Abschnitt 6

17 Nachwort.


Der geistige Wettkampf mit seinen wackern Söhnen, welcher sich sicherlich nicht immer friedlich und ohne Widerspruch vollzogen haben kann, förderte den Vater, erfrischte ihn, hielt ihn jung und trug wesentlich dazu bei, ihn immer auf der Höhe seiner Zeit zu erhalten. Es waren nicht allein neue Farben, sondern auch eine neue Technik und überhaupt eine völlig neue Auffassung und Anordnung des Stoffes aufgekommen. Ohne seine Söhne hätte sich Albrecht Adam vielleicht ablehnend verhalten, er wäre überflügelt zurückgegangen und zu Lebzeiten vergessen worden. Dadurch daß sein eigen Fleisch und Blut dem Fortschritte der Neuzeit huldigte, mag es oft genug Streit und Spähne gesetzt haben, doch zog der Vater immer Vortheil daraus, wenn er auch nach seinem humoristischen Sprachgebrauch „aus dem Atelier seiner Söhne austrat“. In dieser Hinsicht mochte Benno Adam, als der Aelteste, wohl den schwersten Stand gehabt und den ersten Puff ausgehalten haben. Glücklicherweise fand er rechtzeitig die seiner Natur zusagende


richtige Sphäre und errang in dieser Specialität einen gefeierten Namen. Größeren Einfluß gewann Franz, welcher im Atelier des Vaters die eigene Jugend und den größten Theil seiner Thätigkeit opferte, lange Zeit bald die rechte oder die linke Hand des Va ters bildete und daraus erst langsam und mühsam den eigenen guten Namen zu Tage brachte, welchen er allein früher schon errungen hätte. Geringeren, aber doch in seiner Weise ebenso wichtigen Einfluß übte der durchaus selbstlose, immer arbeitbereite und opferwillige Eugen, welcher, weniger originell angelegt und begabt, wie der feurige, durchaus geniale Franz, immer die Mühe der Terrainstudien, so zu sagen die Sammlung der Quellen und das Herbeischaffen des Rohmaterials übernahm und, unbesorgt um sich selbst, dem Ganzen als ausübende Hand sich unterordnete, ebenso wie der gemüthvolle, liebenswürdige Julius, welcher, insbesondere bei den von den Brüdern gemeinsam lithographisch herausgegebenen Werken die Hauptrolle leistete und als Maler und selbstschaffender Künstler gegen sein besseres Können zurücktrat.

So schufen sie alle, wenn auch scheinbar getrennt, doch vereint an dem Ruhme und der Ehre des Hauses, obwohl vielfältigen Sinnes, doch von einer Begeisterung getragen und von gleicher Pietät beseelt, eine in ihrer Weise beinahe unvergleichliche Künstlerfamilie bildend, in welcher trotz der etwas monarchisch-despotischen Natur des Vaters doch eine Art republikanischer Gleichheit und theilweise selbst ein leichter Anflug von geistiger Gütergemeinschaft florirte.

Bei dieser Gelegenheit ist vielleicht der nicht uner warteten Ansicht entgegenzutreten, als hätte Adam bei einer so lebenslangen, unermüdlichen Thätigkeit große Reichthümer aufgehäuft. Die Honorare, welche der Künstler empfing, waren nach dem damaligen Stande der Dinge, wo das Leben noch unvergleichlich billiger war, gerade nicht unbedeutend, aber doch sehr anspruchslos und bescheiden. Er schlug sich wacker durch, ohne nach dem gewöhnlichen Sinne viel aufzustecken; ja es kam sogar im ersten Decennium seines Hausstandes, als Krankheiten und unvorhergesehene Zwischenfälle eintrafen, ein kurzer Zeitraum,

wo Adam drückende Sorgen durchzukämpfen hatte, welche er jedoch durch einen energischen Fleiß glücklich beseitigte. Seine Honorare stiegen später und mögen in einzelnen Fällen sehr gut und anständig gewesen sein, dürfen aber ja nicht nach dem Maßstabe unserer, in einigen Fällen freilich mit sehr ungleichem Gewicht wägenden Neuzeit taxirt werden. Nur zweimal erlebte Adam die Freude, daß der im Voraus stipulirte Betrag durch generöse Liberalität übertroffen wurde. Ich führe, obwohl widerstrebend, die beiden Ausnahmsfälle an, weil daraus hervorgeht, wie anspruchlos Adam seine Leistungen taxirte. Das eine Mal erhielt er für das Reiterporträt des Grafen Grünne statt der ausbedungenen Summe von zweihundert Gulden ein Röllchen mit achtzig neuen Dukaten, das andere Mal erhöhte das Comité des österreichischen Offizier corps in Anerkennung der als Geschenk für den Feldzeugmeister von Heß bestimmten „Schlacht von Novara“ den definitiven Voranschlag von zweitausend Gulden freiwillig um den vierten Theil der genannten Summe, da der Maler ein verhältnißmäßig bedeutenderes Kunstwerk lieferte. Das zarte, höchst verbindliche Schreiben, womit Oberst von Molinary Herrn Adam überraschte, setzte dieser ritterlichen Courtoisie die Krone auf.

