Perioden der deutschen Geschichte

Er gab viele Gelegenheit zu dramatischer Handlung, aber grade er ist charakteristisch für eine durchaus undramatische Periode der Volksbildung. Denn nicht aus dem Innern des Menschen quillt Wort und charakteristische Geberde, von außen her treten sie mit imponierender Gewalt an den Einzelnen, ihn leitend, formend, beschrankend.

Solche Gebundenheit durch Ordnung und Zucht gehört der epischen Zeit des Volkes an.


Wie das deutsche Gemüt sich in dieser langen Zeit innerer Unfreiheit darstellte, soll auf den folgenden Blättern gezeigt werden. Aber auch, wie das Leben des Volkes sich allmählich zu größerer Freiheit heraufarbeitete. Nicht die politische Geschichte der Nation soll erzählt und durch Berichte aus alter Zeit bestätigt werden. Nur wie das Leben Einzelner, zumeist der Kleinen, unter den großen politischen Ereignissen verlief und durch den Zug der deutschen Natur gestaltet wurde, wird in einer Reihe von Bildern gezeigt.

Das Mittelalter des deutschen Volkes zerfällt in zwei Abschnitte. Der erste reicht von den Anfängen deutscher Geschichte bis zum Ende der Hohenstaufen. Er umschließt die Römerkriege, die Völkerwanderung, die Einführung des Christentums, die Gründung und Blüte des mittelalterlichen Staates, die Herrschaft der römischen Kirche.

Der zweite Abschnitt beginnt mit dem Heraufkommen des Hauses Habsburg. Er umfasst die Auflösung des alten Staatsverbandes und die Befestigung der Territorialhoheiten, das Aufblühen der Städte und den Beginn der Geldwirtschaft, die Verwilderung des Niedern Adels und die Zunahme der bäuerlichen Unfreiheit, die großartige Kolonisation der Slawenländer im Osten und den Beginn des Kampfes gegen die römische Kirche. Aus ihm führt die Erfindung des Bücherdruckes zu der Reformation.

Mit der Reformation geht die neue Zeit des deutschen Lebens auf. Nach der mächtigen Erhebung des sechzehnten Jahrhunderts zerstört im siebzehnten eine furchtbare politische Katastrophe, aus Schwäche und Erstarrung erwacht im achtzehnten Jahrhundert der moderne Geist.

Was im Folgenden nach alten Aufzeichnungen abgedruckt wird, ist meist Bericht vergangener Menschen über ihr eigenes Schicksal. Es sind zuweilen unbedeutende Momente aus dem Leben der Kleinen. Aber wie uns jede Lebensäußerung eines fremden Mannes, der vor unser Auge tritt, sein Gruß, seine ersten Worte das Bild einer geschlossenen Persönlichkeit geben, ein unvollkommenes und unfertiges Bild, aber doch ein Ganzes: so hat, wenn wir nicht irren, auch jede Aufzeichnung, in welcher das Treiben des Einzelnen geschildert wird, die eigentümliche Wirkung, uns mit plötzlicher Deutlichkeit ein farbiges Bild von dem Leben des Volkes zu geben, ein sehr unvollständiges und unfertiges Bild, aber doch auch ein Ganzes, an welches eine Menge von Anschauungen und Kenntnissen, welche wir in uns tragen, blitzschnell anschießen, wie die Strahlen um den Mittelpunkt eines Kristalls.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Mittelalter