Aus der „guten alten Zeit“. Eine Erinnerung von Ernst Förster.*)

Aus: Die Gartenlaube, Illustriertes Familienblatt. Nr. 1. 1864. – Herausgeber Erst Keil.
Autor: Förster, Ernst Dr. (188-1885) Maler, promovierter Kunsthistoriker, Kunstschriftsteller und Dichter, Erscheinungsjahr: 1863

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Reisen, Wanderung, Lustreise, Tirol, den Ranzen auf dem Rücken, Polizeistaat, Polizeiwillkür, Dorfwirtschaft, Budweis, Studenten, Wanderschaft, Reisegefährten, Rasttag, Pustertal, Clausen, Bozen, Reisezeit, Reiseziel, Gmunden, Traunsee, Kloster Seben, Brixen, Linz, Kerker, Gefängnis, Sträfling, Gefangener, Armesünderkarren, Salzburg
*) Mit dem Verfasser, dem in München lebenden bekannten trefflichen Künstler und Kunstschriftsteller, glauben wir bei der im Augenblick von Neuem so rüstig vorschreitenden Reaktion die Mitteilung dieser interessanten Erinnerung an die Metternich’sche Polizeiperiode zwar ganz an ihrem Platze, hegen aber doch noch nicht die Befürchtung des Autors, dass eine Wiederkehr von Zuständen, wie die hier geschilderten, noch möglich sei. D. Red.

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Inhaltsverzeichnis
Ich war im Jahre 1820 Student an der Berliner Hochschule, hörte die Vorlesungen von Schleiermacher, Hegel, Ermann, Tollen u. A. und war Mitglied des philologischen Seminars. In letzterer Eigenschaft ward ich für eine philologische Abhandlung „De expeditione Bacchi in Indiam" mit dem großen Preis beehrt; er betrug außer der Belohnung ein Geschenk von dreißig Thalern, eine für meine Verhältnisse und Lebensgewohnheiten nahebei kolossale Summe. Über ihre vernünftigste Verwendung war ich nicht lange im Zweifel. Das Sommersemester war zu Ende; eine ausgedehnte Ferienreise entsprach so sehr meinem Verlangen, Deutschland nach allen Richtungen kennen zu lernen, dass ich sogleich einen Plan entwarf, und — da ich bereits Rhein und Schweiz besucht — Salzburg und Tirol als Ziele aufstellte. Den Ranzen mit Kleidern, Wäsche, Schreib- und Zeichen-Materialien auf dem Rücken, trat ich meine Wanderung an einem schönen Augustmorgen an und ging zunächst, um meine Mutter zu besuchen, nach Altenburg. In Leipzig war ich mit den jungen Fürsten Schwarzenberg zusammengetroffen, deren Einer (der bekannte „Landsknecht") mich nach wenig Tagen durch eine Depesche — welch' ein Aufsehen in damaliger Zeit! — einlud, in seiner Gesellschaft nach Prag zu reisen. Er ging als Courier, und selten habe ich einen Weg von solcher Länge in angenehmeren Verhältnissen zurückgelegt. Abgesehen von dem Vorausgefühl einer Eisenbahnfahrt, an die damals noch Niemand denken konnte, war mir die Beseitigung aller Pass- und Mautplackereien eine hohe Annehmlichkeit, und die heiterste Laune und gutes Wetter machten die Reise zur Spazierfahrt.

In Prag fand ich den jungen Grafen Franz Colloredo Mannsfeld, den ich von früher her kannte, und da auch er eben im Begriff war, eine Reise nach Salzburg und Tirol anzutreten, war er rasch entschlossen, mit mir zu gehen, obschon sein Reisewagen gepackt stand und ich auf Fußwanderung drang. Er ließ seinen Gouverneur im Reisewagen nach Linz fahren und ging mit mir und noch einem Prager Studenten, E. Pichler, auf der Budweiser Straße durchs Böhmerland, auf welchem Wege wir mehrfach Gelegenheit hatten, die verschmitzte Brutalität des czechischen Landvolks, sowie die Borniertheit der Polizeibehörden kennen zu lernen. Mussten wir, doch in einem Dorfwirtshause Strafe zahlen, weil wir die Wirtin gegen Gewalttätigkeiten der Bauern in Schutz zu nehmen versucht: 25 fl., in die sich vor unsern Augen Schulze und Bauern teilten! Ja, in Budweis wurde mir gar die Aufnahme einiger architektonischer Ornamente im Kreuzgang eines Klosters von Polizeiwegen verwehrt! Aber bald sollten wir von österreichischer Polizei noch andere Annehmlichkeiten erfahre».

In Linz verlangte der Polizei-Kommissär von Colloredo, er solle mit seinem Gouverneur Weiterreisen, und erst auf die Drohung des Grafen, er werde dies sogleich seinem Vater (dem Generalfeldzeugmeister in Wien) melden, erhielt er die Erlaubnis, die Reise mit mir fortzusetzen. Der Gouverneur aber, ein alter, schwächlicher Herr, trat — nachdem er seinen Zögling mir auf die Seele gebunden - seinen Rückweg nach Prag an.

Es folgten nun Tage der seligsten Reisezeit. Begünstigt vom herrlichsten Wetter, voll jugendlicher Empfänglichkeit für alles Schöne, Große und Gute, schwelgten wir in den Gaben, welche die wunderreiche Natur des Salzkammergutes bietet. Wir durchschifften die Seen, erstiegen die Alpen, fuhren in die Schächte der Salzbergwerke, lernten das Leben in den Sennhütten kennen, kletterten mit den Jägern den Gämsen nach und kehrten immer wieder nach Gmunden am Traunsee zurück, wo wir von den Bewohnern des Städtchens uns wie liebe Freunde und Verwandte behandelt und selbst zu Familienfesten gezogen sahen.

Bozen

Bozen

Brixen

Brixen

Innsbruck

Innsbruck

Meran

Meran