Einleitung

Wenn die öffentliche Gesundheitspflege unserer Zeit der Förderung des Badewesens überall in Stadt und Land gesteigerte Aufmerksamkeit schenkt, so ist ihr Ziel nicht gerade etwas Neues; handelt es sich doch bei diesen Bestrebungen nur darum, ein verlorenes Gut, das schon in alten Zeiten hoch geschätzt und allgemein im Gebrauch war, den neueren Generationen wiederzugewinnen. Denn das Badewesen ist so alt wie das Menschengeschlecht selbst. Wenn auch der Mensch auf tiefster Kulturstufe in dem Wasser etwas Unheimliches gefürchtet und sich deshalb mit einer gewissen Scheu von ihm fern gehalten haben mag, so musste ihn doch andererseits die wohltätige Abkühlung eines Bades zu heißer Sommerzeit von der Annehmlichkeit des nassen Elementes überzeugen, und schon der Kampf ums Dasein, der den Fischreichtum der Gewässer auszunutzen gebot, wird ihm manches freiwillige oder unfreiwillige Bad bereitet haben.

Dagegen dürfte der zielbewusste Gebrauch der Bäder zur Körperpflege durch die Reinlichkeit erst einer höheren Kulturstufe angehören; man musste erst die Einsicht gewonnen haben, dass in der Reinigung des Körpers durch ein Bad das einfachste und sicherste Mittel gegeben sei, die Gesundheit zu erhalten und zu fördern, den Körper zu kräftigen und abzuhärten und so den Menschen widerstandsfähiger zu machen.


In hohem Maße musste das Badewesen an Bedeutung gewinnen, als bei der Entwicklung religiöser Anschauungen die äußerliche Reinlichkeit und Sauberkeit zum Symbol der inneren, geistigen und sittlichen Reinheit erhoben wurde. Damit ging das bis dahin fast nur instinktive Streben nach Reinlichkeit in die Kultusgebräuche über; aus Sitte und Gebrauch wurde ein Gesetz der Religionsübung abgeleitet. Wie die physische Säuberung des Leibes durch ein Bad alles Unreine äußerlich beseitigt, so schafft die Anwendung des Wassers symbolisch die Reinheit und Makellosigkeit der Seele. Nur wer sich durch Wasser von allem Unreinen befreit hat, ist rein genug, um in das Heiligtum, vor das Götterbild, an den Altar treten zu dürfen. Nach dieser Vorstellung wohnt im Wasser eine hohe sühnende Kraft und Wirkung, und deshalb setzen verschiedene Religionsgemeinschaften häufige Waschungen und Bäder als integrierenden Bestandteil der religiösen Handlungen und Gebräuche ein und erheben sie zur religiösen Pflicht, wie denn auch die christliche Taufe in der ursprünglichen Form des Untertauchens des Täuflings gleicherweise symbolisch aufzufassen ist.

Für die Bedeutung des Badewesens überall und zu allen Zeiten spricht am besten der Umstand, dass bei allen Völkern die Entwicklung des Badewesens mit der Hebung der Kultur immer parallel läuft, und in der Blüte der Kultur eines Volkes das Badewesen stets eine bevorzugte und vorbildliche Regelung erfährt, die dem hohen Grad der Ausbildung nur entspricht.

Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, dass dem althergebrachten Gebrauch der Bäder auch Badeeinrichtungen baulicher Art schon in den ältesten Zeiten gedient haben müssen; dies ist als sicher auch da anzunehmen, wo Baureste nicht mehr gefunden sind, und nur literarische Berichte es bezeugen. Gerade deshalb verlohnt es sich aber, vom technischen Standpunkte aus den Spuren der Badeanlagen bis in die ältesten Zeiten hinauf nachzugehen, ihre weitere Entwicklung zu verfolgen und dabei zu prüfen, inwiefern die alten Anlagen und Einrichtungen, die sich bisweilen zur höchsten Höhe von Hauptwerken der Baukunst erhoben haben, für die neuen Bedürfnisse vorbildlich sein können.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Bäder und Badeanstalten