Abschnitt 3

17 Nachwort.


Am 26. März erfolgte, ohne sein Zuthun, Adams Ernennung zum königl. Hofmaler, unmittelbar darauf erhielt er die Insignien des von König Maximilian II. gestifteten Maximilian-Ordens für Kunst und Wissenschaft und wurde mit dreißig anderen Koryphäen zur großen Hoftafel geladen, wo er zwischen E. Geibel und Prof. Dr. von Kobell seinen Platz fand. Der Zufall fügte es, daß unser Maler gerade an seinem 68. Geburtstage zu einem Hof-Concert befohlen wurde und daß sein Entrée auch in diese Welt sich sehr günstig und ehrenreich anließ. Auf der gleichzeitig mit der großen Industrie-Ausstellung verbundenen Kunst-Exposition – leider erlitten beide Feste eine furchtbare Einbuße durch das unerwartete Auftreten der Cholera – erschien eine neue Schöpfung Adams, das nicht umfangreiche, den Beschauer aber erschütternde Bild: „Rückzug der Franzosen aus Rußland 1812.“ Das Deutsche Kunstblatt 4) berichtet darüber: „Wem das größte Trauerspiel der Neuzeit, der Krieg von 1812 in seinen Einzelheiten aus dem Gedächtniß geschwunden, wem selbst die ergreifenden Schilderungen Rellstabs in seinem ‚1812‘ betitelten Buche nicht gegenwärtig, der trete vor dieses Bild, das – obschon nur eine kleine Nebenscene des großen Dramas – das Ereigniß in seiner ganzen Furchtbarkeit vor Augen stellt. Vor uns liegt eine weite Schneewüste, deren Horizont in grauem Schneehimmel und dichtem Schneegestöber verschwindet. Wo der Blick frei ist, da sehen wir in ungeordneten Schaaren die Truppen zurückgehen und nur einzelne Kolonnen mit letzten Kräften und Mitteln den Versuch machen, den Rückzug gegen die Heersäulen der Russen und ihre Kosakenschwärme zu decken. Die völlige Hilfs- und Rettungslosigkeit der Fliehenden deckt eine einzige Scene im Vordergrunde auf. Da steht an seine Kanone gelehnt ein Artillerist; nein, er steht nicht, er sinkt im nächsten Augenblick zusammen: Hunger, Kälte und Ermattung haben ihn taub gemacht für das Kommandowort seines Offiziers. Ein Pferd vor der Kanone ist gefallen; die andern beiden können keinen Schritt mehr thun. Die Kanone zu retten, werden die Pferde von der nächsten Reise-Equipage genommen, die, edlerer Abkunft, noch einige wenige Kräfte zuzusetzen haben. Wem mag sie gehören? Kein Eigenthümer ist zu sehen. Vom Kutschbock wird der zurückgelassene Pelz genommen; in das Innere des Wagens drängen sich, als gewähre es wenigstens gegen das Erfrieren Schutz, mehrere Soldaten auf einmal; andere haben die Reisekoffer geöffnet und sich – selbst unter Kolbenstößen vorübergetriebener Kameraden – über die Mundvorräthe geworfen. Hier glaubt ein Freund noch den erfrierenden Freund in seinen eigenen, vor Kälte starren Armen zu erwärmen; dort schauen die hohlen Augen halb im Eis versunkener Krieger zwischen Pferdeleichen hervor; aus einem umgestürzten Bagagewagen kriecht ein Weib hervor, um mit ihrem neugeborenen Kinde in das schon bereite kühle Grab zu sinken. Wo sich dem Transport der Karren und Munitionswagen das leiseste Hinderniß, ein kleiner Schneehügel in den Weg stellt, da fallen Roß und Mann und versinken, und vergeblich schieben Soldaten an einem Geschütz, dessen Bespannung zur Hälfte am Boden liegt. Und so haben wir nichts vor Augen als Rathlosigkeit, Flucht, Ermattung, Verzweiflung und Tod – mit aller Wucht der Wahrheit: denn der Künstler schildert als Theilnehmer, Augenzeuge und mit vielerprobter kunstreicher Hand.“


