Die lutherischen Fakultäten und die von ihnen vertretene Richtung

Die Universitäten nehmen in dieser Periode noch durchaus ihre eigentümliche und hervorragende Stellung ein. Die eigentlich gelehrte Bildung wird fast ausschließlich auf ihnen gewonnen, und diese beschränkt sich auch, wenigstens vorzugsweise auf die akademischen Kreise, welche ganz insbesondere als die Vertreter der Literatur angesehen wurden. Unter den Fakultäten ragt unbedingt die theologische hervor, die in dieser Zeit, in welcher die Kirche noch eine Macht war, in besonderem Sinne als Repräsentant des kirchlichen Lehrstandes angesehen wurde. Sie bewahrte noch immer den klerikalen Charakter, der ihr im Mittelalter ursprünglich beiwohnte*), obwohl er mannigfach modifiziert ist, und von anderen Grundanschauungen getragen wird. Dass die theologische Wissenschaft ein sehr bestimmtes, selbst ein teilweise bedingendes Verhältnis zur Kirche habe, wird allgemein vorausgesetzt. Bei den konfessionellen Kämpfen waren die theologischen Fakultäten in erster Linie beteiligt, und legten als gelehrte Korporationen, die zugleich mit kirchlicher Autorität bekleidet waren, ein nicht geringes Gewicht in die Wagschale. Da die lutherische Kirche der Überzeugung war, dass sie im Unterschiede von der reformierten Kirche den Heilsweg klarer zeige und gewisser verbürge, und zugleich in ihren Bekenntnisschriften wie in ihrem Lehrschatze überhaupt eine entsprechendere Erkenntnis der Heilswahrheiten zu besitzen glaubte, so mussten auch die theologischen Fakultäten an dem Kampfe gegen die reformierte Kirche zur Erhaltung und Bewahrung der von ihr bekannten Heilslehren an ihrem Teile sich entschieden beteiligen. Je allgemeiner damals die Überzeugung obwaltete, dass die entgegenstehende Konfession eben sowohl von dem Grunde des Glaubens abgegangen sei, als sie insbesondere Falsches und Fremdartiges auf dem noch bewahrten Grunde aufgebaut habe, desto notwendiger war es, dass der dogmatische Streit ausgefochten und bis in das Einzelne hinein erledigt und zu Ende geführt wurde. Nicht Lust am Streite und Rechthaberei war es, sondern meist ein aufrichtiger, gewissenhafter Eifer um das, was als notwendig zur Seligkeit, als Inbegriff des Heiles erkannt war. Dieselbe Richtung und Tendenz zeigt sich aber auch in den ernsten Kämpfen, welche mit einzelnen, von der gesunden Lehre abweichenden Häretikern, sowie mit einzelnen sektiererischen Richtungen und deren Trägern geführt wurden. Es ward dadurch auf die Erhaltung des Bandes mit der Kirche in der Einigkeit des Geistes hingewirkt, und zugleich ward durch die wissenschaftliche Bestreitung der Häresie eine tiefere und allseitigere Erkenntnis der Heilswahrheit gewonnen.

*) v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter. Bd. III. S. 232.