Der Jugendunterricht der Knaben und Mädchen

Dem Jugendunterricht in jeglicher Weise förderlich zu sein, galt für hohes Verdienst. Man hielt es für löblicher, zu diesem Zwecke, als zur Unterhaltung der Synagoge beizutragen.11) Alphabete für den ersten Unterricht anzufertigen, die biblischen Bücher oder einzelne Traktate des Talmud zu schreiben und für die Jugend herzugeben, ward als eine Obliegenheit eines jeden Frommen angesehen.12) Alles, was nur mit dem Unterrichte in Berührung kommt, galt als heilig; so sollten die Hölzchen, mit denen auf die Buchstaben des Alphabets gezeigt wird, nicht zu profanem Zwecke, z. B. als Zahnstocher, verwendet werden 13).

Die Zeit des Unterrichts sollte durch Nichts gestört oder unterbrochen werden; „selbst wenn der Bau des Tempels zu Jerusalem in Frage stände (als das wichtigste religiös-nationale Ereignis), darf um des willen keine Schulversäumnis stattfinden“, lautet ein talmudischer Ausspruch (Sabbat 119b). Man hielt den Lehrer, der einzelne Stunden erteilt, für verpflichtet, einen Stundenanzeiger anzuschaffen, um genau die festgestellte Unterrichtszeit innehalten zu können.14)


Der Lehrer sollte die individuellen Anlagen der Schüler prüfen und hiernach den Unterrichtsstoff für sie bemessen. „Gewöhne den Knaben nach seiner Weise“, sollte als leitender Grundsatz dem Lehrer stets vor Augen sein. Bemerkt er keine Fortschritte des Schülers auf dem schwierigen, talmudischen Gebiete, so sollte er ihn nicht länger mit einem zwecklosen Unterrichte quälen, vielmehr bei dem biblischen Unterrichte verbleiben, nebenbei aber Auszüge aus halachischen Werken, wie auch Kommentare zur Schrift und den Vortrag des akzentuierten Textes in den Unterrichtsplan eines solchen Schülers aufnehmen 15).

So wurden immer nur Befähigtere zum Studium des Talmud geführt, für das es besondere Lehrstätten gab. Hier widmete sich die reifere Jugend unter der Leitung der Lehrer mit ernstem Fleiße der Forschung, für die nicht allein der ganze Tag, sondern zum Teil auch die Nacht verwendet wurde; ja nicht selten geschah es, dass man auch die Nächte einer ganzen Woche im Lehrhause dem Studium opferte; man begnügte sich, in einer kurzen Unterbrechung dem Schlafe sich zu ergeben und erst in der Sabbatnacht der erquickenden Ruhe vollständig zu genießen 16).