Abschnitt 1

16 Neues Schaffen.


Meine erste Arbeit in München war nach meiner Heimkehr die Ausführung des Portraits von Radetzky. Ich suchte ein Ganzes daraus zu machen und umgab ihn in meinem Bilde mit einer Anzahl seiner Getreuen. 1) General Falkenheim, der das Bild in München gesehen, hatte dem jungen Kaiser Franz Joseph davon gesprochen. Bald darauf erhielt ich Briefe aus Olmütz mit der Anfrage, ob ich nicht gesonnen wäre, es dem Kaiser käuflich zu überlassen. Ich antwortete, daß ich dieses Bild mehr als Skizze und in einem Maßstabe begonnen hätte, bei dem es mir schwer fallen dürfte, dem Bilde jenen von mir gewünschten Kunstwerth zu geben. Ich würde es darum vorziehen, es frisch zu beginnen und mit irgend einem Moment aus den kriegerischen Ereignissen in Italien zu verbinden. Auf diesen Vorschlag ging der Kaiser ein und unverzüglich machte ich mich an das Werk. Ich wählte dazu die Erstürmung der Höhen des Monte Berico bei Madonna del Monte in der Schlacht bei Vicenza. Im März 1849 brachte ich es zur Vollendung und reiste selbst damit nach Olmütz, um es dem Kaiser persönlich zu überreichen. Von da an eröffnete sich mir eine neue, höchst erfreuliche Laufbahn mei nes Künstlerlebens als Schlachtenmaler.


Ich fand in Olmütz eine ungemein liebreiche Aufnahme. Der junge Kaiser äußerte große Freude über das Bild und zeichnete mich bei jeder Gelegenheit sichtbar aus. Ich erhielt den Auftrag, ein Reiterportrait von ihm zu malen, was ich um so freudiger unternahm, als dieser junge Herr eine sehr schöne Erscheinung zu Pferde war, ein Bild der Jugendfrische und des Muthes, dazu ein vortrefflicher Reiter.

Einige Monate verlebte ich so in den angenehmsten Verhältnissen in Olmütz. Je näher ich den Kaiser kennen lernte, desto mehr fühlte ich mich zu ihm angezogen. Aber stets mischte sich auch eine Art wehmüthiges Gefühl ein, wenn ich ihn in seiner jugendlichen Unbefangenheit betrachtete und daran dachte, welchen Kämpfen und Prüfungen er entgegengehe und wie schwer es ihm bei seinem edlen Herzen und zarten Gefühle werde, die Aufgaben zu lösen, die ihn erwarteten.

Während meines Aufenthaltes in Olmütz kam durch einen Courier die Nachricht von dem Siege bei Novara. Ich speiste gerade an diesem Tage an der kaiserlichen Tafel. Gleich nach derselben machte mir der Kaiser die Mittheilung, er wünsche ein Bild dieser Schlacht von mir zu haben.

Das Portrait des Kaisers trachtete ich nun baldmöglichst zu vollenden, es zog mich unwiderstehlich nach Italien. Sobald ich mit ihm fertig war, eilte ich nach München, wo noch einige Arbeiten meiner warteten.

Große Ereignisse regen immer zur Begeisterung an; als ein solches betrachtete ich die Schlacht bei Novara. Nach vielen Drangsalen und Wirren, die ein Jahr früher Recht und Gesetz und alles, was dem Menschen heilig ist, zu untergraben drohten, hatte das Schwert wieder den Boden des Rechtes bezeichnet und dem Gesetze seine Kraft zurückgegeben. Ich brannte darum vor Eifer, das Bild dieser Schlacht beginnen zu können, allein erst im Juli gelang es mir in München loszukommen.

Die Reise machte ich über Wien, wo ich noch einige Instruktionen einzuholen hatte; auch in Triest mußte ich noch verweilen, um einen Enkel in Sr. Majestät Marine einreihen zu lassen, und kam daher erst im August nach Mailand.

