas. Man blockiert seine Küste und erklärt ihm und den anderen Fürsten, die mit ihm im Bunde sind, den Krieg.

Von Surabaja, dem größten Handelsplätze Javas, schiffen sich im Herbst 1906 einige tausend Mann europäischer Truppen unter großer Begeisterung des Publikums zum Kreuzzuge gegen Bali ein. Kriegsschiffe sind ihnen voraus und schleudern von hoher See aus schwere Granaten in die unter den Palmen verborgenen dichtbevölkerten Dörfer. Nach den Regeln der Kriegskunst landet man und rückt landeinwärts. Einige vergebliche Lanzengefechte belehren die Balier von der Nutzlosigkeit des Widerstandes gegen moderne europäische Bewaffnung, und sie begeben sich auf ihre Reisfelder, um die unterbrochene Arbeit fortzusetzen. Den Truppen wird willig alles gegeben, was sie verlangen.

Die Fürsten mit ihrer Familie aber, ihren Dienern und allen, die von ihnen Besoldungen, Gehälter oder Unterhalt beziehen, sind entschlossen, in den Tod zu gehen, und bereiten sich seit Tagen in Gebeten auf das Ende vor.

Die Truppen nähern sich auf dem breiten, von Mauern rechts und links geschlossenen Wege. Vom Palaste des Fürsten aus sieht man sie anrücken. Einige alte Frauen und die Kranken, die nicht gehen können, sind mit dem Dolch erstochen. Aus dem Palast schießen Flammen. Heraus tritt ein seltsamer Zug. Männer in glänzenden Gewändern, rot und schwarz, mit langwallendem unbedecktem Haar, in dem Gürtel lange, goldene, juwelenfunkelnde Krise. In ihrer Mitte festlich geschmückte Frauen, Blumen im Haar, neben ihnen Hunderte von Kindern. Alle tragen den weißen Mantel der dem Tode sich Weihenden. Als letzter erscheint der Fürst, auf einem goldenen Stuhl, der von vier Männern getragen wird.

Lautlos und langsam bewegt sich der Zug den Truppen entgegen.

Etwa hundert Schritt vor ihnen hält er plötzlich an, der Fürst steigt aus seinem Tragstuhl, den die Männer vorsichtig niedergesetzt haben. Ein Schuss aus einem alten Bronzerohr, das explodiert und den Kanonier in Stücke reißt, gibt das Zeichen, und mit erhobenen Lanzen und gezückten Krisen stürzt alles in das Schnellfeuer der Repetiergewehre. Die Artillerie feuert ihre Schrapnelle in den dichten Menschenhaufen. Die Leichen stapeln sich auf und hindern neue Scharen, die aus dem Palaste treten.

Voll Grauen schweigt das Feuer der Truppen. Da sieht man einen Mann im Priestergewand mit eisiger Sicherheit den hochgeschwungenen Kris in die Brust von Männern und Frauen stoßen, die sich um ihn drängen. Er wird niedergeschossen,- ein anderer übernimmt sein Amt. Verwundete erstechen sich selbst oder erweisen Sterbenden diesen Dienst, die, von Granaten zerrissen, es nicht mehr selbst können. Neue Massen kommen näher, singend, stürzen vor und fallen. Die Soldaten zögern, weiter zu schießen. Da werfen ihnen Frauen einen Regen von Goldstücken entgegen: „Hier habt ihr das Gold, wofür ihr kamt.“ Sie weisen auf ihre Brust, um dorthin getroffen zu werden.

Der Weg zum brennenden Palaste des Fürsten ist frei. Tote und Röchelnde machen ihn unbequem. Man hört ein leises Wimmern: ein Säugling, der mit zerschmetterten Ärmchen neben seiner sterbenden Mutter liegt, die sich nicht entwaffnen lässt. Dort saugt ein Kind an der Brust einer toten Frau mit gespaltenem Schädel. Ein Knabe von zwölf Jahren mit zerrissener Brust stößt den Trunk Wasser weg, den ein mitleidiger Soldat ihm reicht, und bittet um den Gnadenstoß.

Der europäische Regierungsbeamte, der oft der Gast des Fürsten gewesen ist, sucht hastig und erkennt schnell in dem Berg von Leichen die des Fürsten. Ein christlicher Priester, der für das Seelenheil der Truppen sorgt, wendet voll Abscheu über den heidnischen Wahnsinn seine Blicke hinweg und flieht von dem Orte dieses Sterbens. Ein Atjeher aus dem Norden Sumatras, wegen Mords gestraft und als Zwangsarbeiter und Träger bei der Truppe, ruft verächtlich: „Wir wären anders gestorben.“ Der Chinese aus Borneo, der Eigentümer des gestrandeten Schiffes, weinte bitterlich, als er die Folgen seiner Habgier sah. Das balische Volk jedoch arbeitete ruhig und ergeben auf seinen Reisfeldern: „Die Götter haben es so gewollt.“

1. Im Hof eines Balitempels aufgestellte große Opfergaben von vier Meter Hohe.
2. Straßenhandel in Tabanan.
3. Weihrauchopfer in einem Subaktempel.
4. Überreste des von Lava verschütteten Tempels Batur.
5. Teil eines Tempels aus Bali mit reicher Architektur
6. Junge Balifrau mit Marktkorb.
7. Junger Baliinsulaner.
8. Pilsangs in einem tausend Meter hoch gelegenen Gebirgsdorf

1. Im Hof eines Balltempels aufgestellte große Opfergaben von vier Meter Hohe.

1. Im Hof eines Balltempels aufgestellte große Opfergaben von vier Meter Hohe.

2. Straßenhandel in Tabanan.

2. Straßenhandel in Tabanan.

3. Weihrauchopfer in einem Subaktempel.

3. Weihrauchopfer in einem Subaktempel.

4. Überreste des von Lava verschütteten Tempels Batur.

4. Überreste des von Lava verschütteten Tempels Batur.

5. Teil eines Tempels aus Bali mit reicher Architektur

5. Teil eines Tempels aus Bali mit reicher Architektur

6. Junge Balifrau mit Marktkorb.

6. Junge Balifrau mit Marktkorb.

7. Junger Baliinsulaner.

7. Junger Baliinsulaner.

8. Pilsangs in einem tausend Meter hoch gelegenen Gebirgsdorf.

8. Pilsangs in einem tausend Meter hoch gelegenen Gebirgsdorf.