Das böse Jahr 1854 ging glücklich vorüber an der zahlreichen Familie des Meisters und dem behaglichen Häuschen, welches Adam sich in der damaligen Singstraße Nr. 13 5) zu einem wahren Künstlerheim gestaltet hatte. In den großen, mit selbstgepflanzten Anlagen und Bäumen ausgestatteten Garten hatte sich seine fröhliche Jugend getummelt, da standen in den Ställen schöne Fahr- und Reitpferde, welche auch als Modelle dienten; darnach im Freien zu studiren und zu malen wurden auch die artistischen jüngeren Freunde des Hauses, wie Friedrich Voltz, Theodor Horschelt und Andere eingeladen. Auch ein humoristischer Grauohr war da und einige feingebaute, hochgestellte Hunde, ein stattlicher Hühnerhof und anderes Gethier, das wir besonders in Benno Adam’s liebenswürdigen Bildern wiederfinden. Ich erinnere mich noch recht gut, wie mir beim Weg nach dem nahe gelegenen Anatomie-Gebäude – wo wir erst Medicina forensis und nachmals vergleichende Physiologie und andere Vorlesungen hörten, da mein lieber, mir unvergeßlicher Freund und Lehrer Prof. Dr. Joseph Beraz mich ganz für seine tiefsinnigen Forschungen gewinnen wollte – oftmals eine Cavalcade von stattlichen Reitern auf prächtigen Rossen imponirte, welche vergnüglich daselbst aus- und einzog.

Zu Ende Dezember richtet Adam in einem Briefe die „dankbaren Blicke zum Himmel, daß wir in unserem Familienkreise von dem entsetzlichen Unglück, welches eine verheerende Seuche über so viele Tausende brachte, verschont geblieben und Alle gesund sind an Leib und Seele.“ Er selbst fühlte freilich, daß sein Leben „dem Ende entgegen gehe,“ aber er will dennoch arbeiten und schaffen, denn nur durch die Pflege und Ausübung seiner Kunst fühlte er sich immer erfrischt und verjüngt. Und an Aufträgen und Stoffen fehlte es nicht. Im Mai des nächsten Jahres hatte er die „Schlacht von Temesvar“ vollendet und selbst wieder nach Wien gebracht. Der Maler „schildert in lebensvoller, characteristischer Weise das letzte große Cavallerie-Gefecht jener blutigen Schlacht; wir sehen (im Mittelpunkte) die beiden Regimenter Lichtenstein-Chevauxlegers und Kaiser-Uhlanen, angeführt von Feldmarschall-Lieutenant Simbschen, unter dem Oberkommando des Feldzeugmeisters Haynau, gegen die sich hartnäckig vertheidigende Nachhut der ungarischen Cavallerie heranstürmen. Der Vordergrund ist einerseits durch den, den Verlauf der Schlacht beobachtenden Generalstab (in trefflichen Portrait-Figuren), andererseits durch Gruppen von Verwundeten und Sterbenden von beiden Armeen künstlerisch schön belebt. Dieses Bild zählt, nach seiner Anordnung und ganzen Ausführung, zu den hervorragendsten Werken des wackeren Meisters.“ 6) Gleichzeitig war auch die Skizze zu der „Schlacht von Komorn“ vollendet: sie zeigte die kampfgerüsteten Regimenter österreichischer Infanterie und Cavallerie im Ausmarsch; eine Schaar von Verwundeten aus dem ersten Treffen zieht an ihnen vorüber. 7)

Im Juni desselben Jahres bestellte das Offiziercorps des General-Quartiermeister-Stabs, des Ingenieurcorps u.s.w. ein Bild der „Schlacht von Novara“, welches dem Feldzeugmeister Freiherrn von Heß am Tage seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums als Huldigung überbracht werden sollte. Der Auftrag erging mit Bewilligung des Kaisers und Genehmigung des Jubilars unter ausdrücklicher Bedingung, daß Feldmarschall Radetzky besonders hervorgehoben werde und Heß nur als zweite, untergeordnete Persönlichkeit erscheine. Das Bild (6 Fuß lang und 4 Fuß hoch) war eine völlig neue Composition, wozu die von Adam früher gemachten, zahlreichen Studien mehr als aus reichenden Stoff boten. Von Obrist Molinari zu obigem Feste auf den 24. Dezember nach Wien eingeladen, kam Adam rechtzeitig an mit dem Bilde, welches er diesesmal ganz allein gemalt hatte, während an den meisten seiner vorhergehenden Schöpfungen seine Söhne Eugen und insbesondere Franz Adam überwiegenden Antheil nahmen.

