Aus der Rostocker Heide

Autor: Archiv für Landeskunde in den Herzogtümern Mecklenburg. Jahrgang 18, Erscheinungsjahr: 1868
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Rostocker Heide, Stadtwald, Forstwirtschaft, Jagd, Wildtiere, Waldwirtschaft, Waldspaziergang
Die Waldeslust und Liebe ist uns Kindern des Germanischen Stammes angeboren. Die Heine waren unseren heidnischen Vätern die heiligen Stätten ihrer Götter. Aus dem Rauschen der Blätter entnahmen sie ihre Weisungen. Und wie überall so oft im heidnischen Wesen ein Strahl der Wahrheit, so ja auch hier. Im leisen Sausen erkannte der Prophet an dem Berge Horeb, dass der Herr darinnen war. Darum auch hinaus in den Wald zog es die Klausner der mittelalterlichen Kirche; darunter den gewaltigen Bernhard von Clairveaux, dass er noch in späteren Jahren an einen Freund schreibt, was er durch sein Umherstreifen in den heimatlichen Wäldern für sein inneres Leben gelernt und erfahren: „Glaube mir, du wirst etwas mehr in Wäldern, als in Büchern finden. Holz und Stein werden dir predigen, was du von den Weltweisen nicht hören kannst. Glaubst du nicht, dass du Honig aus Felsen und Öl aus dem härtesten Gestein zu saugen vermagst? Träufeln die Berge nicht Süßigkeit? Ergießen die Hügel nicht Milch und Honig? Schwellen die Täler nicht vom Segen der Frucht?“ Darum hinaus in die Waldeinsamkeit zieht es immer das tiefer gestimmte Herz, und froh preist es ein jeder, wenn seinem Heimatorte nahe gelegen ein Gehölz ist, dahin er eilen kann, nach Tages- und Lebenslast und Hitze sich zu erquicken und zu erfrischen, bedauert es schmerzlich, wenn nur Feld und Wiesen sein Dorf oder seine städtischen Mauern umgibt. Unter allen Waldungen aber unseres engeren Vaterlandes, wo leider auch in früheren Jahren und auch noch 1848 so mancher Hochwald unverständlicher Weise ausgerottet ward, gibt es doch noch immer, Gott lob! Heine herrlich und groß. Zu den schönsten Waldungen Mecklenburgs gehört aber unstreitig die große Rostocker Heide mit ihrer gewaltigen meilenweiten Ausdehnung deren Reiz noch dadurch erhöht wird, dass an ihrer Nordwestseite das Meer mit seiner ganzen wunderbaren Majestät die Grenze bildet. Einen begeisterten Schilderer hat dieselbe für die Zeit, wo sie im sommerlichen Schmucke prangte, schon in den „Mecklenburgischen Anzeigen“ an einem hochverehrten Freunde gefunden. Er, der aus eigener Erfahrung den Urwald Amerikas kennt, legt einzelnen Teilen selbst diesen Charakter bei. Nicht ist dem Laien gut mit dem Eingeweihten zu streiten; aber wenn den Freund schon in seiner Illusion die Blechschilds, an die Bäume genagelt zur Bezeichnung jedes Bezirkes, störten, so werden sicher die Herren Forstleute der Rostocker Heide gegen seine Bezeichnung protestieren, die einen Ruhm darin suchen, behaupten zu können, ihre Waldung sei die mit am forstgerechtesten verwaltete des ganzen Vaterlandes. Viel verdankt die Heide und auch die dazu gehörenden Dorfschaften dem früheren Forstinspektor Becker, der Spuren seines segensreichen Wirkens nicht nur in der Forst, sondern auch in ferner liegenden Beziehungen überall hinterlassen hat. Sehr viel hat für die Heide auch der Forstinspektor Garthe getan, dessen anerkannte Verdienste unser Landesherr durch die Berufung aus dem rostock-städtischen Dienst zum Forstrat nach Schwerin bezeugt und geehrt, und sein Bruder und Nachfolger versucht ihm im Eifer für die gute Haltung der Waldung nachzustreben. Zumal ist derselbe bemüht gewesen, auch dadurch für die Stadt Rostock einen höheren Ertrag aus der Heide zu erzielen, dass er dazu den Anstoß gegeben, dass das Brennholz meistbietend im Auktionswege verkauft wird.

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Überall gehört die Rostocker Heide zu den lukrativsten Erwerbungen, welche die Stadt je gemacht. Bekanntlich erwarb sie diese im Jahre 1252 den 25. März, wo sie dieselbe von dem Fürsten Borwin III. gegen 450 Stadt-Pfennige kaufte. „Die Stadt-Pfennige hatten ungefähr einen Silberwert von 7 Thaler Cour.; im Verkehr jedoch damals einen weit größeren Wert, da in der ältesten Zeit der Zinsfuß 15-20 Prozent auf das Jahr, späterhin 10 Prozent war“ (Meckl. J. B. XXl. 25).