Albrecht Adams künstlerischer Nachlaß war sehr bedeutend. Außer einer zahlreichen Sammlung von Kupferstichen, Holzschnitten und dergleichen in sehr schönen Abdrücken und seltenen Exemplaren fand sich auch ein Schatz von Adams eigenen Skizzen und Handzeichnungen, 18) welche, da hierüber keine testamentarische Bestimmung existirte, durch eine Auction veräußert

wurde, um jedem der Erben den ihn treffenden Antheil zu entziffern. Darunter befanden sich eine Reihe militärischer Zeichnungen aus dem Augsburger Lager (1808) und dem folgenden Feldzuge (1809), ebenso „Scenen aus der Schlacht von Wagram“ und die ganze Serie von Adams Studien aus dem russischen Feldzuge (1812) mit Schlachten, Gefechten, Truppenmärschen, Bivouaks u.s.w., welche das königl. Kupferstich- und Handzeichnungs-Cabinet erwarb. Vieles davon hatte Adam schon zu Bildern in seine „Voyage pittoresque“ verarbeitet. Das ganze Material aber bietet eine beredte Illustration zu den in dieser seiner Autobiographie geschilderten Scenen und wäre heutzutage, wo die vervielfältigende Kunst über so handsame Mittel verfügt, noch der weiteren Beachtung werth. – Von dem Wunsche des Herausgebers, ein Verzeichniß aller von Adam gemachten Bilder zusammenzustellen, mußte, da eigene weitere Notizen des Künstlers hierüber fehlen oder uns nicht zu Handen kamen, wieder Abstand genommen werden, ebenso von dem Projekte, hier eine diplomatische Beschreibung seiner Radirungen zu veranstalten, da das hiezu nothwendige Material für eine unumgänglich neue Autopsie zu weit, und, in der uns zugewiesenen Zeit, unerreichbar auseinander liegt. Doch genügen für Liebhaber und Sammler vorläufig die (freilich vielfacher Berichtigungen und Ergänzungen bedürftigen) Andeutungen bei Julius Meyer I, 66, in Maillingers Bilderchronik von München 1876 II. 87 ff, und Nagler’s Monogrammisten 1858. I. 47 (Nro. 98) und I. 537 (Nro. 1251).

Einen sehr interessanten Beleg für die Transmission der Beschäftigung und Talente von einem Geschlecht auf das andere und über die Vererbung der Anlagen auf weitere Generationen, worüber bekanntlich der geistreiche Levin Schücking ein höchst anzie hendes und lehrreiches Büchlein verfaßte, 19) bietet die Geschichte der Familie Adam in den einzelnen Gliedern, den zahlreichen Kindern und Enkeln. Albrecht Adam berichtet hierüber selbst in einem „Familienleben“ überschriebenen Hefte, worin er Eingangs seine uns schon bekannten Erziehungs-Maximen und pädagogischen Ansichten des Weiteren darlegt. Dann heißt es ferner: „Bevor ich das zweiundvierzigste Lebensjahr erreicht hatte, war ich Vater von zehn lebenden Kindern: fünf Söhne und fünf Töchter – alle gesund an Leib und Seele und von der Natur mit sehr schönen Anlagen begabt. Sie gut zu erziehen und sie als brauchbare Mitglieder der menschlichen Gesellschaft heranzubilden, betrachtete ich als meine erste und heiligste Pflicht. Und der Himmel hat meinen ernsten Willen gesegnet. Es ist unter zehn Kindern nicht ein Einziges, welches nicht wohlgerathen zu nennen wäre und ich darf es kühn aussprechen, der Name dieser Familie ist ein allgemein geachteter, von Thron herab bis zur Hütte.“




18) Der von Jos. Aumüller verfaßte Auctionskatalog enthielt auf 130 Seiten an dritthalb tausend Nummern, darunter (Nr. 2119–2251) nur eigene Handzeichnungen Albrecht Adams und (Nr. 2423–2439) eine Anzahl ausgeführter Pferdestudien in Oel auf Leinwand. Auch besaß Adam eine vorzügliche Sammlung von Aquarellen und Zeichnungen sei ner besten Zeitgenossen (Nr. 2252–2396).
19) Vgl. Levin Schücking: Geneanomische Briefe. Frankfurt 1855.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers