Abschnitt. 4 - Prof. Francke, Halle, Spektakul, Parchim, Superintendent, Lästerstimme, Pagenhofmeister Buck, Döderlein, Herzogin Auguste, Herzog Friedrich, Leopold Flörke, Pietist, Semler, 1779, Neujahrsmesse.

„So gehts auch einmal in Bützow, wo vor etlichen Jahren
sich ein recht heroischer und munterer Prediger zu Gott
bekehrte. Dieser ist auch bei Hofe und tritt mit auf des
Prinzen Seite. Der Herzog verlangt von ihm zu wissen,
ob ers auch mit den Dargunschen hielte. Er antwortet,
mit der Lehre, die in Dargun gepredigt und gelehrt wird,
hielte er es von ganzem Herzen, und so hätte er es auch
an seiner Seele erfahren. Der Herzog: ob er auch glaube,
daß Tanzen, Spiel usw. Sünde sei, wie die dargunschen
Prediger. Er bittet, der Herzog wolle ihn damit
verschonen. Aber der Herzog dringt auf eine Antwort.
Hierauf antwortet er, es falle ihm hierbei ein, was von
dem sel. H. Prof. Francke in Halle ihm erzählt sei. Als
diesen auch einmal eine Standesperson um diese Dinge
befragt habe, habe er zur Antwort gegeben: ,Der Herr
bekehre sich nur erst, alsdann wollen wir wohl damit
übereinkommen.’ Worauf der Herzog genug hat und geht
fort. Mehreres anzuführen, macht meinen Brief zu groß.
Ew. Hochehrw. werden schon hieraus abnehmen, daß
man sich mit Recht gute Gedanken von unserem
teuersten Prinzen macht. Was ich aber von unserem
Herzog geschrieben, steht mir ja freilich nicht wohl an.
Obwohl alles wahr ist, würde es doch nicht für gut
ausgelegt werden, und wenn ich es nicht in sichere
Hände überschickte, würde Bedenken tragen. Wollten
aber Ew. Hochehrw. von einem und anderen
deutlicheren Bescheid haben, bitte es mir zu benennen.
Wenn ich mir Mühe gebe, kann ich alles erfahren von
unserem H. Hofmeister und dem H. Hofprediger. Ich
wollte auch manche Sachen, welche sehr wunderseltsam
aussehen, berichten, was hier und da passiert, wo Ihnen
nicht zu weitläufig würde. Sonderlich ist ein jetzt
landskundiges Spektakul (mags wohl so nennen) in
Untersuchung.“

Noch liegt ein Schreiben Rudolphs vom 6. Oktober 1756 vor. Nach dem Tode der Fürstin 6) wolle der jetzt regierende Herzog 7) ihn nach Schwerin an eine kleine Schule versetzen. Der Hofprediger sei Superintendent in Parchim geworden und habe 110 Prediger unter sich. Die fürstlichen Lakeien seien zu Küstern in den Städten und auf dem Lande, auch zu Kastellanen auf fürstlichen Häusern gemacht. In Neustadt werde wohl ein Waisenhaus angelegt, auf dem gute Schulmeister ausgebildet werden sollen. „Es lassen der durchl. Herzog gewiß keine Gelegenheit vorbei, wo etwas Gutes zu schaffen, und wird jetzo in unserem Lande die Lästerstimme wenig gehört. Es will jetzt alles fein und gut sprechen. Ach, daß man ein solches Herz hätte. Der H. Flörke ist Prediger in hiesigem Amte zu Alt Kalden 8), der Pagenhofmeister Buck 9) wird Prediger im Städtchen Schwan. Man hat mir gesagt, daß der H. M. Döderlein 10) solle zum Professor der Theologie in Rostock berufen werden. Alle die, denen ich in Ihrem Namen die malabarischen Nachrichten überreicht, haben mich allezeit gebeten, wenn ich schreibe, herzliche Grüße nicht zu vergessen.“ Noch hören wir, daß Rudolphs Sohn damals in Halle studierte. „So viel mir möglich, will ich ihm helfen. Doch in unserer hochseligen Fürstin ist mir eine gute Mutter abgestorben, welches jetzt schon ziemlich fühle.“