Die Grenzen, welche mit geringer Ausnahme noch jetzt dieselben sind, gibt die Urkunde (Urkundenbuch II. Nr. 686 pag. 15) an als: Hinrichsdorf, Mönchhagen, Volkenshagen, dann direkt den Weg, der nach Ribnitz führt, bis an den Ort, wo einst Willehelmus Vulnebretme umgebracht ward, die Hauptwege der Zarnezstrom bis an die Ostsee und dann diese bis zur Warnow. Die hier erwähnte Mordstelle des Wullebretme, dessen Name sich bis heute noch im Volksmunde erhalten, den aber die Sage wunderlicher Weise zu einem Uhrmacher gestempelt, ist nahe dem sogenannten Landkruge an dem alten Ribnitzer Landwege, zwischen jenem und dem Schwarzen Pfost.

Dieser hat nichts, wie man meinen dürfte, mit dieser oder einer ähnlichen Schreckenstat zu tun, sondern hat nach Angabe des dort wohnenden Schmieds und Gastwirtes Stüwe seinen Namen daher, dass früher dort eine schwarze Tafel mit weißen Buchstaben aufgerichtet war, worin das Betteln bei Strafe untersagt ward. Der Zarnezstrom, jetzt Stromgraben genannt, hatte seinen Namen offenbar von der Farbe seines Wassers, das durch den Torfgrund ganz schwarz aussieht. An den Ufern desselben liegt noch jetzt das s. g. schwarze Bruch. Hört Jemand, dass in der Nähe auch eine Zarnowhorst liegt, so lasse er es sich nicht gleich mir, als ich das vernahm, zu der Meinung verführen, dass hier noch der Name aus der alten Zeit sich erhalten. Der Platz hat diese Bezeichnung nach einem Landmesser dieses Namens, der in den 30er Jahren in der Heide Vermessungen vornahm.

Auf diesem Gebiete liegen nun die dem Rostocker Hospital zum Hl. Geiste gehörenden Höfe Purkshof und Jürgeshof, auch in älteren Urkunden Purkshagen und Jörshagen genannt, beide jetzt in Pacht des Herrn von Haefften, des Abkömmlings einer niederländischen Familie, welche sich auf den reformierten Zweig des edlen Geschlechtes der Chatillon nachweislich zurück leitet, obgleich Ducagne denselben nicht anführt. Daher haben auch die Haefften das Wappen jener glorreichen Familie. Der Hof von Jörgshof, den späterhin das Hospital zum Heiligen Geist von Purkshof abgesondert zu verpachten gedenkt, wird jetzt von dem jetzigen Pächter kontraktsmäßig verlegt, aus der Mitte des Feldes an den Saum des Holzes, wo bereits im Laufe des vorigen Sommers zwei Gebäude, eine Scheune und ein Schafstall, aufgerichtet sind. Auch in Purkshof, dessen Katen nach einem Brande 1779 neu aufgebaut, hat Herr von Haefften bereits einen neuen Pferdestall in dieser Zeit erbaut, der sich durch seine praktische Einrichtung und sein sehr gefälliges Äußere gleich auszeichnet.

Auf dem Gebiet der Rostocker Heide gehören dann der Kämmerei Stuthof, Rövershagen, Hinrichshagen, Torfbrüche, Markgrafenheide und die Jägerstellen Schnatermann und Meyershausstelle. Stuthof befindet sich jetzt in Pacht des Herrn Behn, der aber seinen Wohnsitz auf dem zum Amte Toitenwinkel gehörenden Nienhagen hat. In Stuthof ist die Schule für diesen Ort und für die Kinder aus Jörgshof. Der Lehrer, von Hause aus Schneider seines Handwerks, das er aber auf Reklamation der Rostocker Bekleidungskünstler niederlegen musste und dafür, irre ich nicht, durch 20 Rthlr. entschädigt ward, — beweist tatsächlich mit seinen Schülern, dass Pflichttreue und Eifer, mit Liebe gepaart, auch ohne gründliche Vorbildung Tüchtiges zu leisten vermag; das zierliche Aussehen der kleinen Schule ist musterhaft; beim Schreibunterricht z. B. hat jedes Kind einen kleinen abgeschrägten Block mit einer Leiste unten vor sich stehen, den der alte Mann selbst angefertigt, auf welchem die Vorschrift liegt, um nicht durch Halten in der Hand beschmutzt zu werden.

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