Im Januar 1868

Rövershagen zerfällt in 4 Teile: Oberhagen, Mittelhagen, Niederhagen, Wiethagen, und zwei mehr abgesondert liegende Aachen, der eine die Fähre, der andere „uppen Dubenberg“ genannt.

Oberhagen zerfällt in einen Hof und 4 Bauerstellen, 2 Kossaten und die dazu gehörenden Tagelöhner-Wohnungen. Der Hof ist in Pacht eines Herrn Molchin, der im vorigen Jahre daselbst ein neues Haus erbaut hat, das sich durch Geschmack und Komfort gleicherweise auszeichnet. Die Bodenbeschaffenheit soll nicht besonders gut sein. In Mittelhagen liegen außer der Kirche, Pfarre, Küsterei, nahe der Chaussee von Ribnitz nach Rostock, dem Forsthofe 4 Bauerngehöfte nebst den zugehörigen Kathen und mehrere Tagelöhner-Wohnungen. Die Kirche besteht aus einem älteren und einem neueren Teil. Jener, das Chor mit dreiseitigem Abschluss, ist aus Felsen erbaut, dieser aus Backsteinen. Die Fensteröffnungen waren ursprünglich in gleichseitigen Spitzbogen, jetzt sind Rahmen mit Bögen hineingemauert, die vielleicht ehedem einem Konzert- oder Gartensaal Licht gegeben. Nur zwei Fenster am Chorhaupt sind noch unversehrt. Die Laibungen sind mit runden und eingekehlten Gliedern profiliert, ebenso die Pfosten, die sich in drei Bögen zusammenschließen. An einem Strebepfeiler des Chores findet sich in einen Stein die Zahl 1223 in alten arabischen Ziffern eingeschnitten. Etwa das Jahr der Erbauung? Der Altar ist im Barockstil unverhältnismäßig groß, aber doch ziemlich gut gearbeitet. Er trägt die Zahl 1708. Die Altarplatte scheint nach den Votivkreuzen darauf noch die alte zu sein. Zur vorzüglichsten Zierde gereicht ihm ein 4 Fuß hohes Kreuz mit einem Crucifixus nach Thorwaldsen, das ein Rövershäger Einwohner zum Andenken an seinen zur See gebliebenen Sohn schenkte. Hinter demselben findet sich nachfolgende Pastoren-Tafel:


„Die lutherischen Prediger, welche dieser Gemeinde fürgestanden:

1. Hinrich Brummer. M.
2. M. Johann Griese ist Anno 1571 von Sanzskow aus Pommern hierher berufen.
3. Daniel Griese[/i] ist Anno 1605 seinem Vater substituieret worden.
4. [b]Johann Georg Bindrim
starb Anno 1676 im 44sten Jahre seines Predigt-Amtes.
5. Johann Harder, aus Rostock gebürtig, ward Anno 1677 erwählt und starb 1712.
6. Alexander Joachim Scherping, geboren zu Rostock 1677, ward Anno 1703 dem vorigen substituiert und starb Anno 1732.
7. Christoffer Gottlieb Stüdemann, geboren zu Rostock den 25sten Januar Anno 1710, zum Prediger erwählt den 11. April am Sonntag Judica 1734, gestorben 25. April 1770.
8. M. Christoph Möller, geboren zu Rostock den 20. September 1738, zum Prediger erwählet am Sonntage Quasimod. den 7. April und ordin. den 30. Jun. 1771, gestorben 13. Jan. 1773.
9. U. Christian Ludwig Wehnert. geboren zu Güstrow 1741 den 25. Nov., zum Prediger erwählt 1773 den 17. September, gestorben 22. Januar 1802.
10. Christian Carl Wolff ist geboren zu Rostock den 13. November 1761, zum Prediger erwählt den 20. Januar (3. p. Epiph.) 1803, trat das Amt am Palmsonntag 1803 an und starb den 6. April 1836.
11. Ernst Carl Friedrich August Wolff, geboren zu Rövershagen 25. Sept. 1804. seinem Vater adjungiert und ordiniert den 4. April 1833, emeritiert den 1. November 1866.
Diesem folgte durch Erwählung am 7. Oktober 1866 und Ordination am 21. d. M. der jetzige Pastor Ludwig Dolberg, gebürtig aus Schwerin, vorher Prediger zu Kloster Ribnitz.

Bemerkenswert ist der Altar auch durch ein Antipendium; eine gewaltige Eichenholztafel mit rotem Rande, worauf noch einzelne Spuren goldener Blätter. Leider aber ist alles Übrige dick mit schwarzer Farbe überstrichen, unter der sich aber noch Spuren des früheren Kreidegrundes erkennen lassen, auf dem einst die Bemalung ausgeführt ward. Der Gegenstand derselben, diabolische Gestalten, vermochte einen früheren Pastor zu dem Vernichtungsgebot. Seit Oktober 1867 sind Altar und Kanzel durch die Gemeinde, welche dazu auf Aufforderung des Pastors bereitwillig und reichlich beisteuerte, mit neuen Decken geziert, carmoisin Tuch mit Goldborten und Fransen. Dass der Chorabschluss wenigstens früher gewölbt gewesen, lässt sich noch deutlich erkennen; jetzt ist die ganze Kirche flach mit einer angeweißten Bretterdecke versehen. Auf dem Triumphbalken aber, jetzt gegen die Wand gelehnt, befindet sich noch ein altes Triumphkreuz mit den Symbolen der Evangelisten an den vier Enden. Unter den heiligen Geräten ist noch ein alter Kelch mit einer Hausmarke und folgender Inschrift in neugotischen Minuskeln:

Dessen Behk hett lathen moken Peter van Collen in de ere des hilgen Johannes vnde vnser leven Frvvwen. Peter von Collen Wedder to ervende ette sinen eru namen.

Dieser Peter van Collen soll nach einer alten Aufzeichnung ein Rostocker Ratsherr gewesen sein. Die Glocken befanden sich früher in einem neben der Kirche flehenden Glockenstuhl. 1846 ist durch den Hof-Zimmermeister Mahn in Rostock ein hölzerner, mit Schiefer gedeckter Turm an dem Westgiebel der Kirche aufgeführt. Den Anstoß zu diesem Bau gab der um die Ortschaft, wie schon oben bemerkt, so hoch verdiente frühere Forstinspektor Becker. Es wurden zu der Ausführung des Baues die bedeutenden Überschüsse einer Armenkasse verwendet, welche 1806 auch auf Antrieb desselben eingerichtet war. Das Unternehmen ward auch durch Beiträge von außen gefördert, die auf deshalb erlassene gedruckte Aufrufe zumal auch von Rostock aus dafür eingingen.

Von den 3 Glocken, die in schöner Harmonie mit vollem Tone zu einander stehen, ist die erste und kleinere aus dem Jahre 1827; die mittlere größte trägt die Inschrift:

Soli Deo Gloria. Anno 1730. Patronis hujus ecclesiae Dno. Hans Golterman et Dno. Joahann Caspar Meier J. U. D. Pastore Dno. Alexandro Joachimo Scherping. Haben die jetziger Zeit Vorsteher Claus Suhr, Jacob Düfel, Johann Rode und Claus Peters diese Glocken umgießen lassen.

Unten am Rande steht:

Gloria in Excelsis Deo. Lavrentzius Strohlbohm me fudit Lübeck.

Interessant ist diese Glocke noch durch verschiedene Münzen, die an derselben, auf der einen Seite 4. auf der anderen 2. eingelassen sind. Eine derselben mit dem Portrait Carl XII. trägt die Umschrift:

Carolus XII. Rex Sueciae.

Eine andere zeigt das große dänische Wappen und darüber in deutscher Schrift:

Med godz hielp 1711.

Eine weitere Münze zeigt einen stehenden Christus mit erhobener Rechten und der Erdkugel in der Linken, darum die Umschrift:

Salvator mundi salva nos MDCXLII.

Noch eine andere zeigt einen Tempel auf einem zackigen Gebirge, darüber die Inschrift:

Consilio stat firma Dei, darunter Megapolis jubilans anno 1717. 31 Oct. Die kleinste ist aus dem Jahre 1721

Während des Gottesdienstes sitzen die Männer auf der einen, die Frauen auf der anderen Seite der Kirche. Jene haben keine besondere Tracht mehr; von diesen haben noch viele ihren besonderen Kirchanzug, einen schwarzen Rock, ein Camisol von gleicher Farbe, darüber ein weißes Tuch kreuzweise die Enden über der Brust befestigt mit breiter eingezogener Kante, und auf dem Kopf eine schwarze Mütze mit einem weißen eingebrannten aufrechtstehenden Strich. Die eigentliche Kappe besteht bei den verheirateten Frauen aus eingetolltem schwarzem Atlas, während früher die unverehelichten dieselben von glattem Seidenzeuge mit einem schwarzen glatt anliegenden Netze darüber trugen. Leider aber haben die jungen Mädchen diese kleidliche Tracht ganz aufgegeben und kleiden sich mehr oder minder städtisch. Für gewöhnlich tragen die Frauen helle Kappen ohne Strich. Die Männer binden in der Kirche durchgehends schwarze seidene Halstücher um, während sonst von den jungen Leuten, wenn es irgend was gilt, weiße Halstücher getragen werden, was den kräftigen Gestalten mit den roten frischen Gesichtern in ihren kurzen blauen Friesjacken sehr gut steht.

Das in der Nähe der Kirche liegende Pfarrhaus ist wohl das schlechteste im ganzen Lande. Mit Stroh gedeckt, in einzelnen Räumlichkeiten durch den Fuß hoch hervorwachsenden Schwamm ganz unbewohnbar, mit so defekten Mauern, dass bei starkem Regen die Zimmer zum Teil überschwemmt werden. Die desfallsigen Unterhandlungen des Patronates der Rostocker Kämmerei wegen eines Neubaues sind, wie aus den in öffentlichen Blättern mitgeteilten Verhandlungen hervorgeht, zwei Mal an dem Widerspruch des 1sten Quartiers gescheitert. In gleich schlechtem Zustande wie das Wohnhaus sind auch die übrigen dazu gehörenden Gebäude, Scheune und Ställe. Die Pfarre gehört in ihren Einnahmen zu den mäßigen, da 1799 durch den Pastor Wehnert, der damals nahe an 4 Last nebst bedeutenden Wiesen betragende Acker bis auf fast eine Last gegen 60 Thlr. N 2/3, und l Drömpt Roggen und Erbsen und 4 Drömpt Hafer und Gerste und eine Strohlieferung an die Stadt Rostock für immer vererbpachtet ward; auf spätere Reklamationen ist die Geldpacht 1808 um 40 Thlr. N 2/3 erhöht; weitere Aufbesserungen sind seitdem nicht erfolgt. Die Küsterei, darin die Ortsschule für die Kinder aus Ober-, Mittel- und Willhagen und Purkshof, ist in gutem Zustande. Der Unterricht befindet sich in den Händen eines jungen, frischen und strebsamen Lehrers, dem seine Arbeit dadurch sehr erleichtert wird, dass kaum ein Kind aus Rövershagen in die Schule kommt, ohne dass es die Eltern nicht zuvor durch ihre Bemühung bis zum Lesen gebracht haben. Derselbe versieht auch Küster- und Cantordienste. Als solcher übt er, wie auch die Lehrer in Stuthof und in Hinrichshagen, bereits fleißig die Gesänge mit seinen Schülern nach dem neuen Choralbuche ein, und die Gemeinde leistet hierbei entgegenkommend Beistand. Übrigens ist der jetzige Küster schon der dritte dieses Standes aus derselben Familie, wodurch ein sehr inniges Band zwischen Lehrer und Schulgemeinde gewunden ist. Der Vater desselben, welcher vor 2 Jahren pensioniert ward, führt ein otium cum dignitate, indem die wohlverdiente Achtung der ganzen Gemeinde, deren langjähriger Lehrer, Freund und Berater er gewesen, ihm ein wahrhaft patriarchalisches Ansehen verleiht. Längs der großen Dorfstraße, die leider im Winter durch ihren unergründlichen Kot kaum passierbar, zieht sich der hohe Kirchsteig, gegen das Feld zu mit einer Buchenhecke bepflanzt, die aber leider im Laufe der Zeilen vielfach zerstört ist. Auch diese ist eine Schöpfung des hochverdienten Forstinspektors Becker. Das Forstgehöft ist vor wenigen Jahren neu erbaut, ein eingeschossiges Hauptgebäude, davor eine Veranda, mit einem zwei Stockwerke hohen Flügel. Von dort nach N. biegt sich der Weg nach Wiethagen ab. An demselben liegt das im vorigen Jahre neu erbaute dreistöckige Samenhaus, wo der Tannensamen ausgedarrt wird. Im ersten Stock sind die Öfen, im zweiten die Rosten, beiläufig gesagt von Holz, im dritten der Vorratsboden für die gesammelten Tannen- und Fichtenäpfel. Das Gebäude ist Fachwerk mit Dachpappe gedeckt. Wenn auch das frühere hiesige Samenhaus Alters halber abgebrochen werden konnte, so ist doch das Gelbensander mehrere Male kurz hintereinander abgebrannt, daher es vielleicht zweckmäßiger gewesen wäre, dem Gebäude einen entfernteren Platz vom Dorfe zu geben, als in der nächsten Nähe desselben.