6) Herzogin Auguste † 9. Mai 1756.
7) Herzog Friedrich.
8) Leopold Flörke. Vgl. Willgeroth a. a. O. I, S. 565.
9) Christian Buk. Vgl. Willgeroth a. a. O. I, S. 243.
10) Christian Albert Döderlein (1714 - 1789), Pastor in Halle, 1758 Professor in Rostock, hier als Pietist von der Orthodoxie abgelehnt, 1760 in Bützow. Auch von hier hat er gegen den Rationalismus gekämpft. So schreibt er am 14. Dez. 1779 an den Herausgeber der Nova acta historico-ecclesiastica, Schneider, in Weimar: „Ich habe mich sehr gewundert, daß der H. D. Seiler, gegen den ich sonst sehr große Hochachtung habe, in seinem Wochenblatte ohne eine Anmerkung, ja vielmehr mit einigem Anschein eines heimlichen Beifalls und Wohlgefallens angeführt hat, als ob Semler nur zur Vermeidung der pietistischen Lehre sein System angenommen habe. Ich habe sehr ost schon bedauert, daß in diesem Wochenblatte bei allen guten Absichten mehrere dergleichen Dinge vorkommen. Man hat alle auch noch so schädlichen Einfälle des H. Semler entschuldigt und gemeint, daß man ihn nicht recht verstanden habe. Als ob H. Semler und seine Freunde allein nur zwei Augen, alle anderen aber nur eins oder gar keins hätten, die wahre Gestalt der Dinge zu sehen. Man hat Bücher als vorzügliche Erbauungsbücher empfohlen, von denen man doch selbst eingestanden, daß darin die Lehre vom selig machenden Glauben und von der Heilsordnung überhaupt ganz verkehrt und wahrheitswidrig vorgetragen worden.“ Und schon unter dem 22. September 1779: „Ew. Hochw. Beifall sowie mehrerer gelehrter und gutgesinnter Männer, den ich öffentlich und privatim erhalten habe, gereicht mir zur Ermutigung, in meiner geringen Arbeit nach dem Vermögen, das Gott darreicht, munter fortzufahren und mich durch die Schmähsucht einiger anderer Leute, wovon man die Triebfedern und Absichten leicht einsehen kann, nicht irre machen zu lassen. Nur dieser Umstand ist mir sehr unangenehm, daß mein Verleger mich nicht recht fördern kann. Er ist allein Schuld daran, daß das zweite Stück nicht, wie ich es versprochen hatte, bereits in der abgewichenen Ostermesse zum Vorschein gekommen, weil er durch den etwas heruntergekommenen Zustand seiner Buchhandlung gehindert wird, alles gehörig bestreiten zu können. Ich will aber sehen, wie ich mit Gottes Hilfe alles in einen besseren Gang bringe, und allenfalls will ich ihn zu bereden suchen, daß er den Verlag meines Werks freiwillig einem anderen Buchhändler überlasse. Überhaupt ist ein Gelehrter in unserem Lande mit seinen Arbeiten ein wenig übel dran. Wir haben nur zwei Buchhändler, mit denen noch einigermaßen was zu tun ist. Ich wünschte einen Verleger in Obersachsen zu haben, wo die Buchhandlungen und Buchdruckereien in besserem Stand und Gange sind als hier. Allein ich habe mit keinem dortigen Buchhändler jemals Verbindung gehabt als nur mit dem Buchladen des hallischen Waisenhauses, und dieses hat, was denken Ew. Hochw. davon, aus Furcht vor dem H. Semler schon seit vielen Jahren nichts mehr von mir in Verlag nehmen wollen.“
Bützow, den 1. Juni 1780, klagt Döderlein, daß der Tod seines Verlegers den Druck seiner Arbeiten aufgehalten habe. „Jetzt geht zwar die Verlagsbuchhandlung ihren Gang weiter, aber was die Verlagsbücher betrifft, nur sehr langsam. Man hat mir Hoffnung gemacht, daß der Druck zweier Abhandlungen in der Neujahrsmesse fertig werden würde, doch hat sich der Druck wieder verzögert.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus den Briefen des Hofkantors Rudolph in Dargun