Abschnitt 2

16 Neues Schaffen.


Nach sechs Stunden erreichten wir endlich das Dorf Splügen, ganz erstarrt vor Kälte. Ein erträglich gutes Mittagessen wartete unser, bei dem man sich wieder erholte. Hier bestiegen wir einen ordentlichen Eilwagen auf Schlittengestell und kamen gegen 8 Uhr Abends ohne weitere Hindernisse nach Chur und am nächsten Morgen nach Lindau, wo ich die Nacht hindurch ausruhte. Von hier kam ich nach anderthalb Tagen wohlbehalten mit meinem Bilde in München an.


Mein erstes Bild von Radetzky, das ich im Spät herbst 1848 nach München brachte, hatte großes Interesse erregt wohl mehr des dargestellten Gegenstandes wegen als des wirklichen Kunstwerthes. Mit um so größerem Interesse betrachtete man jetzt, ein Jahr später, in München das Bild der Schlacht von Novara. Die vielen Portraits von hervorragenden Persönlichkeiten jener Heldenzeit, die getreue Auffassung der Kostüme, sowie der Charakteristik der verschiedenen Nationalitäten, verbunden mit einer genauen Darstellung des Terrains und besonderer Episoden konnten ihren Eindruck nicht verfehlen. Die vielen Besuche in meinem Atelier verzögerten die letzte Vollendung des Bildes.

Im Sommer 1850 überbrachte ich das Bild dem Kaiser nach Wien. Er verlieh mir persönlich den Franz-Joseph-Orden. Ich erhielt bei Hofe und in der Stadt allenthalben Beweise von Auszeichnung. Besonders feierte mich der kunstsinnige Kaufmann Herr von Arthaber.

Schon ehe ich nach Wien ging, hatte mir König Ludwig den Auftrag gegeben, ein großes Bild der Schlacht bei Custozza zu malen. Um die nöthigen Studien hiezu zu machen, fuhr ich gleich von Wien nach Italien, hielt mich einige Tage in Verona und Villafranca auf und machte, nachdem ich mir genaue Kenntniß des Terrains verschafft hatte, meine landschaftlichen Studien nach der Natur in Oel. Einige Wochen verlebte ich zu diesem Zwecke in Riva an dem reizenden Gardasee, begab mich dann nach Mailand, woselbst ich mit meinem Sohne Eugen zusammentraf, und entwarf die Skizze zu meinem ganzen Bilde. Während dieses Aufenthaltes in Mailand wurde ich ganz unerwartet von einem Besuche meiner Frau überrascht, wodurch unsere Rückkehr nach München um einige Wochen sich hinausschob. So kam der Herbst herbei.

Unsere Rückreise über den Splügen war diesmal glücklicher, von herrlichem Wetter begünstigt. Mit Lust durchwanderte ich wieder diese romantisch-großartigen Gebirge. In Bregenz traf ich den Kaiser, der dort eine Zusammenkunft mit den Königen von Bayern und Württemberg hatte. Er empfing mich mit gewohnter Liebenswürdigkeit und erfreute mich mit dem Auftrage, ein größeres Bild aus dem ungarischen Feldzuge zu malen. Den Gegenstand durfte ich selbst wählen.

So kehrte ich denn frohen Herzens mit einem zweiten Auftrag nach München zurück, noch ehe ich den ersten, von König Ludwig erhaltenen, die Schlacht von Custozza zu malen, begonnen hatte.

Mit Lust setzte ich mich nun wieder zu München an meine Staffelei und arbeitete fleißig, wie ich stets gewohnt war.

Eine Krankheit brachte zwar einige Störung in meine Arbeiten, da mir aber mein talentvoller Sohn Franz hilfreiche Hand leistete, kam das Bild doch im Sommer 1852 zur Vollendung und erhielt die vollste Zufriedenheit König Ludwigs. 2)

Ungesäumt machte ich mich nun auf den Weg nach Wien, um mich dann nach Ungarn zu begeben und mir auf dem Kriegsschauplatz die nöthigen Studien und Kenntnisse für ein neues Bild zu sammeln. Ich konnte mich nie recht dazu bequemen ein Bild von einer Schlacht aus der Neuzeit zu malen, –ohne selbst an Ort und Stelle gewesen zu sein, wo sie vorgefallen ist; es hat dies theils in der mir angeeigneten Liebe zur Wahrheit seinen Grund, theils fand ich auch oft, daß das Terrain für die Komposition des Bildes manchen Stoff bietet, wodurch das Interesse des Ganzen erhöht wird. In der Zwischenzeit und bevor ich diese Reise antrat, hatte ich mich, so viel wie möglich, durch gute Schriften über die Kriegsereignisse in Ungarn zu unterrichten gesucht und fand, daß sich dort eine Fülle von Stoff zu interessanten Bildern bietet, daß es nicht schwer wurde einen Gegenstand zu wählen. Ich machte deßhalb dem Kaiser, als ich nach Wien kam, den Vorschlag, mich in Begleitung eines wohlunterrichteten Offiziers nach Ungarn zu schicken, dort wollte ich mehrere Skizzen und Entwürfe zu Bildern machen und sie ihm dann vorlegen, um selbst wählen zu können, welchen Gegenstand er zur Aus führung am geeignetsten finde. Dies leuchtete dem Kaiser sogleich ein und noch in derselben Stunde wurde die Disposition zu meiner Reise getroffen. Ich erhielt eine offene kaiserliche Ordre an alle Civil- und Militärbehörden, mich überall frei passiren zu lassen und mir in allem, was ich zu meinen Zwecken bedurfte, Vorschub zu leisten, auch wurde ein kenntnißreicher Offizier Hauptmann Friedberger vom Generalstab, bis von Temesvar her beordert, mich auf der ganzen Reise zu begleiten. Mit diesem traf ich in Raab zusammen und nachdem ich das Nöthige dort gezeichnet, setzten wir unsere Reise über Komorn, Pesth, Szegedin, Szorrey bis Temesvar fort; an allen diesen Orten hielten wir uns kürzere oder längere Zeit auf um zu zeichnen was zu meinem Zwecke dienlich sein konnte, und wurden dabei von der Sonne tüchtig verbrannt. Der Sommer war sehr heiß, bis wir nach Temesvar kamen, stieg die Hitze auf 30 Grad, was auf diesen unabsehbaren Ebenen in Ungarn ziemlich lästig werden kann. Es erregte übrigens mein höchstes Interesse, dieses mir bis jetzt noch unbekannte Land mit seinem ganz eigenthümlichen Menschenschlag nebst allen übrigen Einrichtungen kennen zu lernen und gerne hätte ich den ganzen Sommer dort verweilt, wenn Zeit und Umstände es gestattet hätten.