Ein Wiener Blatt rühmte den in Conception und Ausführung gleich glücklichen Wurf: „Der Gedanke, die Helden dieses großen, entscheidenden Ereignisses in fesselnder Porträt-Aehnlichkeit darzustellen, beherrscht das Bild selbst. Auf der linken Seite, dem Vordergrunde näher gerückt, erscheinen der greise Feldmarschall Graf Radetzky und ihm zur Seite, in eifrigem Gespräche, der Feldzeugmeister Freiherr von Heß. Ruhig hört der Marschall, wie es scheint billigend, die Anschauungen und Vorschläge an, welche ihm der Chef des Generalstabes entwickelt. Zwischen beiden wird sicherlich in diesem Augenblick über den Gang, über den Erfolg der Schlacht selbst entschieden. Eine reiche Suite von Generälen im Hintergrunde harrt nur des Augenblickes, in welchem sie die weiteren Befehle erhalten, vollführen, siegen sollen. Die Schlacht selbst ist in den tiefsten Hintergrund gerückt. Rauch und Dampf verhüllen Novara und lassen nur in leiser Andeutung das furchtbare blutige Schauspiel und seinen Verlauf ahnen. Frische Truppen ziehen österreicherischerseits, unter den Augen des Feldherrn, kampfmuthig, fröhlich, sieggewiß dem eisernen Würfelspiel entgegen. Rechts befindet sich eine Gruppe gefangener Piemontesen, weiter vorne umgeben heitere Kriegergestalten eine Marketenderin, welche die Söhne des Mars mit der Feldflasche labt. Auch Sterbende und Verwundete erscheinen auf dem Bilde. Aber die mäßige Verwendung dieser unerläßlichen Gestalten spricht für den reifen Geist des Künstlers, welcher diese traurige Seite ebenfalls nur soviel als eben nöthig berührte. Dafür zeigen sich am äußersten Saume des Bildes wieder frische Reihen der Infanterie, welche auf einen um den greisen Befehlshaber sich schließenden weiten Kreis unermüdlicher, kampfbereiter Truppen weisen. – Der Gesammteindruck des Bildes ist eben durch die Einfachheit der Gruppirung, durch die klare Auffassung, durch das breite Auseinanderhalten der markirten und kontrastirenden Scenen ein äußerst günstiger. Der Künstler wollte den Beschauer, selbst von der genauesten Uebersicht seines Werkes, immer wieder auf die leitenden Persönlichkeiten, auf den Feldherrn und seine Umgebung zurückführen. Die Ruhe, welche dadurch das Auge gewinnt, bestimmt auch die Auffassung des Beschauers, der mit dem Gedanken von dem Bilde scheidet, daß die siegreiche Idee großer Strategen dem wildesten Kampfgetümmel Gesetz und Ordnung vor zuschreiben vermag.“ 8)




4) Herausgegeben von Eggers, Berlin 1854, V. Jahrgang, S. 333 ff. Vgl. Fr. Pecht in Beil. 234 der Allg. Zeitung vom 22. August 1854.
5) Nun völlig verändert und umgebaut in der Schillerstraße 26, immer noch mit zahlreichen Ateliers eine kleine Akademie.
6) Vgl. Beil. 119, Neue Münchener Zeitung vom 19. Mai 1855.
7) Vgl. Beil. 124, Neue Münchener Zeitung vom 25. Mai 1855.
8) Lithographirt von Franz Adam (Druck und Verlag von Julius Adam).

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers