Aus den Landen des verlassenen Bruderstammes. 1. Ein Besuch in Rendsburg.
Aus: Die Gartenlaube, Illustriertes Familienblatt. Nr. 1. 1864. – Herausgeber Erst Keil.
Autor: Rasch, Gustav (1825-1878) Journalist und Reiseschriftsteller, Erscheinungsjahr: 1864
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Rendsburg, Schleswig-Holstein, Kar der große, Dänemark, Dänen, Reinoldesburg, Besatzung, Bauernstand, Eider, dreißigjähriger Krieg, Sachsen, Südjütland, Hollingstedt, Treene, Danewerk, Pustorf, Friedrichsstadt, Treenetal,
Inhaltsverzeichnis
Rendsburg ist meine liebste Stadt zwischen Elbe und Königsau. Ich liebe Rendsburg in seiner Geschichte, in seiner Lage, in seiner charakteristischen Altstadt, in seinen Bürgern. Rendsburg liegt gerade in der Mitte Schleswig-Holsteins; es ist der Knoten in der Verteidigungslinie der Eider, die natürliche Brücke von Holstein nach Schleswig. In Rendsburg und seiner Umgegend, welche keineswegs von der Natur so begünstigt ist, wie die üppigen Distrikte des Ostens, wohnt mit der edelste Teil der Ureinwohner des Landes, der Kern des nordalbingischen Sachsenstammes. Von diesem zwischen Eider und Stör gelegenen Teil Holsteins, welcher heute das Amt Rendsburg umfasst, gingen die großen und historischen Ereignisse des Landes aus. Bei diesem energischen und kräftigen Menschenschlage fand Karl der Große auf seinen verheerenden Raub- und Eroberungszügen den kräftigsten Widerstand. Von hier aus wurden die Dänen nach dem Norden, die Wenden nach dem Osten zurückgeworfen; die Heldenschaar, mit der Gerhard der Große das dänische Reich unterwarf, war aus der Gegend zwischen Eider und Stör.
Seit uralter Zeit war die Eiderinsel, auf der Rendsburg liegt, befestigt. Sie führte den Namen Reinoldesburg. Als Stadt trat Rendsburg mächtig unter den Städten der Herzogtümer hervor unter dem großen Grafen Gerhard, der in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts lebte. Christian der Fünfte erweiterte den Ort auf seine heutige, doppelte Größe, und schuf ihn zu einer Festung um. Und von jeher haben sich die Bewohner von Rendsburg durch ihre kräftige Energie, durch ihre patriotische Gesinnung, durch seltenes, gesundes Urteil, durch geistiges Leben und edle Bildung ausgezeichnet.
Rendsburg war immer und zu allen Zeilen ein Fels des Landes. An seiner kernigen und milchigen Bürgerschaft brach sich die Macht der Schweden im dreißigjährigen Kriege. Und diese Stadt wurde im Jahre 1851 mit ihren Kriegsvorräten, welche für eine Armee von 50.000 Mann ausreichen, mit ihrem Feld- und Belagerungsgeschütz so schmählich den Dänen ohne Schwertstreich, ohne Schuss geopfert! — Sie zerstörten alle nach dem Norden gelegenen Festungswerke, bauten zwischen Altstadt und Neustadt die Forts, welche sie zum Hohn Deutschlands „Südjütlands-Brückenkopf" nannten, und machten sie zu einem Bollwerk dänischer Herrschaft gegen die deutsche Nation. Aber auch rund um die Stadt herum wohnt ein gar gediegener und tüchtiger Bauernstand, ein Bauernstand, der sich durch aufgeweckten, gesunden Verstand, durch seltene Intelligenz, durch kräftigen Unternehmungsgeist, durch gemeinnützige Gesinnung, durch wahrhaft deutschen Sinn auszeichnet. Hier liegen die alten, großen und historischen Dörfer des Landes.
Es sind nun zwei Jahre, dass ich zum letzten Male in Rendsburg war. Die Stadt lag damals voll von dänischen Truppen; dänische Beamten und dänische Polizei unterdrückten alle bürgerliche und individuelle Freiheit. In der Presse knebelte die dänische Regierung die Freiheit des Gedankens und die öffentliche Meinung. Das nationale, deutsche Bewusstsein der Bürger sollte dem Dänentum weichen. Aber die Energie und die Zähigkeit der Bevölkerung waren stärker, als alle Anstrengungen des dänischen Regierungsmechanismus. Wie ehemals in der Lombardei, wie heute noch in Venetien, setzten Alle einmütig den Dänen den zähesten Widerstand entgegen. Den Dänen öffnete sich kein deutsches Haus, noch weit weniger ein deutsches Herz. In keiner Gesellschaft hatten die dänischen Beamten und Offiziere Zutritt; zu keinem Feste, zu keinem Balle wurden sie geladen; man sprach nicht mit ihnen, man grüßte sie nicht, man saß nicht mit ihnen im Gasthause an demselben Tische. Sie lebten einsam, wie in einer menschenleeren Wüste, nur auf den Umgang mit sich selbst und mit ihren Familien angewiesen. Wer diesen Bann brach, den man um die Dänen gezogen, der war selbst von der ganzen Gesellschaft ausgestoßen. Verachtet ging er ebenso einsam umher. Zwölf Jahre haben die Rendsburger Bürger diesen Widerstand mit einer seltenen Konsequenz und Ausdauer durchgesetzt, mit einer zähen Energie, um welche die Lombarden in Mailand und Brescia sie hätten beneiden können. Jetzt sah ich Rendsburg wieder, das von der dänischen Herrschaft befreite Rendsburg. Ich hatte die Heerstraße zu meiner Reise benutzt. Alle Häuser waren mit deutschen und schleswig-holsteinischen Fahnen geschmückt, in den Straßen erklang das Schleswig-Holsteinlied, vor der Hauptwache am Paradeplatze und auf „Südjütlands-Brückenkopf" wehten die Fahnen Schleswig-Holsteins und des gemeinsamen, großen deutschen Vaterlandes fröhlich im Morgenwinde. Und als ich Morgens erwachte, da hörte ich auf dem Paradeplatze die Signale sächsischer Hörner und deutsche Kommandoworte: „Gewehr auf, Marsch, Marsch!" und eine sächsische Jägerkompanie zog vorüber, um die Stellung an der Schleusenbrücke und an den Schanzen zu besetzen. Und ein lieber Freund, der Advokat Fischer, trat zu mir in die Stube und sagte: „Wollen wir nicht einen Gang durch Rendsburg machen? Vor zwei Jahren habe ich Sie auch durch die Stadt geführt. Damals war es anders. Heute sollen Sie Rendsburg ohne Dänen sehen."
