BAYREUTH. OFranken BAmtsstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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BAYREUTH. OFranken BAmtsstadt.

Stadt-K. Von dem Bau des 13. Jh. vielleicht die Fundamente der WTürme; sonst Neubau, beg. E. 14. Jh. mit dem Chor, Hauptzeit 1438-68. Mittelgroße 6jochige Basilika, Chor in der Höhe des Msch. 2 Joche und 5/8 Schluß. Netzgwb. 17. Jh. Imponierende weiträumige Verhältnisse, Formen [pg 47] äußerst nüchtern. Das Äußere, ernst und kraftvoll, verrät wenig die Entstehungszeit. Besonders bmkw. die nachdrückliche Behandlung des Strebewerkes mit offenen Bögen; an den Fenstern mäßige Verwendung von Fischblasen. Brauttür am Treppen-Turm der Sakristei 1575. — Die Türme 5geschossig geteilt durch Maßwerkfriese; kurze oktogonale Aufsätze mit welschen Hauben 1621. — Das Innere durch die Rest. des 19. Jh. seiner prächtigen Barockausstattung beraubt; nur der treffliche Hochaltar von 1615 und der gleichzeitige Taufstein mit Reliefs von H. Werner erhalten. Die wenigen übrig gebliebenen Statuen an den Chorstreben A. 15. Jh. geringwertig.

Schloß-K. 1753 von St. Pierre; einfacher, niedriger Saal mit Flachdecke; durch modernen Anstrich ernüchtert; die leichte zierliche Stuckierung von Martino Petrozzi. Gruftkap, für das Markgrafenpaar Friedrich und Wilhelmine in trockenstem Zopf.

Spital-K. 1748 von St. Pierre; über dem schlichten quadr. Raum Deckenbild von Wunder.

Ordens-K. in S. Georgen. Als Kapitels-K. des Ordens »de la sincérité« (nachmals Roten Adlers) 1705-11 von G. v. Gedeler. Griechisches Kreuz mit Emporen. Stuckaturen und Malereien von einheimischen Meistern. Im Aufriß toskanische Pilaster. (In der Sakristei interessantes Gemälde von H. S. Beham, früher in der fürstl. Loge der Stadt-K.)

Betsaal der Gravenreuther Stiftung 1741 von J. G. Weiss.

Kanzlei. 1625 von Abraham Schade. Streng klassizistische, die niederländische Schulung Schades verratende Formen. Die Temperantia und Justitia über dem gebrochenen Portalgiebel von Abr. Gross aus Kulmbach (vgl. dessen Arbeiten am Rathaus zu Nürnberg). Im 18. Jh. die Fassaden symmetrisch verlängert.

Altes Schloß. Vom Bau des 16. Jh. der Mauerkern des 8eckigen Turms; die fahrbare Schneckenstiege 1610; das Sonstige, Umbau und Erweiterung seit 1667. Unregelmäßiges, nach dem Marktplatz (»Maximilianstr.«) offenes Quadrat. Die Fassaden von dem Hugenotten Ch. Ph. Dieussart. Auffallender Weise hat das Erdgeschoß die reichste Behandlung: gequaderte dorische Pilaster, über den Fenstern Medaillons mit Büsten, alles in vortrefflich reiner, strenger Zeichnung; das Mittel- und Obergeschoß nur in Verputz, ohne Pilaster und Gesimse. Nach dem Brande 1753 z. T. Ruine. Im Innern nur ein Treppenaufgang alt.

Neues Schloß. 1754 von St. Pierre. Lang gestreckt, wenig tief, nur der 3 achsige Mittelbau in bedeutenderen Architekturformen[pg 48]. Eingangshalle und Treppenhaus verhältnismäßig bescheiden. Die Wahl der Gemächer ist groß, ihre Ausstattung entfernt nicht so prunkvoll wie etwa in den geistlichen Fürstensitzen aus der ersten Jahrhunderthälfte. Die Mittel waren geringer, doch auch der Geschmack in der Wendung zum Intimen und Natürlichen. Im Festsaal Wandgliederung durch gekuppelte korinth. Pilaster von schwachem Relief; das Gebälk nicht verkröpft; Rokokoornament (von Petrozzi) nur an der flachen Hohlkehle; das Deckengewölbe (von Wunder) jetzt übertüncht. Hervorzuheben noch das Spalierzimmer, das Musikzimmer, die mit Cedernholz vertäfelte Speisegalerie. — Ursprünglich alleinstehend der 1759 errichtete »italienische Bau«; der von Petrozzi dekorierte Festsaal gibt eine wohlgelungene Verschmelzung von Rokokoformen mit Barockerinnerungen.

Opernhaus. 1744-48, Fassade von St. Pierre, innere Einrichtung von Carlo Bibiena aus Bologna nach Entwurf seines Vaters Giuseppe. Die Bühne überrascht durch ihre Tiefe (30 m), die ebenso groß ist, als die des Zuschauerraums. Der letztere im Gr. überhöhter Halbkreis, 3 Reihen Logen und vorgebaute Parterreloge, zu der Rampentreppen hinaufführen. Das Parterre verhältnismäßig klein. Der Bühne gegenüber die Fürstenloge, zu beiden Seiten der Bühne Trompeterlogen. Das Ganze für die Hofgesellschaft, die sich selbst ein Schauspiel neben dem Schauspiel auf der Bühne war, der denkbar prächtigste und charakteristischste Rahmen. Die Flüchtigkeit der Ausführung bei der schwachen Beleuchtung damaliger Zeit nicht störend. Farbe: blaugrauer Grundton mit ockergelbem, in den plastischen Teilen vergoldetem Ornament. Der Stil hat weder mit dem französischen Louis XV. noch mit dessen deutschen Parallelen etwas gemein; er ist nicht »Rokoko«, sondern eine spielende Abart des italienischen Barock, in der immer noch viel mehr konstruktive Konsequenz übrig geblieben ist, als das Rokoko duldet. — Die Seltenheit der Erhaltung von Theatern aus dem 18. Jh. verleiht dem Bayreuther erhöhten Wert.

Kaserne. 1740 von J. F. Graul; großer 3flügeliger Bau von geschickter Massenverteilung.

Privathäuser. Ein älterer Typus, durch Vorliebe für mehrstöckige Erker gekennzeichnet, dauert bis ins 18. Jh., z. B. Rathaus an der Maximilianstr. Ihm tritt unter Markgraf Friedrich ein neuer, französisierender entgegen; Hauptmeister St. Pierre und besonders Karl Philipp Gontard. Die splendide Ausführung in Sandsteinquadern heute durch starke Rußschwärzung beeinträchtigt. Von St. Pierre: Friedrichstr. 2 und 7.
[pg 49]

Von Gontard: Hofapotheke Palais Reitzenstein Luitpoldplatz 15, Haus der Gesellschaft Harmonie beim alten Schloß, in der Nähe sein eigenes Haus.

Reiterstandbild für Christian Ernst 1698 von Elias Ränz nach Entwurf von Leonhard Dientzenhofer; früher vor dem alten, jetzt vor dem neuen Schloß; eine wunderlich überfüllte und dadurch kleinlich wirkende Barockkomposition.

Markgräfliche Schlösser in der Umgegend:

St. Georgen. 1725 von J. D. Ränz d. J. Nur als Bruchstück erhalten (jetzt Zuchthaus). Die Fassade läßt den (durch Decker vermittelten) Zusammenhang mit Schlüter erkennen; der Fries und die neuerfundenen Kaptt. der Pilaster erinnern an den von Georg Wilhelm gestifteten Orden des Roten Adlers. Der prunkvolle Festsaal soll demnächst hergestellt werden.

Eremitage. Für bestimmte Seiten der Kultur des 18. Jh. eine Illustration von kostbarer Unmittelbarkeit; weniges dergleichen hat sich so gut erhalten. Begonnen von Georg Wilhelm ca. 1720. Eine mit pedantischem Ernst durchgeführte Maskerade. An einem nicht großen länglichen Hof liegen die »Zellen«, in die sich die Herren und Damen des Hofes als »Eremiten« zurückzogen; daher die wilde Rustikaarchitektur. Die Markgräfin Wilhelmine schuf sich hieraus (seit 1736) einen Ruhesitz, in dem die Sehnsucht nach einem natürlicheren Lebenszustand feiner, nach unserem Gefühl immer noch mit reichlich viel theatralischer Appretur, zum Ausdruck kommt. Die ältere Einrichtung blieb erhalten in den beiden Schmalseiten, dem Grottensaal und dem »Refektorium«; letzteres aus kostbarem Marmor; die Absicht, phantastisch zu wirken, bringt es nur zu schwerfälliger Willkür, in den Gemächern Wilhelminens herrscht Anmut und Behagen; eine Meisterleistung feinen Geschmacks namentlich das Musikzimmer, echtes Rokoko, also ganz ohne Architekturformen, nur Rahmenwerk und Füllungen. Das obligate Chinesische Zimmer ist dadurch ausgezeichnet, daß die Flachrelieftafeln wirklich chinesisch sind. Die Porträts nur historisch von Interesse und ihre Benennung nicht überall gesichert. — Aus den 40er Jahren die »Orangerie«, erbaut von St. Pierre. Eine im Halbkreis angeordnete Kolonnade, dahinter kleine Zimmerchen; im Scheitel eine Unterbrechung, in welcher als selbständiger kleiner Zentralbau der »Sonnentempel« steht. Den regelrecht durchgeführten Architekturformen ist auch hier ein phantastisches Element zugesellt, indem die Säulen eine Inkrustation von bunten Kieseln, Glasschlacken und Bergkristall tragen. Dagegen das Innere des Sonnentempels sehr ernsthaft und imposant. (Der reiche Skulpturenschmuck [pg 50] nicht mehr vorhanden.) Einige Plafonds der kleinen Gemächer haben eine Stuckdekoration von bezaubernder Grazie, leicht hingeworfene Blumenranken, farbig auf weißem Grund, das Relief von schärfster Präzision, als wäre es Porzellan (als Ausführende werden Italiener genannt). Erst aus den 70er Jahren dürfte das »Gartenzimmer« stammen, an dem der modernste »Amorphismus« noch viel zu lernen hätte. — Die Gartenanlagen unter dem letzten Markgrafen »englisch« umgearbeitet; daher die Grottenarchitekturen und Wasserkünste in ihrem Zusammenhange nicht mehr verständlich.

Fantaisie. Begonnen unter der Markgräfin Wilhelmine († 1758), vollendet 1765 (von Rud. Heinr. Richter?). Ein Schlößchen im Sinne des vordringenden Klassizismus; seither mehrfach verändert.

Sanspareil. Park mit allerlei Grottenarchitektur, Naturtheater usw. Reflex von Fénélons Telemach. In vollem Verfall.