Meine Absicht war Anfangs mich bloß in den Besitz von Studien dieser Schlacht zu setzen. Mein braver Sohn Eugen hatte mir auch hier bedeutend vorgearbeitet: er war selbst während der ganzen Schlacht anwesend, hatte das Terrain von mehreren Seiten gezeichnet und eine Menge höchst interessanter Studien gemacht – Studien, die man nur im Kriege sich sammelt und die Niemand zu erfinden vermag. Der Soldat ist im Kriege ein ganz anderer als im Frieden, der vie len wunderlichen Zufälligkeiten nicht zu erwähnen, welche in einer Schlacht vorkommen.

Einen besonderen Vortheil bot es mir ferner, daß in Mailand noch viele bedeutende Persönlichkeiten anwesend waren, die der Schlacht bei Novara beigewohnt. Dieser Umstand bestimmte mich, mein Bild nicht, wie ich im Sinne hatte, in München zu malen, sondern es unverzüglich in Mailand zu beginnen, um die Portraits, die ich darauf anzubringen gedachte, gleich nach der Natur hineinmalen zu können, was mir große Vortheile bei der Ausführung verschaffte.

Es ist ein natürliches Gefühl eines bedeutenden Menschen, daß er einen Werth darein legt, durch Schrift oder Bild der Nachwelt überliefert zu werden. Dieses Gefühl ist doppelt stark bei dem Soldaten: der einzige Lohn dafür, daß er sein Leben so oft einsetzen muß, ist das Bewußtsein seiner Thaten und die Ehre. Dieser Umstand bereitet aber dem Schlachtenmaler oft große Verlegenheit, weil sich jeder gerne auf einem solchen Gemälde verewigt sehen möchte, sei er nun dazu berechtigt oder nicht. Auch dieser Umstand bestimmte mich dazu, in Mailand zu bleiben, um durch die militärischen Autoritäten, die ich noch traf, ungeeigneten Anforderungen zu entgehen, denn alle, die sich in einer solchen Schlacht ausgezeichnet und an verschiedenen Punkten gekämpft haben, kann man doch nicht auf ein Bild bringen.

Mit großer Lust arbeitete ich nun und die Liebe zu diesem Auftrage half mir die Widerwärtigkeiten überwinden, die der kalte Winter in Italien von 1849 auf 1850 mit sich brachte.

Im November ging ich auf einige Tage nach Verona, um Radetzky zu begrüßen, der inzwischen von seinem Triumphzug aus Wien zurückgekehrt war. Ich traf ihn nach der Tafel allein in seinem Zimmer, am Kamine sich wärmend. Er empfing mich mit gewohnter Herzlichkeit und sagte, indem er mich treuherzig bei der Hand faßte: „Sie finden von all den Leuten, die Sie sonst gewöhnt waren um mich zu sehen, Niemand mehr als Schlitter und Leykam. Das sind die Einzigen, die mir treu geblieben sind.“ Ich glaubte auch in seinen Zügen zu lesen, daß er sich verlassen fühlte. Seine alten Waffengefährten, mit denen er noch vor 7 Monaten so heiter verkehrte, schienen ihm zu fehlen. Heß war in Wien zurückgeblieben, Schönhals kam nach Frankfurt, Andere suchten den Lohn für ihre Leistungen in der Beförderung zu höhern Stellen und waren von dannen gezogen.

