Die Tendenzen Frankreichs und Schwedens. Richelieu und Gustav Adolf

Dass aber das Reich nicht bloß kirchlich gespalten, sondern auch politisch zersetzt war, so dass eine völlige Zerklüftung in Aussicht stand, zeigen die verschiedenen Phasen, welche der Krieg in Deutschland durchlief, die meistens eben so sehr durch politische Motive und Zwischenfälle als durch kirchliche Faktoren herbeigeführt wurden. Es war die völlige Unbotmäßigkeit der Fürsten dem Reichsoberhaupte gegenüber, die sich in denselben auf das Klarste herausstellte. Die mächtige Einwirkung Frankreichs auf den Gang des Krieges wird allein aus politischen Faktoren abgeleitet werden können, die sich alle in dem Kampf gegen das Haus Habsburg konzentrieren und es ermöglichen, dass das katholische Frankreich als Schirmvogt der Protestanten auftritt. Es war die Zeit, wo französische Sprache und Sitte bei den deutschen Höfen zuerst Eingang fand, und ihre Herrschaft immer weiter ausdehnte. Dabei wusste Richelieu das Streben deutscher Fürsten nach Unabhängigkeit klüglich für seine Zwecke zu benutzen, und nur allzu leichtgläubig trauten dieselben den glänzenden Vorspiegelungen desselben. An die Stelle der verheißenen politischen Selbstständigkeit und Freiheit trat die völlige Loslösung und Zerreißung des alten Reichsverbandes. Teilweise gewöhnte man sich, in Frankreich den Befreier in demselben Augenblicke zu sehen, in welchem Deutschland ein Spielball französischer Interessen geworden war. Richelieus Memoiren lassen uns nicht selten einen tieferen Einblick thun in den Zusammenhang der französischen Intrigen, welche die Zerrissenheit des Reiches herbeiführten*). Und selbst das Auftreten und das entscheidende Eingreifen Schwedens in den Verlauf des Krieges, wie sehr auch die neuere Geschichtsschreibung mehrfach dasselbe zu idealisieren gesucht hat, wird entsprechend nur aus den politischen Plänen, welche Gustav Adolf von Anfang seiner Regierung an hegte, erklärt werden können, ohne dass darum die beziehungsweise stattfindende Mitwirkung kirchlicher Beweggründe geleugnet werden soll. Gewiss ist wenigstens, dass Gustav Adolf schon seit seinem im Jahre 1611 erfolgten Regierungsantritte die Blicke auf Deutschland richtete, und nur durch den dänischen, russischen und polnischen Krieg, in welche Schweden verwickelt war, sich gehemmt sah. Auch seine mehrere Jahre vor der deutschen Invasion fortgesetzten Bestrebungen, in Deutschland Verbindungen anzuknüpfen und insbesondere die Seestädte zu gewinnen, sprechen dafür. Umgekehrt achtete er es für höchst bedenklich, wenn der Kaiser festen Fuß an der Ostsee fassen sollte, und bot Alles auf, dies um jeden Preis zu verhindern *). Neben Rostock und Wismar erschien ihm der Besitz von Stralsund vorzugsweise wichtig und unerlässlich. Es spricht dafür auch der Umstand, dass diese Pläne von Schweden selbst weit über Gustav Adolfs Tod hinaus verfolgt und festgehalten worden sind.

*) Lisch, Beiträge zu der Geschichte der evangelischen Kirchen-Reformation in Österreich durch die Herzoge von Mecklenburg und die Universität Rostock, namentlich durch Dr. David Chyträus, Jahrbücher XXIV, S. 79.


**) Es ist nur die Folge einer prinzipiell durch und durch verkehrten Auffassung, wenn Sugenheim Richelieus Politik in zwei Phasen teilt und von der ersten aussagt, dass sie „eine überaus ersprießliche und rettende, die Emanzipation Deutschlands von der Hegemonie Habsburgs mächtig fördernde“ gewesen sei. Nicht minder äußerlich und unrichtig ist seine Auffassung der zweiten Phase, dass erst Gustav Adolfs Triumphe den Neid des Kardinal-Ministers und die schnelle Eroberung bedeutender deutscher Länderstriche durch den Schwedenkönig in Richelieu die Lust geweckt hätten, auch für Frankreich Beute zu machen. Vgl. S. Sugenheim, Frankreichs Einfluss auf und Beziehungen zu Deutschland seit der Reformation bis zur ersten französischen Staatsumwälzung. Bd. II. S. 37 f.

***) Geijer, Geschichte Schwedens. Bd. III. S. 143 ff.