In Wiethagen liegt auch ein großes von Fachwerk erbautes Holzmagazin. Südlich vom Forsthofe liegt „in de Eck“, wie es hier heißt, ein Kathen, in welchem der frühere Abgeordnete der ersten mecklenburgischen Abgeordnetenkammer, der Tagelöhner Keding, wohnte, der nach Beschluss seiner politischen Kariere durch Auflösung der Kammer nach Amerika auswanderte und dort bald starb.

Durch Ackerland von diesen 3 Ortschaften getrennt liegt der Hof Niederhagen. Lange Jahre war derselbe in Pacht der Familie Hopp, Vater und Sohn, jetzt ist er in Händen eines Herrn Kirchner. Derselbe ist aus 16 gelegten Bauerhufen gebildet, nachdem dieselben der Sage nach an einem Sonntag Morgen sämtlich abbrannten. Der Boden dieses Hofes ist bedeutend besser als der Oberhäger, obgleich vielleicht das beste Land an dem sogenannten schwarzen Sumpf bei der neuen Verpachtung zur Anlage eines Pflanzgartens abgenommen ist. Bedauerlich aber hat der Besitzer, wie die meisten Bewohner der Heide-Dörfer, deren Ackerland nicht wie das der Forstbeamten durch Hürden geschützt ist, vielfach großen Schaden durch das Wild, welches aus dem Walde auf die anstoßenden Felder dringt. So ist einem Rövershäger Bauern ein Teil seiner Roggensaat in diesem Winter von einem Rudel Hirsche in den nassen Boden eingestampft worden. Herrn Kirchner ward im vorvorigen Jahre auf einem Weizenfeld, wo er durch neu eingeführte Saat ausgezeichneten Ertrag erwarten durfte, in einer Nacht durch Schweine und Hirsche ein Schade verursacht, der von Sachverständigen auf mehrere 100 Thlr. taxiert worden. Seinem Ansuchen bei der Behörde um Schadenersatz ward, wie auch aus den Zeitungen damals ersichtlich, keine Gewährung. Der Mehrzahl der Niederhäger Kathenleute wurden im vorigen Sommer fast die sämtlichen Kartoffeln durch die Schweine umgebrochen und vernichtet. Ein schwerer Verlust für die armen Leute, schwerer noch in diesem teuren Jahre.

Auf dem Niederhäger Hofe spielt auch die Spukgeschichte, die, irren wir nicht, Niederhöffer in seinen Mecklenburgischen Sagen mitteilt. Ein früherer Pächter war ein gewaltiger Flucher und Gotteslästerer. Bei einem fürchterlichen Gewitter ließ er einfahren, obgleich der Regen die Fuder so durchnässte, dass unten das Wasser abtropfte, und rief dabei höhnend:

„Kannst Du regen laten, kann ick doch inführen laten“.

War das gedroschene Getreide nicht nach seinem Wunsch, warf er eine Hand voll in die Luft und rief: Dor Gott! dat freet Du! Eines Tages kam er nun vom Felde, da sprengte ein langer Reiter auf einem schwarzen Pferde auch in den Hof, dass unter den Hufen nur so das helle Feuer davon flog. Dieser ging mit dem Herrn auf sein Zimmer. Da ertönte plötzlich ein fürchterliches Geschrei aus diesem, und als man darauf herbeieilte, war der Fremde weg, aber der Herr lag „ausgeströpt“ am Boden, dass er ganz leicht war. Das Blut des Sünders soll noch lange an der Wand eines Zimmers zu sehen gewesen sein.

Auf drei Seiten von Holz umschlossen, liegt Hinrichshagen, das in die drei Ortschaften Hinrichshagen — aus dem Forstgehöft, dem Schulhause und 5 Kathen bestehend —, Sandberg — 2 Kathen — und Sandhagen — auch 2 Kathen — zerfällt. Diese Teilung der Ortschaften ist schon durch die herrschende Gleichheit der Namen geboten, obgleich es auch noch jetzt Mühe macht, die einzelnen gleichnamigen Personen von einander zu scheiden, und darum außer zu der verschiedenen Ortsbezeichnung noch zu unterscheidenden Beinamen gegriffen werden muss. So gibt es in Hinrichshagen 13 Familien Mahnkes, jetzt Mahnck genannt, in Wiethagen 2, in Rövershagen 10. Ähnlich ist es mit den Namen Hoff, Peters, Stalbohm. Die vielfache Übereinstimmung der Namen erklärt sich daraus, dass früher die Rövershäger sich gegen die anderen Ortschaften durchaus abschlossen und nur untereinander sich verheirateten; jetzt kommen schon mehrfach Verehelichungen mit aus anderen Dörfern Gebürtigen vor. Mannigfache Gebrechen, besonders Augenleiden, dürften vielleicht auf diese Verbindungen unter Familiengliedern zu schieben sein. Hinrichshagen ward 1859 von einer Feuersbrunst heimgesucht, die außer der Jägerfamilie noch 10 Tagelöhnerfamilien obdachlos machte. Die abgebrannten Kathen sind gut massiv mit Steindach wieder aufgebaut; die anderen Wohnungen, meistens schon alt, sind schon vielfach in sehr schlechtem Zustande. Für dieselbe nebst 80 Q.-R. Gartenland, einem Wiesenteil von circa ½ Fuder Heu und freier Weide im Holze für eine Kuh müssen die Einwohner der Kämmerei 16 Rth. zahlen, für ein Ackerstück von 100 Q.-R. noch 2 Rth. 8 ßl., f?r eine weitere Wiese an die Forst gleichfalls 2 Rth.; dazu werden jetzt die Leute verpflichtet, allein der Forst ihre Arbeit zu leisten, ohne zumal im Sommer auf den umliegenden Höfen gegen hohen Lohn arbeiten zu dürfen. In der Forst erhielten die jüngeren Männer früher an Tagelohn im Sommer 15, im Winter 14 ßl., die Alten auch im Sommer 12 ßl., jetzt in Anbetracht der hohen Preise 16 ßl. Die Tagelohnarbeit ist aber, zumal im Winter eine sehr seltene, vielmehr wird die meiste Arbeit in Accord vergeben. Da erhalten die Leute für den Faden Holz zu fällen, zu sägen, zu kluften und aufzustapeln für Blankholz 32 ßl., Kluftholz 28, Knüppelholz 16, Buschholz 12 ßl. Dabei ist zu beachten, dass während in der fürstlichen Forst der Faden 6' 7'. derselbe in der städtischen 7' 8' gesetzt wird. Außerdem ist ihnen bei der Arbeit im Accord wie im Tagelohn gestattet, Abends eine Karre trockenen Leseholzes mit nach Hause zu nehmen, welche „uch de Kraft“ zu circa 2—3 ßl. zu veranschlagen. Auf solche Weise kann ein Arbeiter, dieses Holz abgerechnet, im Winter kaum 12 ßl. verdienen, wenn er sich auch in frühster Frühe aufmacht und spät im Finsteren zurückkehrt, da oft das zu fällende Holz mehr denn 1 Meile entfernt ist. Bei diesen hochbeinigen Zeiten herrschen darum auch schwere und bittere Klagen unter den Leuten, und wenn nicht ein eiserner Fleiß und eine unermüdliche Arbeitskraft, worin Männer und Frauen sich begegnen, den Rövershägern und Hinrichshägern einwohnte, möchte es übel in diesem Jahre zumal um die Familien, deren Glieder zahlreicher, aussehen. Die Frauen sind ihren Männern treue Gehilfinnen in der Arbeit, nicht allein, dass sie Haus und Vieh in bester Weise halten und warten; wenn dieses zu Schick, so eilen sie meilenweit hinein in die Heide, um Reisig zu Besen, Heide zu Quästen zu suchen, welche die Männer mit ihnen dann am Abend beim Schein der Lampe binden.

