Übertritte zum Kalvinismus. Die Kämpfe der lutherischen Kirche. Ihre prinzipielle Würdigung. Aufgabe der lutherischen Kirche in dieser Zeit.

Wenn wir nun die konfessionellen Gegensätze durch diese ganze Periode hindurch gehen sehen, und wenn der Kampf gegen die Kalvinisten, in Bezug auf Lehre und Ordnung der Kirche, ununterbrochen von Seiten der Lutheraner geführt wird, so darf nicht übersehen werden, dass es sich in demselben in der Tat nicht um untergeordnete Punkte handelte. Jene angeblich pragmatische Geschichtsauffassung, welche diese Kämpfe vorzugsweise gern aus der Streitsucht und Rechthaberei lutherischer Theologen erklärt, ruht auf einer gänzlichen Verkennung der faktischen Zustände jener Zeit und der realen Interessen der Kirche, für welche damals eingetreten werden musste und eingetreten wurde. Denn im Ganzen und Großen stand nichts Geringeres zur Frage als dies, ob die lutherische Kirche als solche mit ihrer bestimmten Lehrauffassung und Lehrtradition und mit der dieser gemäßen kirchlichen Ordnung fortbestehen solle oder nicht, oder ob sie in diesem ihren Bestande, fortgesetzt von dem Andringen des Kalvinismus bedroht, sich aufgeben und über kurz oder lang durch die Vernichtung ihrer doktrinären und rituellen Eigentümlichkeit aufhören sollte, das zu sein, was sie durch Gottes Gnade als Bewahrerin der reinen, aus Gottes Wort geschöpften Lehre und als Trägerin und Vermittlerin berechtigter historischer Kontinuität bisher gewesen war. Fasst man diesen Gesichtspunkt ins Auge, so wird man auch alle kirchlichen Kämpfe in dieser Periode anders zu würdigen wissen, und sie nicht unter psychologische Motive stellen, die — mögen sie immerhin bei Einzelnen stattgefunden haben — doch völlig untergeordneter und verschwindender Art sind und nimmer ausreichen, den Charakter der Zeit und ihrer Kämpfe zu erklären und in das richtige Licht zu stellen. Ohne die ernste, kräftige, den Bekenntnisstand wehrende Reaktion, welche sich in diesen Dezennien der Aggression des Kalvinismus gegenüber überall in der lutherischen Kirche zeigt, würde die Selbstauflösung ihres Bestandes die notwendige Folge gewesen sein.