In Wien hatte man Alles aufgeboten, um den Feldmarschall zu ehren; aber so wie ich ihn kannte, war dort nicht die Luft, in der er sich behaglich fühlte. Sein Ehrgeiz wurde durch seine Erfolge genügend befriedigt; der äußere Glanz, die Hoffeste und Ehrenbezeigungen, die zahllosen Besuche, die er erhielt, die vielen Seccaturen von Leuten, welche seinen Einfluß zu benützen trachteten, die unruhigen Nächte, welche große Festlichkeiten mit sich bringen, mit einem Worte die ungeregelte Lebensweise, konnte ihn nur ermüden. Sein edles, großes Herz hatte ganz andere Bedürfnisse. Radetzky war durch und durch Soldat, seine Denkart war philosophisch, seine Lebensweise höchst einfach, seine Kleidung und äußere Erscheinung höchst anspruchslos, ja nachlässig, und aus allem konnte man sehen, daß er für äußern Glanz keinen Sinn hatte. Der strenge Begriff, den er von seiner Stellung als Feldherr hegte, trieb ihn allein zu großen Thaten und verlieh ihm in seinem hohen Alter die Kraft, sie zu vollbringen. Lebhaft fühlte Radetzky das Bedürfniß der Freundschaft; sein Herz war voll Menschenliebe, und der gemeine Soldat hatte sich deren ebenso zu erfreuen wie der Hochgestellte. Deßhalb mag er sich nach seiner Zurückkunft aus Wien verlassen gefühlt haben, da er die treuen Gefährten nicht mehr um sich versammeln konnte, die so lange Freud und Leid mit ihm getheilt hatten.

Ich fand ihn in Verona gealtert, übel aussehend, gebückt und sichtbar angegriffen. Später sah ich ihn noch einige Male zu Mailand und Monza, aber er war nie mehr der frohe Mann, den ich zu Mailand inmitten seiner Waffenbrüder kennen gelernt hatte.

Gegen Ende Februar war mein Bild so weit, daß ich es recht gut in München vollenden konnte, ich brach daher bei dem schönsten Frühlingswetter von Mailand auf und reiste über den Splügen durch die Schweiz, aber das angenehme Wetter, das mir eine schöne Reise versprochen, hatte mich getäuscht. Schon zu Chiavenna lag noch Schnee und aus den Alpenthälern blies ein wilder Wind herab. Der Condukteur war ein schon ziemlich bejahrter, aber handfester Schweizer. Er sagte mit bedenklicher Miene zu mir: „Herr, wir werden eine schlechte Reise über das Gebirge bekommen. Das ist der schlechteste Wind um den Berg zu passiren. Haben Sie den Muth weiter zu reisen?“ – „Reisen Sie hinüber?“ fragte ich. „Ich muß wohl, es ist mein Dienst, sonst würde ich es mir hier bequem machen,“ lautete seine Antwort. „Nun,“ sagte ich, „dann will ich es in Gottes Namen auch versuchen.“ Der Mann hatte Recht, ich bestand manch beschwerliches Reise-Abenteuer, aber eine so gefährliche Reise hatte ich noch niemals gemacht. Ein entsetzlich rauher Wind tobte ununterbrochen und trieb den Schnee in hohen Säulen wirbelnd herum und uns in das Gesicht, so daß es fast unmöglich war, die Augen offen zu halten und der feine gefrorene Schnee auf den Kleidern und im Gesichte sich festsetzte und eine Eiskruste bildete. Die Wege waren fürchterlich verweht, so daß die kleinen offenen Schlitten, jeder nur mit einer Person beladen und mit einem Pferde bespannt, öfters ganz stecken blieben. Mehrmals sank mein Pferd so tief in den Schnee, daß nur noch der Hals und Kopf herausschaute. Daß man zu verschiedenen Malen umwarf, ist leicht erklärlich. Nur mühsam und sehr langsam, Schritt für Schritt, konnte man weiter kommen.

Je höher wir stiegen, desto unerträglicher wurde die Kälte und der Wind. Ich hatte einen großen Pelzrock und über diesen noch einen großen Reitermantel mit Kragen an, aber nichts konnte mich vor dem Froste schützen. Zuletzt nahm ich den Mantelkragen über den Kopf, bedeckte das ganze Gesicht damit und ließ mich wie ein Stück Waare fortschieben. Die Augen schmerzten mich so, daß ich sie ohnehin gar nicht mehr offen halten konnte.




1) Feldmarschall Graf Radetzky mit seiner Umgebung, nach Albrecht Adam lithographirt von Franz Adam. Imp. Qu. Fol. Nebst Erklärungsblatt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers