Abschnitt 5

17 Nachwort.


Dieser Ruhm war aber theuer erkauft. Der Aufenthalt des bis dahin so rüstigen Greises in einem neuen Atelier, welches die Ausführung des großen Bildes er heischte und zur Winterszeit leider nicht gleichmäßig erwärmt werden konnte, dazu die übermäßige Anstrengung – er selbst betheuerte dabei sein Leben geopfert und seine letzte Kraft aufgezehrt zu haben – legten den Grund zu einer chronischen Krankheit, von welcher er sich nicht mehr völlig zu erholen vermochte. Er sehnte sich bisweilen nach Ruhe und genoß öfters einige, langersehnte Rasttage. Im Sommer 1860 ging er zur Hochzeit seines Sohnes Franz im Schlosse Grieningen nach Württemberg und verlebte eine ihn wahrhaft verjüngende, fröhliche Zeit; unternahm dann bauliche Veränderungen in seinem Hause und besuchte noch im November eine verheirathete Tochter zu Abensberg, auch dort an der Staffelei unausgesetzt thätig. Am Neujahrstage 1861 schrieb er: „Nach langen Anstrengungen überfällt mich oft der Wunsch nach einem Tag der Ruhe, an welchem es gar nicht still genug um mich sein kann, ich lebe dann gerne mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart. Unendlich viel Stoff zu den schönsten Erinnerungen liegt für mich in den Rückblicken in meine durchlebte Laufbahn. Besonderes Vergnügen macht es mir dann, in meinen Papieren zu blättern und mich mit längst dahingeschiedenen Freunden zu unterhalten. Mein scharfes Gedächtniß ruft mir dann gar viele schöne Momente und Stunden aus meinem vergangenen Leben zurück und ich darf sagen, viel Liebe habe ich durch mein ganzes Leben empfangen ...“ Im März 1861 fühlte er, daß sein Befinden ihm „ernstlich Kummer und Sorge“ zu machen beginne. Im August entschloß er sich, das Bad Adelholzen zu gebrauchen, wohin er schon in den Jahren 1858 und 1859 seine leidende Gattin in Begleitung einer sie pflegenden Tochter gesendet hatte. Hier machte er kleine Ausflüge mit der Badegesellschaft, wurde aber bei einer solchen nach Maria-Eck von einer Ohnmacht ähnlichen Schwäche befallen. Im Dezember fühlte er sich glücklich über den Eintritt einer Krisis, durch welche er von allen Schmerzen, die ihn seit sechs Monaten so sehr belästigten, befreit wurde.


Am 15. Februar 1862 starb sein in Freude und Leid zeitlebens innigst mit ihm verbundener Bruder Heinrich Adam. Das Vorangehen dieses dem Alter nach jüngeren Lebens- und Kunstgenossen berührte ihn tiefer und empfindlicher, als er sich’s gestehen mochte. Indessen gelang es ihm doch wieder, in der Kunst Trost und Hilfe zu suchen und sich an die Arbeit zu klammern. Schon während der „Schlacht von Zorndorf“ – welche jetzt eine Zierde der großen im Münchener Maximilianeum aufgestellten historischen Gallerie bildet – hatten ihn verschiedene neue Pläne und Projekte interessirt und beschäftigt. Mehrere Bilder, worunter „Napoleon durch die brennenden Trümmer Moskau’s reitend“ (letzteres im Dezember 1860), kamen auf Bestellung nach Philadelphia. Aber sein und seiner Gattin Befinden litt sichtlich und er wurde bald sehr hinfällig. Adam malte noch an einem den „Tod des Grafen Wittgenstein bei Borodino“ vorstellenden Bilde. Es war nach Augsburg bestimmt. Während der Arbeit starb der Besteller. 14) Bald nach der Vollendung dieses Gemäldes nahte auch dem Künstler der Tod.

Im Mai machte Adam mit seiner Tochter noch eine Spazierfahrt in den Englischen Garten. Dann überraschte ein liebwerther Besuch des k.k. Obristlieutenant Grafen Froberg-Montjoye, eines Sohnes jenes ritterlichen Edelmannes, welcher der Laufbahn Adams seinerzeit die entscheidende Richtung gegeben hatte; er brachte ihm Grüße von alten Freunden und Verehrern aus Italien (u.a. aus Verona) und Ungarn. Die Erinnerungen an die schönen Tage wurden wach, zogen buntfarbig vorüber und belebten den Greis in erfreulicher, wohlthätiger Weise. Aber schon zu Anfang Juni stellten sich neue Krankheitserscheinungen ein, welche zu ernstlichen Befürchtungen nur zu gegründeten Anlaß boten. Wie auch sein Körper litt, der Geist blieb hell und klar. Zeuge davon ist ein Brief vom 16. Juni 1862, worin es unter anderem ebenso wahr wie schön heißt: „Es gibt nach meinen Begriffen nur ein Glück: die Zufriedenheit mit dem Loos, welches uns auf dieser Welt geworden ist und das Be wußtsein, den Platz, welchen uns Glück, Zufall oder Schicksal angewiesen hat, mit Ehren auszufüllen. Alles andere ist nur Scheinglück, bei welchem wir uns selbst und der Welt etwas weißmachen. Daß Reichthum allein nicht glücklich macht, darüber sind die Gelehrten längst einig, und erst der Ehrgeiz! daß Gott sich erbarme! Dieser ist die wahre Geißel des menschlichen Geschlechts. Ich habe noch keinen Ehrgeizigen gesehen, der, wenn man sein Inneres genau untersucht, glücklich gewesen wäre. Damit sei nicht gesagt, der Mensch solle sich träge und gedankenlos fortschleppen, ohne daran zu denken, seine Lage zu verbessern und vorwärts zu kommen, wenn ihm die Kräfte und Mittel dazu geboten sind, aber aus dem Sattel darf er sich nie bringen lassen, wenn ihm ein Mißgeschick begegnet. Ich wiederhole es: die möglichst gute Partie aus der Lage zu ziehen in der wir uns befinden, ohne deßhalb kopfhängerisch zu werden, das ist die Aufgabe eines klugen Mannes.“ Es ist das ein Résumé eines langen Lebens und ein wahres Vermächtniß eines vielerfahrenen Denkens.

