Auszug aus dem „Unparteiischem und freimütigen Gutachten über die Anmaßungen der Stadt Rostock, in Ansehung der Handlung, gegen ihre Mitstände“.

Neue Monatsschrift von und für Mecklenburg Bd 3 1790
Autor: Bärensprung, Christian Johann Wilhelm (1737-1801) Herausgeber und Hofdrucker in Schwerin, Erscheinungsjahr: 1790
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Hansestadt Rostock, Hanse, Handelsvorteile, Handelszölle, Handelswaren, See-Handel
Dies Gutachten ist von den Vorstehern und Lehrern der Hamburgschen Handlungsakademie, den Herren Prof. Büsch, Prof. Ebeling, Brodhagen und Sander auf Verlangen der Magistrate der Vorderstädte Parchim und Güstrow aufgesetzt. Es sei nur erlaubt, einen kurzen Auszug aus dieser wahrhaft unparteiischen und freimütigen Schrift, so weit es die Einrichtung derselben verstattet, zu liefern, wobei ich mich aber außer einigen beifälligen Gedanken aller Urteile enthalte, als die billig denen überlassen bleiben, welche ein näheres Interesse an dem ganzen Streit haben, als der Epitomator, der bloß die nähere und weitere Bekanntmachung dieses merkwürdigen Aktenstücks beabsichtigt.

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Zuförderst verbitten sich die Herren Verfasser (oder vielmehr Hr. Prof. Büsch, der die Feder geführt zu haben scheint), dies Gutachten nicht als ein eigentliches rechtliches Bedenken anzusehen, sondern sie wollen nur teils ein historisches Licht über die ganze Angelegenheit verbreiten, teils aus dem veränderten Gang der Handlung zeigen, dass alle dergleichen Anmaßungen, als man der Stadt Rostock Schuld gibt, jedem Staat nachteilig und selbst der Stadt minder zuträglich, als in ältern Zeiten, sein — nach S. 1. und 2. finden sie in den Bemühungen der Stadt Rostock, sich die Rechte zuzueignen, dass 1) nur Rostocksche dort angesessene Bürger sich des Hafens Warnemünde zum See-Handel bedienen sollen, dass 2) kein mecklenburgischer Untertan seine Güter durch die Stadt bis an die See verführen solle, dass 3) kein Gast mit Gast außer dem Jahrmarkt in Rostock handeln, folglich 4) kein Kommissions- vielweniger ein Speditionshandel mit Gütern aus dem Lande Seewärts aus oder von der See her ins Land Statt haben solle — in diesen Bemühungen der Stadt finden sie Überbleibsel alter Bestrebung nach solchen Vorrechten, dergleichen die Städte Deutschlands sich in jenen Zeiten erwarben, als noch die gute Handlungspolitik so wenig bekannt, und der Gang der Handlung überhaupt so ganz von demjenigen verschieden war, den sie in neuern Zeiten gewonnen hat. Dem vormaligen Gang der Handlung, sagen sie, war es angemessen, dass die Hansestädte alles Gewerbe, das durch sie ging, auf solche Art an sich zu halten suchten, dass der ganze Vorteil ihnen verbliebe. Nachdem dies weiter ausgeführt ist, so wird von S. 5. bis 7. gezeigt, dass die Stadt Rostock keine auf Handlung und Schiffart eigentlich gestiftete Stadt sei, und dass die Verteidiger der Rostockschen Anmaßungen sich gar nicht auf die Begünstigung des Fürsten Burewin im Jahr 1252 berufen könnten, indem die Worte des Privilegiums das gar nicht besagten, was man daraus herleiten wollte. S. 7. und 8. wird erzählt, wie in den Städten die Jura Propolii, Monopolii und Emporii entstanden wären, und wie gut die Städte, die sich dergleichen Jura erworben hätten, tun würden, wenn sie alle dem Exempel Hamburgs folgten, das, durch bessere Einsichten geleitet, sein außer allen Streit gesetztes Jus emporii aufgegeben hätte. Die Stadt Rostock, fahren sie fort, zeigt sich bisher noch von solchen Gesinnungen entfernt. Sie hat aber, wie ihr auch in der noch ungedruckten sogenannten Nähere Beprüfung vorgehalten worden, und wie auch sehr gegründet ist, weder landesherrliche Verleihungs-Gnaden- oder Freiheit-Briefe, die ihr ein Recht zur Ausschließung ihrer Mitstände erteilt hätten, noch einen Vergleich mit diesen, noch eine Entsagungs-Akte derselben, wodurch sie sich der natürlichen, bürgerlichen und vaterländischen Rechte und ihrer zustehenden Befugnis begeben hätten, vorgezeigt. S. 9. räumen die Herren Verfasser ihr doch ein, dass auch ohne förmliche Erteilung eines Rechts die natürliche tage dieser Stadt zu einem Stapelort für Mecklenburg bestimmt habe, welche Einräumung sich auf folgendes Räsonnement gründet. Zwischen Wismar und Stralsund hatte das mecklenburgische Seeufer nur diesen einen Hafen von Belang. Der Mühlendamm, der die kurze Fahrt auf dem Fluss Warnow von der See abgeschnitten hat, machte und macht noch eine Umladung der Güter auf der Warnow auch ohne Stapelgerechtigkeit notwendig. Rostock ist also nicht vom Fürsten, nicht von der Natur zum Stapelplatz gemacht, sondern ein rohes Werk der Kunst hat das getan. Wäre die Warnow schon damals, als der Damm gemacht wurde, von den Einwohnern Mecklenburgs wirklich angewandt worden, um ihre Produkte der See zuzuführen, so wärt der anfangenden Stadt Rostock die Abdämmung der Warnow nimmer verstattet worden. Eben an diesen Damm hat sie nun nachher bei jeder Gelegenheit das Jus Emporii in einer fast unerhörten Ausdehnung anzuknüpfen gesucht. Am glücklichsten ist sie darin 1788 durch die §§. 138. und 139. des Erbvertrags gewesen, wenn gleich diese §§. ihren Mituntertanen keine Verbindlichkeiten auflegen können.

