Die Landeshoheit und das ihr zugefallene jus episcopale

Es verdient aber hier besonders hervorgehoben zu werden, dass seit der Reformation die Stellung der protestantischen Fürsten sowohl dem Reichsoberhaupte gegenüber in mancher Beziehung, als auch ganz insbesondere ihren Untertanen gegenüber dadurch in bedeutsamer Weise verändert worden war, dass denselben, nachdem die Bischöfe auf die Reformation nicht eingegangen waren, die Ausübung des jus epicopale durch die Macht der geschichtlichen Verhältnisse zugefallen war, und zwar nicht durch irgend welche Übertragung und Verleihung, sondern allein kraft der ihnen zustehenden Landeshoheit, mit welcher sich zwar nicht an sich, aber geschichtlich und unterscheidbar die Kirchengewalt verknüpft hatte*). Übten dieselben nun auch ursprünglich das jus episcopale als einen Dienst aus, den sie der Kirche schuldeten, und wurden von ihnen das geistliche und das weltliche Regiment gesondert und auseinander gehalten, so lässt sich doch keinesweges übersehen, dass die Landesherren durch die Ausübung der wegen tragenden landesfürstlichen Amts ihnen zuständigen Kirchengewalt einen bedeutenden Zuwachs an Macht erhielten, insofern der Inhalt des jus episcopale, das von ihnen in ihren Territorien geübt wurde, auch auf die staatlichen Verhältnisse einen bedingenden Einfluss äußern mussten. Noch dauerten indessen die Bestrebungen ständischer Kooperationen und einzelner Stadtmagistrate, welche keine reichsunmittelbare Stellung, noch Gewalt besaßen, fort, das jus episcopale sich zuzueignen, so dass in dieser Periode die Landesherren um so mehr darauf bedacht waren, die Ausübung des oberbischöflichen Rechtes sich zu bewahren, als sie wohl erkannten, wie bedenklich es sei, wenn sie genöthigt werden sollten, dieses Recht, das ihnen in ihrer Eigenschaft als Landesherren zugefallen war, mit jenen ihnen untergebenen Faktoren zu teilen, wodurch nur zu leicht eine Zertrennung der Landeskirchen, die sich gebildet hatten, sich hätte vollziehen können. Überdies erkannten die Reichsgesetze seit dem Religionsfrieden die Küchengewalt der protestantischen Fürsten mehr und mehr an. Dass aber dann auch eine verhältnismäßige Schwächung ihrer politischen Machtverhältnisse sich bei der Wechselwirkung der kirchlichen und politischen Verhältnisse daraus ergeben werde, konnte ihnen nicht entgehen. Noch weniger waren sie geneigt, in der Weise der reformierten Landeskirchen der Gemeinde einen Anteil an der Kirchenleitung zuzugestehen, und hielten, kirchlich und politisch konservativ, wie das Luthertum seinem ganzen Wesen und seiner geschichtlichen Entwickelung nach ist, an dem erworbenen Besitzstand der oberbischöflichen Rechte in ihrem ganzen Umfange fest, in denen für sie die Pflicht begründet lag, für das Seelenheil ihrer Untertanen Sorge zu tragen.

*) Diese Kirchengewalt erwuchs innerhalb der Reichsverfassung durch die negative Bestimmung des Augsburger Religionsfriedens § 20, dass die geistliche Jurisdiktion wider der Augsburgischen Konfessions-Religion etc. nicht exerziert, gebraucht oder geübt werden, sondern bis zu endlicher christlicher Vergleichung, der Religion die geistliche Jurisdiktion ruhen, eingestellt und suspendiert sein und bleiben solle.