Das Badewesen bei den Ägyptern

Von dem Badewesen der alten Ägypter wissen wir bei weitem nicht soviel, wie man nach unserer sonstigen eingehenden Kenntnis aller ihrer Lebensverhältnisse erwarten sollte. Zweifellos waren bei ihnen die Begriffe Reinlichkeit und Reinheit sehr stark ausgeprägt, und mehr als irgend anderswo wurde die körperliche Reinigung und Reinheit in dem götterreichen Kultus symbolisch auf die Reinheit des Geistes übertragen. Wenn auch vielleicht weniger dem niederen Volke, so war doch den höheren Ständen größte Reinlichkeit ein Lebensbedürfnis, Unreinheit ein Gräuel; deshalb verlangte Sitte und Gefühl, dass man nach zufällig eingetretener Unreinheit, die nur allzu leicht möglich war — nach Herodot (II, 47) schon durch Berührung eines Schweines oder eines anderen unreinen Tieres nur im Vorübergehen! — schleunigst ein Bad nahm. Peinlichste Reinlichkeit und Sauberkeit wurde von den Priestern verlangt, welche nach Herodot (II, 37) zweimal des Tages und zweimal in der Nacht in kaltem Wasser sich zu baden hatten. Zu einem so ausgedehnten Gebrauch der Bäder müssen sowohl bei den Wohnungen der Ägypter wie bei ihren Tempeln Badeeinrichtungen bestanden haben; aber es sind solche in den Bauresten bisher noch nicht nachgewiesen. Nur im Tempel von Edfu (aus der Ptolemäerzeit) sind an der großen dreischiffigen Halle zwei kleine kapellenartige Räume angebaut, deren einer als „Weihezimmer" zur symbolischen Reinigung durch geweihtes Wasser bezeichnet wird. Ja es muss auffallen, dass unter den bildlichen Darstellungen aller möglichen Dinge des täglichen Lebens eigentliche Badeszenen nicht bekannt geworden sind. Freilich lässt das heiße Klima Ägyptens auf kalte Bäder unter freiem Himmel schließen und Badezimmer entbehrlich erscheinen, und es mögen in den Gärten die Teiche, welche man auf den Abbildungen findet, die Badebassins gebildet haben, wenn man das höher geschätzte Flussbad nicht haben konnte. Ganz besonders begehrenswert war es, im heiligen Nil zu baden; dieses Flussbad war so allgemein gebräuchlich und beliebt, dass sogar die Tochter Pharaos zum Baden an den Nil gegangen war, als sie den kleinen Moses im Schilf versteckt fand. Danach scheint es, als ob die alten Ägypter zu den Flussbädern spezielle Einrichtungen nicht gebaut haben; erst unter römischer Herrschaft, als römische Kultur mit den in der Heimat verfeinerten Lebensansprüchen nach Ägypten vordrang, sind am Nilfluss Bäderbauten errichtet worden. Einen Rest davon zeigt Bild 7 in dem sogenannten Bad der Kleopatra, deren Name aber wohl nur durch die Sage damit in Verbindung gebracht werden konnte.

Bild 5. Lustrationsbecken im Tempel des Jupiter Heliopolitanus zu Baalbek


Bild 6. Details von den Lustrationsbecken im Tempelvorhof zu Baalbek.

Bild 7. Bad der Kleopatra zu Assuan.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Bäder und Badeanstalten
Bäder 005 Lustrationsbecken im Tempel des Jupiter Heliopolitanus zu Baalbek

Bäder 005 Lustrationsbecken im Tempel des Jupiter Heliopolitanus zu Baalbek

Bäder 006 Details von den Lustrationsbecken im Tempelvorhof zu Baalbek

Bäder 006 Details von den Lustrationsbecken im Tempelvorhof zu Baalbek

Bäder 007 Bad der Kleopatra zu Assuan

Bäder 007 Bad der Kleopatra zu Assuan

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