Nun machen die HHrn. Vf. auf S. 10. eine Abschweifung auf die Städte Cölln und Hamburg, die im Besitz des Stapelrechts sind, und kommen sodann S. 11; auf Rostock zurück, und zwar auf das erste Recht, auf dessen Besitz Rostock besteht, dass nämlich, nach den Worten des Erbvertrags, keiner, das heißt nach den darüber gewechselten Schriften und Akten zu urteilen, kein Mecklenburger, denn nur ein in Rostock selbst wohnender Stadtbürger sich des Hafens zum Handel soll bedienen dürfen, obgleich den Schiffen andrer Staaten Rostock keinesweges wehrt, ihre Frachten in diesem Hafen auszuladen. Und Retour-Frachten zu suchen. Der Vorteil, heißt es, welcher ein Staat von der Schifffahrt hat, wird aus beiden Seiten nicht aus dem rechten Gesichtspunkt betrachtet, und deswegen wird von S. 11. bis 13, der rechte Gesichtspunkt festgesetzt, auch das Argument der Stadt Rostock, dass ihr die Unterhaltung des Hafens unendlich schwere Summen koste, und dass sie darum auf privative Hafengerechtigkeit bestehen könne, durch ein von Hamburg und Altona hergenommenes treffendes Beispiel entkräftet.

Von S. 14. an wird das Zweite, dritte und vierte vermeintliche Recht der Rostocker beleuchtet. Folgende allgemeine Bemerkungen machen das Unrechtmäßige ihrer Anmaßungen auffallend einleuchtend. Sie haben, heißt es, alle vereint den Zweck, dem Rostocker Kaufmann seine Proprehandlung so zu sichern, dass alles, was als Ware durch Rostock gehe, Rostocker Eigentum sein, oder es werden muss, ehe es weiter geht. Dies war freilich ehedem die fast allgemeine Anmaßung aller Hansestädte. Als Beispiel wird Lüneburg aufgestellt. Aber es ist unbegreiflich, wie gerade noch in jetzigen Zeiten, da andre Deutsche Städte, durch eine bessere Handlungspolitik geleitet, diese Anmaßung längst aufgegeben haben, Rostock ein ihr niemals förmlich erteiltes Recht, das sie nur per possessionem vel qual, besitzt, meiner Ausdehnung geltend machen will, die selbst in jenen älteren Zeiten nicht Statt hatte. Wir können, schreiben sie weiter, das Erstaunen nicht bergen, mit welchem wir folgende Worte in der Schrift eines Verteidiger der Rostocker Rechte lesen: „Natürlich setzt die Accis-Rolle bei dem Worte: Fremdee, terminos habiles, mithin die Qualität, dass der Fremde sich des Rechts zum Handel erfreue, zum Voraus. Hierin ermangelt es Erbvertragsmäßig den Mecklenburgischen Einwohnern gänzlich, und nie war es die Absicht der Accis-Rolle, zur Schifffahrt und zum Handel irgendjemand Rechte und Befugnisse mitzuteilen, der darauf bishero keine Ansprüche hatte, noch machen durfte.“ Solche Sprache, sagen die HHrn. Vf. S. 15. haben wohl nie in einem Staat, wo man wirklich gemeinen Wohlstand durch Handlung und Gewerbeentstehen zu sehn wünschte, Bürger gegen Bürger geführt, dass ein Teil dieser bürgerlichen Gesellschaft, an Schifffahrt und Handel des Staats nicht Ansprache habe, auch nicht einmal machen dürfe. Bei dieser Gelegenheit wird das Unstatthafte der Sprache in den Rostocker Aufsätzen gerügt, in welcher man von allen Mecklenburgern beständig als von Fremden redet, als wenn gar kein gemeines Band bürgerlicher Gesellschaft zwischen beiden Teilen bestünde, gar kein gemeinsames Interesse Statt hätte, und sodann wird die Inkonvenienz gezeigt, die daraus entsteht, dass die Fürsten vordem das Lübsche Recht, das Recht einer freien Reichsstadt, einer medialen Erbuntertänigen Stadt verliehen haben. Gewiss, setzen sie hinzu, würde der Fürst bloß des Statuts wegen: Gast soll nicht mit Gast handeln, die Erlaubnis, sich des lübschen Rechts zu bedienen, nie gegeben haben, wenn er dabei auf andre Gäste, als Leute fremder Botmäßigkeit, Schweden, Dänen, Pommeraner, Holsteiner usw. hinausgedacht, wenn er voraus gesehen hätte, dass diese Stadt darihr ganz fremde Menschen ansehen, behandeln und sie von allen billigen und natürlichen Vorteilen des durch sie hingehenden Handels ausschließen würde? Freilich sei es, sagen sie S. 16. ein anders, dass Gast nicht mit Gast, dass selbst ein Mecklenburger, mit dem andern oder selbst mit ihren Einwohnern nicht im Kleinen oder Detail innerhalb oder durch die Stadt solle handeln dürfen, aber der Handel eines Kaufmanns oder Krämers mit dem letzten Verbraucher — und des Kaufmanns oder Güterbesitzers mit dem ausländischen Kaufmann, seien zwei ganz verschiedene Dinge, welches sodann näher erläutert wird. Nun wird die Konvenienz für Rostock und die Inkonvenienz für ihre Mitstände angeführt, dass Rostock seine Anmaßungen vor ausheimischen Gerichten in letzter Instanz verfechten darf, wo die Gründe der Entscheidung vorzüglich in dem Römischen Recht gesucht werden mögten, das bekanntlich für Handlungssachen nichts angibt, oder in Reichskonstitutionen, die wenig von demjenigen angeben, was für das gemeine Beste der Medialstände zuträglich ist. Doch trösten sie sich mit den in dem sogenannten Vorbehaltnen Nachtrag angezogenen vielen und bündigen Reichsgesetzen, welche die höchsten Reichsgerichte auch in dem vorliegenden Fall geltend zu machen wissen würden. S. 17. Die Stralsunder maßten sich vordem ähnliche Vorrechte gegen die Rügianer an, worüber zuletzt beim Wismarschen Tribunal ein Prozess entstand, der 1742 zum Nachteil der Stadt entschieden ward, weil es der Stadt an gültigen Beweisen ihres Rechts fehlte. Überhaupt wird eine weise Stadt-Obrigkeit, meinen sie, alle solche Anmaßungen gerne aufgeben, wenn sie auf den Vorteil des Ganzen sieht. Hamburg ist dadurch kein Schade entstanden, dass der König von Preußen durch die wieder in Gang gebrachte Stapelgerechtigkeit der Stadt Magdeburg aller Hamburger Schifffahrt auf der Ober-Elbe ein Ende gemacht hat. Rostock hingegen hat keine Vorteile beim Bestehen auf ihre Rechte gefunden. Schon 1707 wehrte sie einem Herrn von Plessen, sein Holz über See zu verschiffen. Aber dadurch ist sie keineswegs zu einem beträchtlichen Holzhandel gelangt. Noch vor kurzem wehrte sie dem Herrn Crotogino in Güstrow seinen vorhabenden Handel mit Malz über See. Aber Rostock ist dadurch nicht zu einem Handel mit Mal; gelangt — Der größten Aufmerksamkeit wert ist die Digression S. 18. von dem Verhältnis Hamburgs gegen Lübeck und Rostock. Weil, heißt es, Lübeck dabei verbleibt, dass sie ihren ungeheuren Transitohandel, dessen Belauf in Waren aller Art nach sichern Datis auf 20.000 Last im Jahr steigt, mit einem Zoll belastet, der im Durchschnitt 2 Prozent des Werts beträgt, so steht sie vor dem Punkt, eine merkliche Abnahme ihres Gewerbes entstehen zu sehn. Der Hamburger, ohne sich an das schwesterliche Band beider Städte zu kehren, würde alles lieber über Kiel gehen lassen, das diesen Zoll und mehrere in Lübeck nach alter Sitte bestehende Handlungsunkosten nicht hat, wenn diese Stadt selbst mehr Kaufleute hätte, die sich des Transit-Handels gehörig annehmen könnten, und die Gegend Fuhrwerk genug hätte. So aber bedient er sich jetzt schon sehr des holsteinischen Kanals. Er wird seinen Vorteil dabei finden, sich in einem Teil des Gewerbes an Rostock zu halten, wenn es dazu kommt, dass man die Elde schiffbar macht, und man alsdann in Rostock klüger wird, und wahre Vorteile der Handlung von scheinbar wichtigen unterscheiden lernt. Nun wird ferner S. 19. sehr treffend gezeigt, dass es für eine Stadt, die eine Handels-Stadt sein will, vergebens sei, auf seinem alten jetzt nicht mehr anwendlichen Rechten bestehen zu wollen, da sich der Gang des Handels überall so sehr geändert habe. So wird also auch Rostock, setzen sie hinzu, so lange es auf seinen alten Anmaßungen besteht, den Anteil, den es an dem Ostsee-Handel nehmen kann, von sich entfernen.

