Rabbiner
Als Anfang Mai der Ausweisungsbefehl für sämtliche Juden im Gouvernement Kowno erging, musste auch seine Gemeinde wandern. Alles raffte in Angst die Habseligkeiten zusammen, um möglichst schnell mit Wagen und Pferden in Sicherheit zu kommen. Da gab der Rabbiner bekannt, dass jeder der in rüstigen Jahren steht, und einen Wagen besteige, solange nicht die Thorarollen, die Frauen und Kinder, die Alten und die Kranken geborgen seien, vom Bann betroffen werde. Die Gemeinde gehorcht und fast alle Kranken und Gebrechlichen können außer den Thorarollen auf den Wagen weggebracht werden. Da schickt die Gemeinde Riga dem geachteten Rabbiner Wagen und Pferde, dass er sich selber rette und nach Riga komme. Sieben Wagen mit Pferden wurden ihm von sieben Gönnern geschickt. Der Rabbiner lässt die letzten Frauen und Kinder die Wagen besteigen, leitet die Flucht der Gemeinde bis zum letzten Augenblick und geht ohne Essen und Trinken einen Tag und eine Nacht und wieder einen Tag zu Fuß nach Riga.
Die Ehrfurcht vor dem Rabbiner und die religiöse Lebensführung ist aber nicht immer mit Würde im Gotteshaus oder beim Gottesdienst verbunden: Die Stimmen der „Jüngel“ heben sich beim Gottesdienst kreischend hervor, die Männer gehen beim Gebet durch die Reihen auf und ab, Taschentücher und ihr
Gebrauch sind wenig gekannt. Ich hatte in Wilkowischky im Auftrage der Zivilverwaltung eine Versammlung aller männlichen Gemeindemitglieder zum Zwecke der Organisation der Gemeinde einberufen. Der Kreisamtmann hatte sein Erscheinen zugesagt, und als ich kurz vor der anberaumten Zeit in die geschichtlich und baulich beachtenswerte hölzerne Synagoge kam, in der die Versammlung stattfinden sollte, standen im Vorraum noch einige Juden. Einer warf den brennenden Zigarettenstummel auf den Boden des Vorraumes, und ich konnte meine Verwunderung darüber nicht verschweigen. Da trat ein schlagfertiges Gemeindemitglied an mich heran und meinte: „Herr Rabbiner, bei Ihnen in Deutschland ist bessere Ordnung, aber wir sind täglich und den ganzen Tag in der Synagoge. Bei Ihnen geht man seltener; wenn man nur Besuch macht in einem fremden Haus wie bei Ihnen in Deutschland, nimmt man sich zusammen und benimmt sich anständig; wir sind mit dem lieben Gott so bekannt und in der „Schul“ so zu Haus, dass man sich’s schon bequemer und gemütlicher machen kann.“ In den kleinen Städtchen sind die Synagogenbauten- und Einrichtungen über alle Maßen einfach. Nur in den größeren Städten ist neben der kleinen heizbaren „Winterschul“ eine größere und besser ausgestattete „Sommerschul“ zu finden. Die Beter nehmen regen Anteil am Gebet und folgen mit Begeisterung und Verständnis dem Vortrag eines guten Vorbeters. In Wilna kam am Vorabend des Simchat-Thorah-Festes die Begeisterung für den Vortrag des außergewöhnlich guten Vorbeters sogar in lautem Händeklatschen und Zuruf zum Ausdruck.
Die Ehrfurcht vor dem Rabbiner und die religiöse Lebensführung ist aber nicht immer mit Würde im Gotteshaus oder beim Gottesdienst verbunden: Die Stimmen der „Jüngel“ heben sich beim Gottesdienst kreischend hervor, die Männer gehen beim Gebet durch die Reihen auf und ab, Taschentücher und ihr
Gebrauch sind wenig gekannt. Ich hatte in Wilkowischky im Auftrage der Zivilverwaltung eine Versammlung aller männlichen Gemeindemitglieder zum Zwecke der Organisation der Gemeinde einberufen. Der Kreisamtmann hatte sein Erscheinen zugesagt, und als ich kurz vor der anberaumten Zeit in die geschichtlich und baulich beachtenswerte hölzerne Synagoge kam, in der die Versammlung stattfinden sollte, standen im Vorraum noch einige Juden. Einer warf den brennenden Zigarettenstummel auf den Boden des Vorraumes, und ich konnte meine Verwunderung darüber nicht verschweigen. Da trat ein schlagfertiges Gemeindemitglied an mich heran und meinte: „Herr Rabbiner, bei Ihnen in Deutschland ist bessere Ordnung, aber wir sind täglich und den ganzen Tag in der Synagoge. Bei Ihnen geht man seltener; wenn man nur Besuch macht in einem fremden Haus wie bei Ihnen in Deutschland, nimmt man sich zusammen und benimmt sich anständig; wir sind mit dem lieben Gott so bekannt und in der „Schul“ so zu Haus, dass man sich’s schon bequemer und gemütlicher machen kann.“ In den kleinen Städtchen sind die Synagogenbauten- und Einrichtungen über alle Maßen einfach. Nur in den größeren Städten ist neben der kleinen heizbaren „Winterschul“ eine größere und besser ausgestattete „Sommerschul“ zu finden. Die Beter nehmen regen Anteil am Gebet und folgen mit Begeisterung und Verständnis dem Vortrag eines guten Vorbeters. In Wilna kam am Vorabend des Simchat-Thorah-Festes die Begeisterung für den Vortrag des außergewöhnlich guten Vorbeters sogar in lautem Händeklatschen und Zuruf zum Ausdruck.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus meinen Erlebnissen bei den Juden in Russisch-Polen. - Litauen