in homerischer Zeit, Tiryns, Mykene

Obwohl Homer kalte und warme Bäder so oft erwähnt, beschreibt er doch niemals ein Badehaus oder Badezimmer. Trotzdem haben solche in vorhistorischer Zeit existiert, und es gehört zu den interessantesten Funden Schliemanns die Aufdeckung eines Badezimmers im Königspalast der Burg von Tiryns, vielleicht das älteste uns bekannte Bad, in dem schon homerische Gestalten nach ihrer Kriegsarbeit Erfrischung gesucht haben (s. Bild 9). In der Nähe des Megaron, des großen Männerhauses, hat es eine bevorzugte Lage; bevor man dort eintrat, konnte man sich baden und salben. Eine mächtige, sauber geschliffene, monolithe Platte von ca. 3 zu 4 m Größe bei 70 cm Stärke, welche unter die Mauer greift, bildet den Fußboden. Vor den Wänden, ausgenommen vor der Tür, ist darauf ein 13 cm breiter, 3 mm hoher Randstreifen stehen geblieben mit regelmäßig angeordneten, 3 cm weiten Löchern zur Befestigung einer hölzernen Wandbekleidung, wodurch der Raum auf die sehr bescheidene Größe von 3,05 zu 2,65 m eingeschränkt wurde. Das Fußbodengefälle bezeichnet den Standplatz der Wanne; überlaufendes Wasser floss nach einer angearbeiteten flachen Rinne, welche sich in einer anstoßenden Steinrinne fortsetzt. Gegenüber der Tür sind in der Wand zwei Löcher von 44 bis 48 cm Weite, worin vermutlich Tongefäße für Öl und Salbe standen, deren Gebrauch bei den Griechen sehr alt ist. In Tiryns stand eine starke Wanne aus gebranntem Ton mit verstärktem oberen Rande und schweren Handgriffen an der Seite, in der Form den unsrigen ähnlich (s. Bild 10); innen rot glasiert und mit einem fortlaufenden Ornament von gelben Spirallinien, die Wasserwelle charakterisierend, außen schlicht mit einigen Linien dekoriert. Das Badewasser wurde wahrscheinlich im Kessel auf dem Dreifuß erwärmt, wie Homer bei der Zurüstung des Bades für Hektor, wenn er aus der Schlacht zurückkehren würde, es beschreibt (Jl. XXII, 444). Die Tagesbeleuchtung dieses Badezimmers musste wohl durch hohes Seitenlicht erfolgen. — Die Form der Badewanne war keineswegs stereotyp; eine andere aus gebranntem Ton, nicht glasiert, in Mykene gefunden (jetzt in Athen), zeigt Bild 11; *) das hintere Ende der Wanne enthält eine kleine Sitzbank auf Konsolfüßen, während vorn im Boden eine rundliche Vertiefung angebracht ist, worin man vermutlich die Füße auch allein badete. Die Wanne ist im Boden nur 0,95 m lang, 0,50 m breit und vorn nur 0,22 m tief; die Wandstärke beträgt 3,5 bis 4,5 cm. — Aus gleich alter Zeit dürfte die Badewanne aus Thera (jetzt in Athen) stammen, welche Bild 12 darstellt;*) sie enthält weder den Sitz noch die vordere Bodenvertiefung, ist aber interessant durch die Abschrägung vorn zum Aufstemmen der Füße und die Einziehung des Randes über dem Fußende. Die Wanne ist 0,95 m lang, 0,46 m breit, 60 cm hoch und hat zwei Handgriffe an den Seiten; die obere Öffnung misst 0,72 zu 0,46 m, die Wandstärke nur 2 cm. — Alle drei Wannen sind bedeutende Leistungen der Keramik im Altertum.

Bild 10. Wanne aus Tiryns.
Bild 11. Badewanne aus Mykene.


*) Wiegand & Schräder. Priene. Berlin 1903. Reimer. (Mit Genehmigung der Kgl. Museen zu Berlin).

Dass in einem homerischen Palaste das Badezimmer jemals gefehlt haben sollte, ist kaum anzunehmen, obwohl Homer durchblicken lässt, dass das warme Bad nicht das Richtige sei,*) weil es verweichliche und sich mehr für alte Leute und Greise eigne (Od. XXIV) denn für kriegsgewohnte Recken. Bei den verweichlichten Phäaken findet Odysseus den Gebrauch der warmen Bäder besonders zu bemerken (Od. VIII, 248); doch dürfte damit wohl auch auf deren verfeinerte Sitte und höheren Kulturzustand hinzuweisen beabsichtigt sein. Andererseits wird das warme Bad bei den Griechen auch von wackeren, nichts weniger als verweichlichten Helden genommen, und zwar meist behufs Erfrischung nach großer körperlicher Anstrengung. Noch in späterer Zeit schrieb man dem warmen Bade diese Wirkung zu, wie es z. B. Diodor öfter ausspricht; so berichtet er (II, 57) von der Wunderinsel im südlichen Ozean mit Quellen, „teils warmen, die zu Bädern dienlich sind und die Ermüdung heben“ u. s. w. und ferner (V, 10) von der Insel Lipara, dass das Bad in der dortigen warmen Quelle nicht nur zur Heilung der Kranken sehr dienlich sei, sondern auch, „was überhaupt eine Eigenschaft der warmen Bäder ist, äußerst angenehm und erquickend.“ Den größeren Wert legte man aber stets auf das kalte Bad, welches das Schwimmen gestatte, den Körper kräftige und abhärte. Schwimmen lernte man deshalb möglichst schon in der Jugend, und wo es dazu an genügend tiefem Wasser fehlte, legte man künstliche Teiche an. Fabelhaftes leistete im Schwimmen Odysseus, der nach dem Schiffbruch und nach tagelangem Ringen mit dem Meere glücklich den Fluss erreicht und diesen alsbald wieder zum Bade benutzt (Od. VI, 224), denselben Fluss, in welchem Nausikaa mit ihrer Begleitung badend angetroffen wird. Nach Jl. XVI, 744 ist den Homerischen auch das Tauchen schon geläufig. Dem Seebade schrieb man die Wirkung zu, dass das Salzwasser die Nerven stärke und dem Körper die schlechten Säfte entziehe. (Athen. I, 19.)

*) Auch Plato (Leg. VI, 761) will das warme Bad nur den Greisen zugestehen.

Häufig werden kalte und warme Bäder nebeneinander genommen, das eine zur Ergänzung des anderen, so nach Reisen oder ungewöhnlichen Anstrengungen zuerst ein kaltes See- oder Flussbad zur Reinigung und unmittelbar darauf ein warmes Wannenbad zur Stärkung und Erquickung, wie es Homer (Jl. X, 572) von Odysseus und Diomedes erzählt.

Ohne dass im Kultus der Griechen die Begriffe rein oder unrein so bedeutsam wären wie bei den altorientalischen Völkern, badet man doch vor Darbringung des Opfers, vor Anhörung des Orakelspruches, vor Aufnahme in die Mysterien und bei anderen feierlichen Gelegenheiten. Zu den Hochzeitsgebräuchen zählte das Baden der Braut und des Bräutigams, das Brautbad, wozu das Wasser eines Quells nur von Jünglingen und Jungfrauen geschöpft werden sollte, bevor das Zeremoniell begann. Vor dem Gebet reinigt man sich symbolisch durch ein Bad, wenigstens durch Waschung; so Telemach (Od. II, 260) und Penelope, die darauf reine Kleider anlegt. Mit dem Bade soll eben jeder Makel getilgt werden; man glaubt damit indessen auch auf das Gemüt einzuwirken, sogar die Mutlosigkeit zu verscheuchen (Od. XV). — Dem ankommenden Gaste reichte man mindestens ein warmes Fußbad, sonst ein Wannenbad, wobei ihm Frauen und Töchter des Hauses behilflich waren, bevor ihm Speise und Trank geboten ward. In alter Zeit galt die Darbietung des Bades als selbstverständliche Gepflogenheit der gastlichen Aufnahme. Als König Minos von Kreta den Dädalos nach Sizilien verfolgte, lud ihn dort der König Kokalos zum Besuch ein und — so erzählt Diodor (IV, 79) — „nahm ihn gastfreundlich auf; als aber Minos sich badete, ließ ihn Kokalos so lange im heißen Bade sitzen, bis er des Todes war.“ Ebenso als Telemachos und Nestors Sohn Peisistratos den König Menelaos in Sparta besuchen, bietet man ihnen, bevor man noch weiß, wer sie sind und was sie wünschen, ein Bad, in welchem sie von Sklavinnen bedient, gesalbt und in Mäntel gehüllt werden.*)

*) Od. IV, 47; vergl. Od. VIII, 451 und Jl. XXII, 444.

Ganz allgemein folgte dem Bade das Abreiben des Körpers mit Tüchern und das Salben, wobei zuerst das Haar, dann der ganze Körper mit Fett oder Öl, oft mit wohlriechendem Öl, eingerieben wurde; man war der Meinung, dadurch die Glieder elastisch erhalten und sich vor Erkältung bewahren zu können (Jl. X, 572). Seife ist bei Homer noch nicht bekannt; zur gründlicheren Reinigung verwandte man Holzasche oder Lauge.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Bäder und Badeanstalten
Bäder 010 Wanne aus Tiryns

Bäder 010 Wanne aus Tiryns

Bäder 011 Badewanne aus Mykene

Bäder 011 Badewanne aus Mykene

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