Abschnitt. 3 - Hofkantor, Prinz Friedrich, 1747, Repetion, Tafelgemach, Affekten, Bützow, Gesundheitstrinken, Kammerjunker Booth.

Recht ausführlich ist des Hofkantors Bericht vom 25. Januar 1747:

„Da Ew. Hochehrw. von mir begehren, einige specialia
von unserem Prinzen Friedrich zu überschreiben, habe
solches nicht ermangeln wollen. Als die ganze
hochfürstliche Herrschaft von Schwerin einmal bei uns
war, ist der Prinz also


als eine redliche Seele offenbar geworden. Er gab nicht nur alles
recht, was von wahrer Buße gelehret und gepredigt wurde, sondern
erzählte auch, daß er ebendergleichen an seiner Seele erfahren hätte.
Weil er aber von den sogenannten Mitteldingen, Tanzen und
Spielen, noch nicht gänzlich los war, wurde ihm damals noch nicht
völlig getraut, daß er eine wahre Rechtfertigung erfahren. Eines
Tages aber kommt er sehr spät zu unserem H. Oberhofmeister auf
sein Gemach und redet allerlei Gutes mit ihm in Meinung, der H.
Hofmeister solle ihn zum Gebete nötigen, weil ihm sehr viel daran
gelegen gewesen, mit Kindern Gottes auf den Knien zu beten.
Allein der H. Hofmeister läßt ihn ohne Gebet aus Respekt von sich,
worüber der teure Prinz in große Not gerät. Vor Kummer kann er
fast die ganze Nacht nicht schlafen, kommt frühmorgens zeitig
wieder zu dem H. Hofmeister von Maltzan aufs Gemach und redet
wieder viel Gutes. Endlich fragt er, ob es nicht gut sei, wenn man
mit anderen oft sich im Gebet vereinige. Als der H. Hofmeister es
bejahte, spricht er: ,Ei, so wollen wir doch auch mit einander beten.’
Sie fallen also nieder, und schüttet der teure Prinz sein Herz recht
frei vor Gott aus. Hernach spricht er, nun sei er den Stein vom
Herzen los, nun wolle er durch Gottes Gnade alles, was er mit
Schlägen seines Gewissens aus Furcht vor dem Vater getan, von
Herzen abandonieren und erzählet vieles, was Gott auf seiner Reise
bereits in fremden Landen getan, wie Gott an ihm gearbeitet und vor
ungefähr etlichen Wochen bei Genuß des h. Abendmahls ihn seiner
Gnade mit himmlischer Freude und süßem Trost im Herzen
versichert. Da er nun in Dargun so viel deutlicher höre, wie es mit
der wahren Bekehrung zu Christo gehen müsse, könne er in allen
Punkten nur ja und amen dazu sagen. Er hätte einen solchen Hunger
nach Gottes Wort, daß er gern mit in des H. Hofpredigers Haus zur
Repetition der Predigt und anderen Erbauungen gegangen wäre. Es
wurde ihm aber nur einmal erlaubt. Zu anderer Zeit haben unsere
gnädigste Fürstin die Erbauung im Tafelgemach halten lassen oder
sind persönlich mit in des H. Hofpredigers Hause gewesen, damit
der Prinz die Gelegenheit auch dazu hätte. Das Wort Gottes wäre
ihm so teuer, daß er jährlich 200 T. darauf wenden wollte, wenn des
H. Hofpredigers Predigten könnten nachgeschrieben

werden, welches aber aus Mangel der Leute nicht möglich war. Er
hat auch dem Spiel und Tanzen gleich abgesagt und allen Unwillen
übernommen, daß er darüber oft in Ungnaden gekommen und mit
harten und schimpflichen Worten sich deshalb müssen bestrafen
lassen. Er fährt fort in dem angefangenen Guten, und da durch sein
Beispiel schon manche Seele erweckt, auch zur wahren Bekehrung
durch Gottes Gnade gebracht worden ist, so ruhet der Teufel freilich
nicht, ihn zu verlästern. Er soll seinen Bissen Brot mit Seufzern
essen, weil ihm bei der Tafel fast auf jedem Bissen ein Dorn
mitgegeben; und weil er den kindlichen Respekt gegen seinen Vater
beweisen muß, muß er manche bittere Pille verschlucken. Er soll
nicht einmal recht sicher sein, einen Brief zu schreiben, weil ihn der
Vater oft überfällt, und wo er was findet, ihn hart anläßt. Briefe an
ihn müssen oft durch Freunde an ihn gelangen, daß sie ihm nicht
entzogen werden. Denn es wird gar nicht gern gesehen, daß er
solche erbauliche Korrespondenz führt, weil man meint, das sei
nicht fürstlich. Sein Vater bezeuget ihm oft, daß er die einzige
Ursache seines Mißvergnügens sei, weil er so ein Leben führe, mit
dem niemand zufrieden sei und im ganzen Lande zum Spott und
Hohn werde. Es werden andere mit ihrer List und Schalkheit an ihn
gebracht, ihm allerlei üble Gedanken von den bekehrten Predigern
und anderen Seelen beizubringen, allerlei Lügen und Lästerungen
werden ihm vorgebracht. Allein er weist sie getrost ab und weiß,
daß es Lügen sind. Er soll oft in solches Gedränge kommen, daß er
sich wie ein Wurm vor Gott schmieget und die Verheißungen nur
immer zu seinem Schilde machet. Er muß Sehen, wie am
schwerinschen Hofe durch Komödianten der Eitelkeit die Tür
geöffnet, auch gar gute Seelen mit Ernst dazu angehalten werden
beizuwohnen bei Vermeidung fürstlicher Ungnade, wie denn
wirklich ein gläubiges Fräulein deshalb ihre Entlassung vom Hofe
erhalten hat. Sein Vater legt ihm öfters auf, die Streitschriften zu
lesen, die wider die Lehrer der wahren Bekehrung geschrieben. Er
braucht aber, wie er selbst bezeugt, den Vorwand, er habe es nicht
nötig. Er habe ja alles in seiner Seele selbst erfahren und wäre davon
göttlich überzeugt. Weshalb solle er da erst fragen oder aus
menschlichen Affekten geschriebene Schriften lesen. Solle denn ein
Lebendiger in Büchern nachforschen, ob er lebe.“

„Bei seiner Durchreise durch Bützow war eine fürstliche Person krank. Er fiel bei ihr auf seine Knie und betete um ihr Wohl herzlich, welches ihm vor despektierlich ausgelegt wurde. Allein er gab ungefähr die Antwort: Es schicke sich eher, vor Gott die Knie zu beugen, als wenn man sie bei anderer Gelegenheit als Gesundheitstrinken beuge. Als er mit dem Herzog in Güstrow auf dem Landtage war, schärften die Herren Prediger ihre Schwerter gegen ihn ziemlich. Einer, der die Ursachen des schlechten Zustandes unseres Landes anführte, brachte auch diese mit ein, daß man die Bekehrung so lasse überhand nehmen und ihr nicht steure, auch gar, daß selbst hohe Häupter endlich nicht mehr frei blieben, sondern daran teilnähmen. Darauf hat der Herzog den Prinzen angesehen, dieser aber geantwortet: ,Das sind Lügen.’ Der Herzog versetzt: ,Er ist doch ein Knecht Gottes.’ Der Prinz: ,Er ist ein Knecht des Teufels.’ Der Herzog: ,Ei, behüte Gott. Bitte ja Gott diese Sünde ab.’ Der Prinz: ,Wäre er von Gott, würde er anders predigen.’ Ein anderer Prediger in Schwerin hatte den Prinzen fast mit Namen auf der Kanzel genannt. Er läßt ihn rufen. Der Prediger will anfänglich nicht kommen. Als er aber kommt, leugnet er, daß er ihn damit gemeint. Der Prinz erzählt ihm, was Gott an ihm getan, worüber der Prediger seine Freude bezeugt. Er sagt dem Prediger auch die Wahrheit. Allein er ist nur froh, daß er von ihm kommt. Der Prinz bittet ihn, ihn oft zu besuchen, allein er entschuldigt sich, er wäre nicht sein Beichtvater. Bei der Vermählung des Prinzen, die ja mehr nach Willen des Herzogs als nach seinem Willen eingerichtet, wiewohl Gott alles weiß gut zu machen, schrieb er gar beweglich, Kinder Gottes sollten doch dem lieben Gott seine Verheißungen vorhalten, damit sich Gott der ganzen Sache annähme. Als einmal der Herzog in Gegenwart eines gläubigen Kammerjunkers ihm hart zuredet, davon abzustehen, beruft sich der Prinz auf Gottes Wort. Der Herzog sagt, andere wären doch auch Christen und legten doch so nicht alles bei Seite. Er wäre ja auch ein wahrer Christ. ,Ist es nicht wahr, Booth?’, sagte er zum Kammerjunker. Der Kammerjunker antwortete: ,Ihre Durchl., wo wären Sie zum wahren Christentume gekommen? So und so haben Sie gelebt, und man hat nie gehört, daß Sie eine wahre Bekehrung erfahren. Wie können Sie ein wahrer Christ sein?’ Darauf wird er still und geht davon.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus den Briefen des Hofkantors Rudolph in Dargun