Die fünf Gläser - Ernst Moritz Arndt (1769-1860)

Arndt, Ernst Moritz (1769-1860) Schriftsteller, Dichter, Politiker

Mein erstes Glas, mein bestes Glas,
Für des Gelags Genossen,
Für die vieltausend Mal das Fas,
Sich lustig leer geflossen,
Die vor dem Zapfenloch’ so gern
Gejubelt und gesündigt.
Und welchen oft der Morgenstern
Bei’m Weine den Tag verkündigt.


Mein zweites Glas, mein schönstes Glas,
Für Bacchus und Cytheren;
Wer je als Held beim Trunke saß,
Der hält sie hoch in Ehren.
Kein Herz ist fest vor Hieb und Stich,
Das Bacchus Kraft bezwungen,
Doch haben sie beim Wasser sich
Nie hohes Lob errungen.

Der Freundschaft dieses dritte Glas
Zur Heiligung des Festes;
Durch sie bezwang der Hölle Hass
Mit Pylades Orestes.
Durch sie ist manche Männerbrust
Zur Götterheimat worden,
Und sie versammelte in Lust
Auch diesen Zecher-Orden,

Mein viertes Glas, ein heil’ges Glas,
Soll vollen Klangs erschallen
Für die, so im Tyrannenbass
Für’s Vaterland gefallen;
Für die auch, die im Sorgenhass
Den Wein auf Fässer fassten
Und jubelnd bei dem vollen Glas
Hinsanken und erblassten.

Mein fünftes Glas, mein letztes Glas,
Die heil’ge Fünfe lebe;
Es grün’ und blüh’ ohn’ Unterlass
Der süße Strauch der Rebe!
Es blühen Mädchen rosennjung
Mir noch bei’m grauen Haare,
Und Becherklang und Sang und Trunk
Begleite mich zur Bahre.

*) Für vier Stimmen komponiert von J. E. Leonhard.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Bacchus Buch des Weins