Am meinem Begleiter fand ich einen geistreichen, genialen und angenehmen Mann, er zeichnete selbst mit sehr viel Talent. Mein Sohn Franz begleitete mich auf der ganzen Reise und so durchzogen wir Ungarn der Länge nach, wenn auch unter mancherlei Beschwerden und Entbehrungen, doch auf eine sehr angenehme Weise, und sammelten reichen Stoff zu Bildern.

Unsern Rückweg nahmen wir über Arad und Mezö-Högyes, woselbst uns eine überaus gastliche Aufnahme zu Theil wurde; in diesem großen kaiserlichen Gestüt sahen wir sehr vieles, was von höchstem Interesse für uns war. Auf dem Rückwege verweilten wir noch zehn bis zwölf Tage in Pesth, dort arbeitete ich die gesammelten Zeichnungen ein wenig aus, um sie bei meiner Ankunft in Wien dem Kaiser gleich vorlegen zu können.




2) Dieses Bild, die Schlacht von Custozza (bei Montegadio, am 25. Juli 1848), nun in der Neuen Pinakothek zu München, schildert Herr Dr. O. von Schorn (in Eggers Deutschem Kunstblatt 1851, S. 374 ff.): „Custozza liegt unsichtbar hinter dem hervorragendsten Hügel des Hintergrundes, auf welchem die Piemontesen sich kräftig verschanzt haben. Entscheidender Moment der Schlacht. Das Regiment Kinsky rückt vom Vordergrunde links her in’s Feuer, ihm zur Seite mit geschwungenem Degen der tapfere Hauptmann Graf Salis (blieb später bei Novara), den verwundeten Hauptmann Graf Lippe grüßend. Am Baume rechts, ruhig in das blutige Getümmel blickend, steht der Feldmarschall-Lieutenant Franz Graf von Wimpffen und nach vorn gewendet der kommandirende Feldmarschall-Lieutenant d’Aspre, im Gespräch mit dem Obersten von Schmerling, zu Pferde. Neben ihm schaut Molinari (nachmals Oberst vom Pioniercorps und der Flotille auf der Donau und dem Gardasee) durch ein Fernrohr. Den Fürsten Edmund von Schwarzenberg, der in der größten Noth einem Kaiser-Infanterieregiment zu Hilfe kam, erblicken wir zu Pferde weiterhin rechts und zwischen diesen Gruppen und dem Regiment Kinsky den Adjutanten Hauptmann Prosche und den Hauptmann Steinhauser, Ordonnanzoffizier von d’Aspre, sowie den Rittmeister Grafen Pappenheim, Sohn des verstorbenen bayer. Feldzeugmeisters, im Begriff, auf’s Pferd zu steigen. Das ganze Bild zerfällt demnach in zwei Haupttheile. Zur Linken das Vordringen eines muthig angreifenden Regimentes, zur Rechten die Zusammenstellung der Mitglieder des Offizierscorps, der oben erwähnten Portrait-Figuren. Der letzteren eine so große Menge, wegen ihrer Anzahl nur in geringem Maßstabe ausgeführt, in der Darstellung einer Schlachtenscene zu vereinigen, war für den Künstler keine geringe Aufgabe. Adams bewährtes Compositionstalent hat alle Schwierigkeiten, die sich bei der Lösung derselben hätten darbieten können, mit Meisterschaft überwunden. Der Eindruck des Ganzen gibt das wilde Getümmel und wirre Treiben eines, theils noch geführten, theils schon vollendeten Kampfes, und doch sondert sich, bei genauem Hinblick, diese bunte Masse der verschiedensten Figuren in einzelne verständliche Gruppen, welche für sich herausgenommen und gleichsam als besondere, geschlossene Ganze betrachtet werden können. Erblicken wir hier eine tapfer an greifende Truppenabtheilung, welche, die Dampfwolken drohender Geschütze mißachtend, gegen den Feind losstürmt, so erscheinen uns dort die Schrecken der Verwundung und des Todes in den mannigfaltigsten und verwickeltsten Situationen. In wie weit der Aehnlichkeit erwähnter Portraits Genüge geleistet, können wir nicht bestimmen, aber auch hierin läßt sich bei der Genauigkeit des Meisters die Erreichung der Wahrheit voraussetzen, soweit dieselbe bei so kleinem Maßstabe der Köpfe zu erfüllen möglich war. Die technische Darstellung ist sorgsam und fleißig, die allgemeine Haltung in der Farbe frischer und lebendiger, darum aber von größerer, malerischer Wirkung, als es bei vielen früheren Bildern Adams der Fall war.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers