Abschnitt 1

17 Nachwort.


Damit enden Albrecht Adams eigenhändige Aufzeichnungen. Er schrieb daran in der Zeit von 1857 bis zum November 1861, meist an den Winterabenden oder vor der Nachtmahlzeit, bisweilen auch an stillen Sonntag-Nachmittagen; dann saß gewöhnlich seine Frau an seiner Seite und spann mit großem Fleiße an ihrer italischen Spindel. Er schrieb immer nur auf einer Seite, die andere zu jedoch selten nothwendigen Besserungen aufsparend, auf dünnes, bläuliches Postpapier, in dem ungewöhnlichen Format von circa 28 cm Höhe und 11 cm Breite; die Bogen heftete er selbst in kleine und größere Convolute, deren Zahl allgemach auf zweiundzwanzig anwuchs, welche etwas über 620 Blätter umfassen. Seine Schrift mit den großzügigen Buchstaben stammt unverkennbar aus einer alterthümlichen Schule; sein Lehrmeister dürfte wohl schon zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die Kunst des Schreibens erlernt haben. Daß Adam nicht länger in der Schule saß, als damals gerade nothwendig schien, ist glaubhaft.


Mit Interpunktion und Orthographie nahm es unser Autodidact nicht besonders genau; er blieb überhaupt damit zeitlebens auf einem etwas gespannten Fuße.

Als Material dienten ihm, außer seinem scharfen Gedächtniß, wohl die an Ort und Stelle gemachten Tagbuch-Aufzeichnungen, über deren Verbleib uns keine Kunde wurde, außerdem benützte er noch seine stets sorgsam datirten Skizzenbücher. Dabei sind die meistentheils durch das Gehör vernommenen Orts-und Personen-Namen nicht immer richtig gegeben. Daß bei einer in längeren Zwischenräumen fortgeführten Arbeit die Stimmung des Schreibenden schwankt und bisweilen eine weniger günstige Disposition oder ein sorgloseres Sichgehenlassen in Styl und Ausdruck wahrnehmbar ist, bleibt selbstverständlich. Hier galt es, obwohl nur in wenigen Fällen, zu kürzen und auszuscheiden.

Dazu kommt noch ein dünner Fascikel mit Concepten und ein längerer Aufsatz über Erziehung und Familienleben. Letzterer, beendet am 8. Dezember 1861, wiederholt einerseits die uns schon bekannten Maximen Adams: daß Genügsamkeit und Mäßigung, strenge Zucht und Ordnung, klug bewilligte Freiheit und ernste Liebe die Wurzel eines glücklichen Familienlebens bilde; anderseits finden sich einige biographische Notizen über seine Kinder, die Freude und der Stolz seines Hauses, wovon wir nachträglich einige Mittheilungen benutzen können.

Anschließend an die von dem Autobiographen zuletzt geschilderte künstlerische Thätigkeit berichten über die im Jahre 1851 von Adam unternommene Reise nach Ungarn einige an verschiedene Glieder seiner Familie gerichteten Briefe, welche wir hier kurz auszüglich verwerthen. Unterm 2. Juli 1851 meldet der Maler seine Rückkehr von einem Ausfluge nach Raab und Komorn; freudig wartet er auf die Ankunft seines wackern Sohnes Franz, welcher gleich nach seinem Eintreffen fleißig daran geht, mehrere Offizier-Portraits in Aquarell für des Vaters Bild zu zeichnen.

Dann finden wir die beiden Künstler auf der Theiß, nach den wichtigsten Punkten des ungarischen Insurrektions-Krieges reisend, begleitet von dem Hauptmann Friedberger, einem Augenzeugen jener schweren Kämpfe. Von Szolnok eilen sie nach Szegedin, wo vom frühen Morgen bis zum heißen Mittag im Freien gezeichnet wurde; dann geht es unverzüglich durch die unabsehbaren Pußten nach Temesvar. Sie sitzen auf einem Bunde Stroh in einem mit drei Pferden bespannten, von einer Matte überdeckten Leiterwagen; die furchtbar holperige Fahrt eilt über Feld und Morast, über Haide und Wüste. Deßungeachtet verläßt unseren Maler die Reiselust und Poesie nicht; er möchte jetzt sogar nach Siebenbürgen: „Gut, daß Eugen (sein reiselustiger Sohn) nicht bei mir ist, sonst käme ich auch noch bis in die Türkei ... Hätte ich nicht höhere Pflichten und ökonomische Rücksichten vor Augen, so würde mich nichts abhalten, nach Kon stantinopel auf der Donau hinunterzuschwimmen.“

In Temesvar hören sie noch allerlei Geschichten und Erzählungen aus der Zeit der Belagerung; man erschöpft sich daselbst in Aufmerksamkeit gegen die beiden Künstler. Dann kehren sie bei furchtbarer Hitze über die mit politischen Gefangenen wohlbesetzte Festung Arad und über das prachtvolle kaiserliche Gestüt Mezö-Högyes – wo sie ihre Skizzen in Ordnung bringen und eine wahre Erfrischung für Geist und Körper finden – auf die Theiß zurück und treffen am 26. Juli wieder in Pesth ein, wo Franz „bald mit großer Passion und wahrer Begeisterung“ eine „sehr schöne Skizze der Schlacht von Temesvar“ malt. „Ich selbst beschäftige mich mit der Ausbildung von einigen Compositionen, welche ich selbst in Temesvar entworfen und wovon besonders eine von der Schlacht von Szörreg sehr gelungen ist, welche auch Franz außerordentlich befriedigt ... Ich verlasse Ungarn mit dankbarem Gefühl für so viele empfangene Beweise von Liebe und Auszeichnung jeglicher Art.“

Am 10. August erhielt Albrecht Adam Audienz beim Kaiser – wobei auch Franz vorgestellt wurde – und in Folge davon Bestellung auf zwei Bilder. Am 15. August überreichte Albrecht Adam an den Grafen Grünne zu Schönbrunn die eben erschienenen neuesten (letzten) Hefte von dem Werke über den italienischen Feldzug, mit der Bitte, selbe Sr. Maj. dem Kai ser vorzulegen; dann verabschiedete sich der Maler von seinen übrigen hohen Freunden und wanderte schließlich unter den dunklen Laubgängen des schönen Gartens mit allerlei ernsten und feierlichen Erinnerungen: „Hier sah ich vor vierzig Jahren den gefürchteten Kaiser Napoleon sehr oft in tiefem Nachdenken versunken, mit den Händen auf dem Rücken einherwandeln, und in einem der Zimmer, welche jetzt Graf Grünne bewohnt, hauste ich selbst zu jener Zeit durch mehrere Wochen. Damals kam ich auf meinem ersten größeren Ausflug in die Welt als ein armer Junge nach Wien und fand die erste Aufmunterung bei den Feinden Oesterreichs, den Franzosen; jetzt ruft mich der Kaiser Oesterreichs dorthin, um die Heldenthaten seiner tapfern, siegreichen Armee auf die Nachwelt zu übertragen.“ Mit Ehrenzeichen auf der Brust, geliebt und geachtet an diesem Hofe und bei jeder Gelegenheit ausgezeichnet, erging er sich hier, wo er als schüchterner Jüngling nie gewagt hätte, seine Hoffnungen und Ansprüche an Glück und Zukunft so hoch zu stellen. Er genoß jetzt den Lohn eines ernsten Strebens, als ein braver Bürger, als ein fleißiger Mann und berühmter Künstler. „Damals, bei Napoleons Gegenwart, herrschte ringsum Todtenstille, man sah nur die majestätischen Gestalten der Grenadiere und der kaiserlichen Garden, stets in Paradeuniform Schildwache stehen und alle Ein- und Aus gänge besetzt haltend – heute bewegten sich in buntem Gemisch Tausende von Lustwandelnden aus allen Ständen, was dem Ganzen ein recht heiteres, festtägliches Aussehen gab.“ ...

Nach seiner Rückkehr warf sich Albrecht Adam mit der ihm eigenen Energie gleich auf die Ausführung des einen, die „Schlacht von Szörreg“ behandelnden Bildes und vollendete dasselbe in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit, bis Ende Mai 1852. Er brachte sein Werk über Regensburg – von Linz aus fuhr er auf dem Dampfer „Radetzky“ – nach Wien, wo der Künstler beim Kaiser abermals den liebenswürdigsten, herzlichsten Empfang fand. Alles strebte ihm Aufmerksamkeit zu erweisen. Gallerie-Direktor Krafft 1) hat mit Begeisterung von diesem Bilde gesprochen. Auch hier war es ein Griff in’s volle Leben: man sah sich mitten in die Schlacht versetzt; auch Benedek wurde auf den ersten Blick erkannt.

Im August desselben Jahres treffen wir Adam zu Hohenschwangau, wo ihn König Maximilian, welcher den Künstler immer in besonderer Affection hielt, in Audienz empfing, ebenso die Königin Marie. Adam wurde zur Tafel der Majestäten geladen, welche „auf der Terrasse unter einem Zelte bei paradiesischer Aussicht“ stattfand. Auch hier stiegen schöne Erinnerungen an frühere Tage auf; hatte er doch „vor sechszehn Jahren hier gepinselt“ und in die von Moriz von Schwind und Anderen componirten Bilder die Pferde hineingemalt.




1) Peter Krafft, geb. 17. September 1780 zu Hanau, gest. 28. Oktober 1856 zu Wien. Vgl. Wurzbach 1865, XIII. 106 ff.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers