Zersetzung der Reichsverfassung und Versuch ihrer Aufrechterhaltung

Fassen wir aber die Stellung ins Auge, welche sowohl die Fürsten als auch die mächtigen Reichsstädte der Krone Schweden und der Krone Frankreich gegenüber einnahmen, so zeigt sich uns nicht bloß eine durch die Glaubensspaltung herbeigeführte oder verstärkte Trennung der deutschen Fürstenhäuser und Reichsstände, sondern auch eine fast gänzliche Lösung des Bandes, welches bisher die Fürsten und Reichsstädte Deutschlands noch mit dem Kaiser verbunden hatte. In diesem Sinne kann der dreißigjährige Krieg zu Zeiten wenigstens, wo das Glück der Waffen sich für den Kaiser ausgesprochen hatte, als ein Versuch von Seiten desselben angesehen werden, die völlig geschwächte Machtstellung des Kaisertums neu zu befestigen. Dies Bestreben begreift sich um so mehr, als die Bündnisse evangelischer Fürsten mit den fremden Mächten den ganzen Bestand der Reichsverfassung bedrohten. Kaiser Ferdinand II. wollte ihre Aufrechthaltung, hatte auch unleugbar das Beste des Reiches vor Augen, griff aber auch seinerseits nicht selten in die Rechte der evangelischen Fürsten ein. Dass dieser Gesichtspunkt nicht mit Unrecht hier aufgestellt wird, werden schon diejenigen politischen Ereignisse des dreißigjährigen Krieges zur Genüge zeigen, welche in den Kreis unserer Darstellung fallen. Die Maßnahmen des Kaisers und das Verhalten der einzelnen Fürsten werden nicht sowohl durch die Norm der noch immer bestehenden staatsrechtlichen Verhältnisse zwischen dem Reichsoberhaupt und den Ständen des Reichs bedingt, als dass sie vielmehr von der Macht der Tatsachen, dem jedesmaligen Verlaufe des Kriegsglückes oder anderweitiger politischer Zwischenfälle bedingt werden. Überall gibt sich eben so sehr der politische Zerfall der Reichsverfassung als die Unheilbarkeit der Glaubensspaltung kund.