Er schloß mit der Welt ab, segnete seine Kinder, die Freude und der Stolz seines Hauses, und athmete, christlich fromm, wie er gelebt hatte, seine Seele aus, am 28. August 1862.

Am 22. September 1863 folgte seine treue Lebensgefährtin ihrem heißgeliebten Gatten.

Sie hinterließen fünf Söhne und fünf Töchter. Eine heitere Reihe von fünfundzwanzig Enkeln bildete den freudigen Trost ihres Alters. 15)

Adam arbeitete, trotz der größten Gewissenhaftigkeit, doch mit ungemeiner Leichtigkeit; so fand er neben seinen größeren Arbeiten immer noch Muße genug, eine staunenswerthe Anzahl von Genrebildern auszuführen, von denen ein nicht geringer Theil, namentlich durch den Kunsthändler Bolgiano, in das Ausland kam.

In der Schilderung des Soldatenlebens war er unerschöpflich an immer neuen Combinationen. Dabei wußte er bisweilen den Ton einer tieferen Empfindung anzuschlagen, so z.B. indem er ein verlassenes Schlachtfeld schildert, auf dem sich französische Cuirassiere mit ihren verwundeten Pferden zu retten suchen: im Vordergrunde steht unter einem Baume ein lediges, abgemüdetes Pferd, so lahm und schwer, wie die Atmosphäre, die auf der ganzen Scene liegt und die bange Ahnung erregt von allen Schrecken des Kriegs. Oder der Künstler vergegenwärtigt in größerem Rahmen und in verschiedenen Episoden das Elend des russischen Rückzuges. Auch Arbeit und Mühsal des Pferdes im Dienste des Menschen wußte er lebendig zu veranschaulichen, sowohl das feine nervige Wesen des Luxuspferdes als die schwerfällige Anstrengung des Ackergauls am Pflug und am Last wagen. 16)

In seinen Schlachtenbildern ging er immer auf Treue der Lokalität und auf Versinnlichung des Hauptvorgangs aus, so z.B. in der „Schlacht von Custozza“, wo einerseits der muthige Angriff des Regiments Kinsky, andererseits die Gruppe der österreichischen Befehlshaber eine Vorstellung von der ganzen Schlacht zu geben suchen. „Wie die modernen Schlachtenmaler überhaupt, so deutet auch Adam gern die strategische Bewegung, die Disposition der Massen an. Dadurch erhalten solche Bilder bei einer großen Anzahl kleiner Figuren einen landschaftlichen Charakter, während das eigentlich malerische Kampfgetümmel nur in einzelnen Episoden beiherspielt. – Zu den künstlerischen Verdiensten Adams gehört auch, daß er neben Peter Heß und Anderen ein gesundes, realistisches Element in die Genremalerei der Münchener Schule brachte. Seine Arbeiten zeugen von einem genauen Naturstudium; daß er öfters (namentlich in früherer Zeit) noch in Pferden und Figuren etwas ungelenk blieb, kann nicht Wunder nehmen, da er ohne unmittelbare Vorgänger fast alles aus sich selber lernen mußte. Seine malerische Behandlung leidet an dem trockenen und kühlen Ton, der in den vier ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts der deutschen Malerei fast durchgängig eigen war. Indessen ist sein Vortrag eher breit als ängstlich und spitz zu nennen. An den Gemälden seiner späteren Zeit haben die Söhne mitgearbeitet.“ 17)




14) General v. Heideck (vgl. oben S. 285) erwarb dann das Bild aus Adams Nachlaß.
15) Vgl. den warm empfundenen Nachruf in Nr. 226 Morgenblatt zur Bayer. Zeitung vom 3. September 1862, den Nekrolog in Nr. 1006 Illustr. Zeitung, Leipzig, 11. Oktober 1862 (mit Porträt). Vgl. dazu Regnet, Münchener Künstlerbilder, 1871, I. 1–10. Jul. Meyer, Allgemeines Künstlerlexikon, 1872, I. 65 ff. u.s.w.
16) „Das Pferd in seiner gereizten Natur, in seiner angestrengtesten Kraftäußerung im Schlachtgewühle, sich mühend vor dem Pfluge, am belasteten Wagen, darzustellen, gab ihm manchen Stoff, seine Kräfte nicht nur in Schilderungen der mannigfaltigsten und schwierigsten Stellungen dieses Thieres zu versuchen, sondern auch das dabei nach außen strebende Leben, den in alle Formen sich ergießenden Charakter zu entwickeln und somit den Werken Interesse, Wahrheit und Bedeutung zu geben.“ Vgl. A.v. Schaden, Artistisches München 1836, S. 6.
17) Vgl. Jul. Meyer S. 66.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers