Die Räumlichkeiten und Tischsitten

In den Räumen bemerkte man überall die größte Reinlichkeit, die schon von der, nach gewissen religiösen Vorschriften geordneten Lebensweise gefordert wird; man hielt übrigens Reinlichkeit als das beste Mittel, den Ausbruch von Krankheiten fern zu halten, wie in der Tat zur Zeit der herrschenden Epidemien eine geringere Sterblichkeit unter den Juden vorkam und dadurch der Verdacht der Brunnenvergiftung gegen sie hervor gerufen wurde. Vorzüglich war man am Freitag geschäftig, um zu Ehren des Sabbat Alles fein säuberlich herzurichten. Mit dem Eintritt des Freitagabends wandelte sich auch die ärmlichste Hütte in einen Palast voll Seligkeit und Wonne. „Steigt die Sabbatlamp' herab, wendet Not und Sorg sich ab“.

Die von der Decke des Zimmers über der Mitte des Tisches herabhängende siebenzackige Lampe wurde nämlich vor Eintritt des Sabbat herabgelassen und nach Sabbat-Ausgang wieder hinaufgezogen, und es ist bezeichnend das altjüdische Sprichwort, welches sich hiervon gebildet hat: „Lamp' herunter, Sorg' hinauf! 102)“ - Interessant ist die Schilderung des Chronisten Anselmus de Parengar im 15. Jahrhundert 103), die er uns von der Wohnung des Hochmeisters Samuel Belassar zu Regensburg hinterlassen hat: „Das Haus, von außen ein schwarzgrauer, moosiger, in Untermischung mit kleinen und großen dicht verstabten Fenstern versehener anwidernder Steinhaufe, kaum wohnlich scheinend, hatte einen mehr denn 80 Fuß langen, am Sabbate nur sparsam erleuchteten Gang, der zu einer dunkeln, halb verfallenen Wendeltreppe führte, von da man, rabenschwarzer Nacht wegen, an den Wänden bis zum Hintergebäude sich fortschleppen musste.


Eine wohlverwahrte Pforte tat sich auf und man trat in ein mit Blumen freundlich geschmücktes, an Glanz, Wert und Herrlichkeit reiches Gemach. Dieses, an den Wänden mit fein poliertem Holze getäfelt und geziert, mit bunten wellenförmig verschlungenen Vorhängen und künstlichem Schnitzwerk, war des Hofmeisters Haustempel, worin das Sabbatfest begangen wurde unter dem Wechsel religiöser Handlungen mit lieblichen Genüssen. Ein wertvoller, bunt-bilderreicher Teppich bedeckte den blank gescheuerten Boden, eine brennendrote, feinwollige Decke den runden, auf vergoldeten Füßen ruhenden Tisch und über ihnen schwebte, an glänzender Metallkette befestigt, der siebenarmige Leuchter; blinkend wie aus dem Gusse und aus sieben Lampen einen Lichtstrom ausströmend. Den Festmahlstisch, geschmückt mit silbernen Bechern von schwerem Gewicht und von Meisterhand gefertigt, umstanden Stühle von hohen, goldverzierten Lehnen und Polstern von geschorenem Samt. In einer Nische lud das massiv silberne Waschbecken mit dem reichvergoldeten Hähne zu den satzungsmäßigen Handwaschungen ein und die feinsten Linnen, seidendurchwebt, von hohem Preise, trockneten die gereinigten Hände.

Ein meisterhaft eingelegter Eichentisch, von Blumengewinden umgürtet, mit den Festspeisen und dem glänzenden Weinkruge besetzt, ein Ruhebett in orientalischem Geschmacke mit schwellenden Seidenpolstern und ein Silberschrank, gefüllt mit Kleinodien, Goldketten und Spangen, vergoldeten und silbernen Gefäßen und seltenen hoch giltigen Altertümern waren der reiche Rahmen, der dieses Gebilde des Glanzes, der Pracht und Herrlichkeit des hochmeisterlichen Haustempels würdig umschloss“, Allerdings passt diese Schilderung nicht für ein jedes Haus; doch auch der Ärmste war bemüht, den Sabbat äußerlich zu schmücken und auszuzeichnen. Dazu gehörten auch die drei Hauptmahlzeiten des Tages, nämlich am Freitag Abend, am Sonnabend zu Mittag und die dritte Mahlzeit vor Abend, wenn diese nicht, wie es besonders im Winter geschah, unmittelbar nach der zweiten Mahlzeit als Nachtisch folgte 104). Am Freitag Abend speiste man gewöhnlich Pasteten und Fische mit der im Mittelalter so sehr beliebten Pfefferbrühe 105). An diesem Abende fand besonders die studierende Jugend Zeit und Gelegenheit zur geselligen Unterhaltung 106). Am Tage, nach beendigtem Gottesdienste, stattete man Kranken oder Trauernden Besuche ab und setzte sich dann zu Tische 107). Man nannte diese Mahlzeit sur table, die in dem Ofen des Winterhauses bewahrten Speisen aber schalent, d. h. Gewärmtes 108).

Die dritte Mahlzeit, zum Vesper, genannt marendar, bestand in Fischen oder Geflügel, auch in Pasteten und Früchten 109); am Rhein genoss man hart gekochte Eier mit Petersilie und Essig 110). Am Nachmittage pflegte man einen Spaziergang zu machen, gewöhnlich ans Wasser, wo man gerne dem Spiel der Fische zusah, denen man Krümchen zuwarf 111) und wobei man sich gar sehr freuen konnte, wenn die Fische an die Oberfläche kamen, um die Brosamen zu erhaschen 112). Ob hiermit die Entstehung des erst von dem Verfasser des Maharil erwähnten Gebrauchs, am Neujahrstage ans Wasser zu gehen, in Verbindung steht, lässt sich vermuten. Man versammelte sich auch gerne, um im traulichen Kreise, häufig auf Bauhölzern lagernd, zu politisieren, d. h. Neuigkeiten von den Potentaten und deren blutigem Handwerk zu erzählen 113). Las man doch auch gerne Kriegshistorien und nahm Partei für diesen oder jenen Machthaber 114). Einen wesentlichen Bestandteil der Volkslektüre aber bildeten Sittenschriften und die Testamente großer Männer 115), welche einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den sittlichen Zustand der Juden übten, inmitten einer nichtjüdischen Umgebung, deren Leben um seine sittliche Färbung keineswegs zu beneiden war. Es kann hier nicht unsere Absicht sein, auf die eigentliche Volksliteratur und die Lektüre der deutschen Juden näher einzugehen; reiche Belehrung hierüber bietet Dr. Steinschneider in seiner Monographie „über die Volksliteratur der Juden“.