Das jus reformandi bei Landesherren und seine Bedeutung

Bringen wir überdies in Anschlag, dass den Landesherren das jus reformandi in ihren Territorien zustand, und dass sie bei ihrer damaligen inneren Stellung zum Bekenntnis der Kirche, welcher sie angehörten, gerade hierauf großes Gewicht legten, so begreift sich, wie sie bemüht waren, das jus episkopale sich zu erhalten, und die kirchlichen Institutionen mit den staatlichen Verhältnissen ihres Territoriums enge zu verknüpfen. Bei dem tiefen Gegensätze aber, welcher zwischen der lutherischen und calvinischen Konfession Statt hatte, konnte, je nachdem ein lutherisch oder calvinisch gesinnter Landesherr von dem ganzen Umfange seiner oberbischöflichen Rechte Gebrauch machte, der ganze kirchliche Zustand eines Territoriums reformiert oder wenigstens fortgesetzt in Frage gestellt werden. Jedoch hatte der Passauer Vertrag nur den Anhängern der alten Religion und denen der Augsburgischen Konfession die Religionsfreiheit zugesichert, und selbst nach dem Wortlaut des Religionsfriedens waren die Reformierten nicht in denselben eingeschlossen. Mochten nun auch faktisch dieselben der Wohltaten des Religionsfriedens teilhaftig geworden sein, so war doch die Duldung der Sekten, welcher keine der im Reiche rezipierten Religionsparteien das Wort redete, selbstverständlich ausgeschlossen. Die Landesherren lutherischen Bekenntnisses haben indessen bei allen staatlichen Institutionen, welche in dieser Periode in ihren Territorien entweder ins Leben traten oder weiter ausgebildet wurden, mit großer Energie darauf gesehen, dass sie mit dem Worte Gottes und dem Bekenntnis der Kirche im Einklange waren, um die ihnen durch den Besitz der Kirchengewalt überkommenen Pflichten auch möglichst auf staatlichem Gebiete zur Ausübung zu bringen. Jeder Einfluss häretischer Auffassungen, mochten diese nun von einzelnen Irrlehrern oder von Sekten ausgehen, wurde fern gehalten. Mochte auch im Einzelnen hier fehlgegriffen sein, so wird doch nicht verkannt werden können, dass auf diesem Wege eine lebendige Einheit der kirchlichen und politischen Entwicklung angestrebt, beziehungsweise verwirklicht worden ist, und dass die enge Verbindung der Kirche und des Staates mit einander sich dadurch von unberechenbarem Segen erwies, dass der kirchliche Glaube zu einer das öffentliche Leben durchdringenden und seine Institutionen beherrschenden Macht wurde.