Seit uralter Zeit war die Eiderinsel, auf der Rendsburg liegt, befestigt. Sie führte den Namen Reinoldesburg. Als Stadt trat Rendsburg mächtig unter den Städten der Herzogtümer hervor unter dem großen Grafen Gerhard, der in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts lebte. Christian der Fünfte erweiterte den Ort auf seine heutige, doppelte Größe, und schuf ihn zu einer Festung um. Und von jeher haben sich die Bewohner von Rendsburg durch ihre kräftige Energie, durch ihre patriotische Gesinnung, durch seltenes, gesundes Urteil, durch geistiges Leben und edle Bildung ausgezeichnet.
Rendsburg war immer und zu allen Zeilen ein Fels des Landes. An seiner kernigen und milchigen Bürgerschaft brach sich die Macht der Schweden im dreißigjährigen Kriege. Und diese Stadt wurde im Jahre 1851 mit ihren Kriegsvorräten, welche für eine Armee von 50.000 Mann ausreichen, mit ihrem Feld- und Belagerungsgeschütz so schmählich den Dänen ohne Schwertstreich, ohne Schuss geopfert! — Sie zerstörten alle nach dem Norden gelegenen Festungswerke, bauten zwischen Altstadt und Neustadt die Forts, welche sie zum Hohn Deutschlands „Südjütlands-Brückenkopf" nannten, und machten sie zu einem Bollwerk dänischer Herrschaft gegen die deutsche Nation. Aber auch rund um die Stadt herum wohnt ein gar gediegener und tüchtiger Bauernstand, ein Bauernstand, der sich durch aufgeweckten, gesunden Verstand, durch seltene Intelligenz, durch kräftigen Unternehmungsgeist, durch gemeinnützige Gesinnung, durch wahrhaft deutschen Sinn auszeichnet. Hier liegen die alten, großen und historischen Dörfer des Landes.
Es sind nun zwei Jahre, dass ich zum letzten Male in Rendsburg war. Die Stadt lag damals voll von dänischen Truppen; dänische Beamten und dänische Polizei unterdrückten alle bürgerliche und individuelle Freiheit. In der Presse knebelte die dänische Regierung die Freiheit des Gedankens und die öffentliche Meinung. Das nationale, deutsche Bewusstsein der Bürger sollte dem Dänentum weichen. Aber die Energie und die Zähigkeit der Bevölkerung waren stärker, als alle Anstrengungen des dänischen Regierungsmechanismus. Wie ehemals in der Lombardei, wie heute noch in Venetien, setzten Alle einmütig den Dänen den zähesten Widerstand entgegen. Den Dänen öffnete sich kein deutsches Haus, noch weit weniger ein deutsches Herz. In keiner Gesellschaft hatten die dänischen Beamten und Offiziere Zutritt; zu keinem Feste, zu keinem Balle wurden sie geladen; man sprach nicht mit ihnen, man grüßte sie nicht, man saß nicht mit ihnen im Gasthause an demselben Tische. Sie lebten einsam, wie in einer menschenleeren Wüste, nur auf den Umgang mit sich selbst und mit ihren Familien angewiesen. Wer diesen Bann brach, den man um die Dänen gezogen, der war selbst von der ganzen Gesellschaft ausgestoßen. Verachtet ging er ebenso einsam umher. Zwölf Jahre haben die Rendsburger Bürger diesen Widerstand mit einer seltenen Konsequenz und Ausdauer durchgesetzt, mit einer zähen Energie, um welche die Lombarden in Mailand und Brescia sie hätten beneiden können. Jetzt sah ich Rendsburg wieder, das von der dänischen Herrschaft befreite Rendsburg. Ich hatte die Heerstraße zu meiner Reise benutzt. Alle Häuser waren mit deutschen und schleswig-holsteinischen Fahnen geschmückt, in den Straßen erklang das Schleswig-Holsteinlied, vor der Hauptwache am Paradeplatze und auf „Südjütlands-Brückenkopf" wehten die Fahnen Schleswig-Holsteins und des gemeinsamen, großen deutschen Vaterlandes fröhlich im Morgenwinde. Und als ich Morgens erwachte, da hörte ich auf dem Paradeplatze die Signale sächsischer Hörner und deutsche Kommandoworte: „Gewehr auf, Marsch, Marsch!" und eine sächsische Jägerkompanie zog vorüber, um die Stellung an der Schleusenbrücke und an den Schanzen zu besetzen. Und ein lieber Freund, der Advokat Fischer, trat zu mir in die Stube und sagte: „Wollen wir nicht einen Gang durch Rendsburg machen? Vor zwei Jahren habe ich Sie auch durch die Stadt geführt. Damals war es anders. Heute sollen Sie Rendsburg ohne Dänen sehen."