Abschnitt 2

17 Nachwort.


Zu Ende März des Jahres 1853 war nicht allein das für die Neue Pinakothek bestimmte Bild „Die Erstürmung der Düppeler Schanzen“ (13. April 1849) vollendet, sondern auch das zweite der vom Kaiser Franz Joseph bestellten Bilder reisefertig. Ueber das im Münchener Kunstverein ausgestellte vorgenannte Werk berichten die Lokalblätter einmüthig in anerkennendster Weise. So heißt es z.B.: „Ein Bild aus der Geschichte des deutschen Waffenruhmes zieht dieses Mal alle Blicke auf sich. Es ist kein Gedicht, sondern eine geschichtliche Thatsache: wir erblicken bayerische Krieger und darunter wohlbekannte Portraits. Es entwickelt sich das berühmte Gefecht auf den Düppeler Höhen. Infanterie und Artillerie rücken kampfeslustig vor, während ein Theil der Letzteren bereits beflissen ist, den dänischen Schiffen auf die Angriffe aus ihren Geschützen eine gleichgewichtige Antwort zu geben. Das Terrain liegt klar vor uns; mit einem Blicke überschauen wir die Bewegungen der Massen; es herrscht im Ganzen eben so viel strategische als künstlerische Ordnung. Mit derselben Lust vertieft man sich auch in die Betrachtung der Einzelnheiten. Die Zuversicht der Führer, der freudige Muth der Soldaten wirken ebenso wohlthuend, als der Anblick der Verwundeten: eines getreu portraitirten Offi ziers, eines Artilleristen und eines wackern Infanteristen, der sich ohne viele Umstände seinen Verband selbst zurecht macht, wirklich ergreift. Keine Spur von Uebertreibung und Affektation, überall Natur und Wahrheit. Rechnet man dazu das natürliche Interesse, das wir an den dargestellten Figuren, als unseren Landsleuten, nehmen, sowie eine gewisse nationale Wärme, die sich wohl bei wenigen deutschen Beschauern verläugnen wird, so ist der Eindruck ein tiefer und wahrhaft herzerfreuender.“ Das Bild übt heute noch für die Besucher der Neuen Pinakothek 2) eine besondere Anziehungskraft.


Das Wiener Bild begleitete er wieder bis Regensburg, ließ dasselbe dort auf einen Dampfer verladen und fuhr einstweilen im Eilwagen bis Linz voraus. Die Aufnahme in Wien war, wie er unterm 14. Juli 1853 vergnüglich meldete, eine alle Erwartung übertreffende: „Ich kann in Wahrheit sagen, daß ich in Oesterreich eine zweite Heimath gefunden habe.“ Als dann der Kaiser im Oktober nach München kam, ließ er den Maler rufen und empfing ihn mit aller treuherzigen Vertraulichkeit in Gegenwart einiger bayerischen Generäle und beehrte ihn später (im Dezember 1853) mit einem längeren Besuche in dessen Atelier, wobei auch ein neuer Auftrag erfolgte.

Zu den Obliegenheiten, womit ihn seine Kollegen betrauten, gehörte auch die Vorstandschaft des Künst ler-Unterstützungs-Vereins. Als Adam nach zweijähriger Verwaltung (im Februar 1854) den neuen Jahresbericht vollendet und Rechnung abgelegt hatte, glaubte er dieser Last genug gethan zu haben, erhielt aber gleich darauf ein neues Ehrenamt als Vorstand des Comités zu der im Sommer 1854 geplanten großen Kunst-Ausstellung. Obwohl die vorbereitenden Sitzungen unerwarteten Zeitverlust brachten, gelang es doch das große Bild der Schlacht von Novara Ende März 1854 zu vollenden. König Ludwig I. kam selbst in das Atelier, um das neue Werk in Augenschein zu nehmen, war in hohem Grade befriedigt und äußerte unter anderen schmeichelhaften Dingen: Adam sei in seiner Weise auch eine Art Radetzky und erringe wie dieser seine schönsten Lorbeeren in einem Alter, in welchem Andere schon längst verschollen seien. Bis an sein Lebensende erfreute sich der Meister der hohen Ehre zeitweisen Besuches durch König Ludwig.