Wer in der Stadt die Mühen kennt, die zumal das Heranholen des Materials macht, würde nicht über hohen Preis dieser Gegenstände klagen. „Et is nich blot dar beten na de Stadt schuben!“ äußerte neulich bezeichnend eine Hinrichshägerin, als man ihre Ware zu teuer fand. Von diesen ihren weiten Wegen suchen die Frauen rechtzeitig zurück zu sein, um den Männern noch ein gutes Stück wieder entgegen zu gehen und die Holzkarre, indem sie sich davor spannen, auf den oft gar schlechten Wegen nach Hause zu ziehen. Ebenso bringen sie nebst den Kindern im Sommer reichen Gewinn dem Hauswesen durch Tütebeeren- und Bickbeerensuchen. Diese Frucht findet sich noch in der Heide; jene, bekanntlich die kostbarere, ist hier durch die ausgedehntere Forstkultur überaus selten geworden, dagegen noch reichlich in der Ribnitzer und der fürstlichen Heide; aber meilenweit sind diese entfernt. Darum schon beim oder vor dem Grauen des Tages schieben die Frauen mit den am Tag zuvor gesammelten Früchten nach dem 2 Meilen weiten Rostock. Von dort nach besorgtem Handel eilen sie zurück, um wo möglich noch zur Mittagszeit zum Melken der Kuh wieder zu Hause zu sein. Schnell geht es dann in die Heide, wohin die Kinder und Alten schon am Morgen voraus gesendet sind, um auch mit einzusammeln. Am Abend heimgekehrt, ist noch keine Ruhe, noch manchen Tritt erfordert das Hauswesen, die Sorge für Mann und Kind. Eine große Erleichterung in diesem Leben der Arbeit ist es, dass meistens noch Eltern oder eines derselben bei den Kindern, überall in herzinniger, erfreuender Eintracht, wohnen, mit schaffend und sorgend für das Hauswesen oft über die schwachen Kräfte. Wenn in modernen französischen Romanen das Heldentum der Arbeit verherrlicht wird, hier kann man es auch beachten und bewundern lernen.

Trotz all dieser Arbeit sind die Hinrichshäger doch fast immer frohen Sinnes. Im Winter kommt Alt und Jung Sonntag Abends bei diesem und dem, der eine etwas größere Wohnung hat, zusammen, einer spielt die Harmonika und bald ist die Gesellschaft im munteren Tanz. Dabei ist nicht nur das natürliche Geschick zu bewundern, sondern vor allem berührt es angenehm, dass nichts von jenem wüsten Lärmen, Toben und Schreien zu spüren, das oft Tanzgesellschaften auf dem Lande so widerlich macht, sondern alles geht fein ruhig und sittig zu. Überall herrscht strenge Sittlichkeit unter den Rövershägern, und kommen uneheliche Geburten vor, so sind die Eltern in seltenen Fällen Einheimische.

In Hinrichshagen ist den Einwohnern ein Stein des Anstoßes das Armenhaus, das die Stadt Rostock nicht für die verarmten Glieder der Rövershäger Gemeinde — denn zu solchen lässt es der unermüdliche Fleiß und die Kindes- und Verwandtenliebe nicht kommen —, sondern anderer der Stadt gehörender Ortschaften dort errichtet. Der Witz nennt das Gebäude, welches ziemlich stattlich von außen lässt, „dat Schloss“, die Insassen „dat nieje Haus“.

Einen großen Vorzug haben die hier frei Einquartierten dadurch, dass sie auch außerhalb auf Arbeit gehen dürfen, wodurch sie viel reicheren Gewinn haben als die Mietseinwohner des Ortes bei ihrer gezwungenen Arbeit in der Forst.

Der Hinrichshäger Schule steht ein früherer Kandidat der Theologie vor, unter dessen Leitung besonders die fähigeren Kinder Tüchtiges leisten.

Nachdem wir so die größeren Dörfer der Heide betrachtet, lade ich den freundlichen Leser, der mir bis dahin geduldig gefolgt ist, zu einem Spaziergang in die herrliche Waldung ein, die auch zur Winterzeit ihre Schönheiten und Reize hat.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus der Rostocker Heide