Hansestadt Rostock, Große Wasserstraße mit Kerkhoffhaus (1470) Sommer 1968

Hansestadt Rostock, Große Wasserstraße mit Kerkhoffhaus (1470) Sommer 1968

Rostock - Kröpeliner Tor

Rostock - Kröpeliner Tor

Rostock, Lange Straße, Marienkirche in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts

Rostock, Lange Straße, Marienkirche in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts

Hansestadt Rostock, Neuer Markt (zum Zeitpunkt der Aufnahme: Erst-Thälmann-Platz) 1967

Hansestadt Rostock, Neuer Markt (zum Zeitpunkt der Aufnahme: Erst-Thälmann-Platz) 1967

Rostock, Neuer Markt mit Blick auf Marienkirche

Rostock, Neuer Markt mit Blick auf Marienkirche

Rostock, Neuer Markt mit Ladenzeile 1967

Rostock, Neuer Markt mit Ladenzeile 1967

Hansestadt Rostock, Giebelhäuser und Marienkirche

Hansestadt Rostock, Giebelhäuser und Marienkirche

Hansestadt Rostock, Unterwarnow, Pionierschiff mit Blick auf Petrikirche, 1962

Hansestadt Rostock, Unterwarnow, Pionierschiff mit Blick auf Petrikirche, 1962

Rostock, Stadthafen, 1968

Rostock, Stadthafen, 1968

Rostock-Warnemünde, Alter Strom, Eisgang 1968

Rostock-Warnemünde, Alter Strom, Eisgang 1968

Hansestadt Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968

Hansestadt Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968

Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968

Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968

Rostock, Kliffküste Stoltera, Neujahr 1968

Rostock, Kliffküste Stoltera, Neujahr 1968