Ueber die „Schlacht von Novara“ berichtet Ernst Förster: 3) „Der Künstler hat den Zeitpunkt des Kampfes gewählt, wo er sich mit dem Tage zu Ende neigte und die Piemontesen den letzten Versuch machten sich des andringenden Feindes zu erwehren. Links im Hintergrunde ist Novara sichtbar, rechts der Flecken La Bicocca, dessen Besitznahme die Schlacht enden machte. Links im Vordergrund steht der Eingang zum Garten der Casa Visconti. In der ganzen Linie von Novara bis La Bicocca und vorzüglich vor letzterem Ort lassen die Piemontesen ihre Geschütze spielen; aber General d’Aspre ist ihnen so nahe gerückt, daß man erkennt, es bedarf nur der Hilfe von einer zweiten Seite und die Piemontesen sind zum Rückzug gezwungen. Und diese Hilfe ist erschienen: ihr Eintreffen gibt den eigentlichen Kern der Darstellung. Es ist der Obrist von Benedek mit dem kampflustigen Regiment Gyulai, das an der Casa Visconti, wo das elfte Jägerbataillon unter Major Baur steht und die Wiener Freiwilligen sich sammeln, vorüber dem Feind entgegengeht. Es erhält seine Weisung zum Angriff von dem ritterlichen Erzherzog Albrecht, der hier im Vordergrund hält, umgeben von seinen Adjutanten Grafen von Kappi, dem Hauptmann Paginy und dem Rittmeister Belcredi. Da wir uns (im Bilde) im Centrum der Schlachtordnung befinden und vom linken Flügel nur etwas Pulverdampf, vom rechten gar nichts sehen, so suchen wir auch den Feldmarschall vergebens, der eben den letztern befehligte. Dagegen ist der Adjutant Radetzkys, Baron von Leykam, auf der rechten Seite des Bildes zu erkennen neben dem verwundeten Generalmajor Grafen Stadion, dem Dragoner-Rittmeister Gradwohl und dem Stabsarzt Wurzian. Links erblickt man das schmerzliche Opfer des heißen Tages, den Grafen Kielmannsegge, der auf einer Bahre sterbend vom Schlachtfeld getragen wird. Unter den kleinen Scenen, auf welche der moderne Schlachtenmaler angewiesen ist, wenn er etwas individuelles Leben in die Darstellung seiner Massenkämpfe bringen will, fesselt vornehmlich diejenige, wo der unermüdliche und furchtlose Feldgeistliche Czerkas einem Sterbenden den letzten Trost der Religion bringt. Auch die gefangenen Piemontesen und Savoyarden, die der Künstler mit scharfen Zügen charakterisirt hat und die entmuthigt, gleichgültig, zwischen ihren Feinden oder hinter ihren verlorenen Kanonen stehen oder am Boden liegen, ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Die Aufgabe ist mit allem Ernst, ja mit der Ruhe des Geschichtsschreibers behandelt und kein Pinselstrich im Bilde, der dem Feinde wehe zu thun nur die entfernteste Absicht zeigte. Künstlerisch ist das Werk mit all der Liebe und dem Fleiße durchgeführt, die der Künstler seit einer langen Reihe von Jahren und mit zahlreichen Arbeiten bewährte von den Tagen an, da er unter dem Vicekönig Eugen die lombardischen Ebenen durchzog, zu den Schlachtfeldern von Smolensk und der Beresina, bis zu den heißen Feldzügen der Oesterreicher im Jahre 1848 und 1849, denen er gleichfalls als Zeuge beigewohnt hat.“




2) In der Neuen Pinakothek befinden sich sieben Bilder von Albrecht Adam, welche wir hier nach der Reihe ihrer Entstehung verzeichnen. Nummer 285: „Das Innere eines Pferdestalles“ (0,39 hoch, 0,44 breit). – Nr. 277: „Ein Cavallerie-Lager.“ Bez. 1818 (auf Holz 0,43 × 0,36). – Nr. 384: „Ein geflecktes Fuhrpferd steht bei zwei Arbeitsleuten.“ Bez. 1829 (auf Holz 0,34 × 0,45). – Nr. 422: „Das Bildniß des kaiserl. österreichischen Feldmarschalls Grafen Radetzky zu Pferd; nach der Natur gemalt.“ Bez. 1848 (0,60 × 0,72). – Nr. 135: „Die Schlacht von Custozza bei Montegodio am 25. Juli 1848. Custozza liegt unmittelbar hinter dem hervorragendsten Hügel des Hintergrunds, auf welchem die Piemontesen sich kräftig verschanzt haben. Entscheidender Moment der Schlacht. Das Regiment Kinsky rückt im Vordergrunde links her in’s Feuer, ihm zur Seite mit geschwungenem Degen der tapfere Hauptmann Graf Salis (blieb später bei Novara), den verwundeten Hauptmann Graf Lippe (nachmals Kommandant von Bologna) grüßend. Am Baume rechts, ruhig in das blutige Getümmel blickend, steht der Feldmarschall-Lieutenant Franz Graf von Wimpffen und, nach vorn gewendet, der kommandirende Feldmarschall-Lieutenant d’Aspre, im Gespräch mit dem Obrist von Schmerling zu Pferde, neben ihm schaut Obrist Molinari durch ein Fernrohr. Den Fürsten Edmund von Schwarzenberg, der in der größten Noth mit einem Kaiser-Infanterieregiment zu Hilfe kam, erblicken wir zu Pferde weiterhin rechts, und zwischen diesen Gruppen und dem Regiment Kinsky den Hauptmann Prosche, Adjutanten (gleichfalls zu Pferd), und den Hauptmann Steinhauser, Ordonnanzoffizier von d’Aspre, sowie den Rittmeister Grafen Pappenheim im Begriff, auf’s Pferd zu steigen.“ Bez. 1851 (1,46 × 2,49). – Nr. 89: „Die Erstürmung der Düppeler Schanzen, 13. April 1849.“ Bez. 1853 (0,93 × 1,81). – Nr. 137: „Die Schlacht bei Novara. Am 23. Mai 1849, zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags, als Feldzeugmeister d’Aspre und Erzherzog Albrecht mit ihren Tapfern fünf Stunden hindurch einem doppelt überlegenen Feinde den wirksamsten Widerstand geleistet, trat durch das Erscheinen des 3. Armeecorps auf dem Schlachtfelde der entscheidende Moment ein. Obrist Benedek eilte mit den gesammelten Truppen vom Regimente Giulay herbei und stellte nach mehrmals wiederholten Angriffen das Treffen wieder her. Von diesem Augenblicke an neigte sich der Sieg zu den österreichischen Fahnen. Dieser Moment ist klar dargestellt. Links dem Beschauer sieht man den Obrist Benedek, in der Nähe der Casa Visconti, mit dem Regimente Giulay herbeieilen, indeß der tapfere Obrist Graf Kielmannsegge, ein Opfer dieses Tages, zurückgetragen wird. In der Mitte befindet sich Erzherzog Albrecht mit einigen seiner Offiziere: dem Rittmeister Graf Kappi, Graf Belcredi und Hauptmann Pageny vom Generalstab, rechts davon der verwundete General Graf Stadion zu Pferd, umgeben von einigen Offizieren, und im Vordergrunde der Feldkaplan Czerkas. In der Ferne gewahrt man bei der Bicocca (dem Centralpunkt der Schlacht) den Feldzeugmeister d’Aspre und im Hintergrund die Stadt Novara selbst.“ Bez. 1854 (1,46 × 2,49).
3) Vgl. Nummer 100 der Allg. Zeitung vom 10. April 1854.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers