Abschnitt 4

02 München.


Zweibrücken schied diesmal etwas unzufrieden von mir, war mir aber wegen dieses Ereignisses nicht weniger zugethan als zuvor.


Mein Benehmen in dieser Sache könnte mir leicht als eine Art von Stolz am ungeeigneten Platze angerechnet werden, das aber war ferne von mir. Hätte man mich auf die Schritte aufmerksam gemacht, um die Pension zu erlangen, so hätte ich sie gewiß gethan. Daß ich jene aber nicht erhielt, bereitete mir auch nicht eine trübe Stunde. Ich hatte bisher schon ein solches Bewußtsein meiner Kraft, eine solche Furchtlosigkeit vor der Zukunft erlangt, daß ich ebenso heiter und in meinem Innern glücklich war wie vor her.

Damals und so lange mein Aufenthalt in München währte, wohnte ich in einem aus Riegelwänden erbauten Gartenhäuschen, das nach drei Himmelsgegenden Fenster hatte. Ein aus leichten Brettern gezimmertes Stiegenhaus, bei welchem durch viele Spalten der Wind hereinblies, war mein Schlafgemach, in dem ich, um ein reines Zimmer zum Malen zu haben, Sommer und Winter, selbst bei der strengsten Kälte schlief.

Zur Befriedigung der nöthigen Lebensbedürfnisse brauchte ich sammt meinem Gesellschafter, einem treuen Pudel, die Hausmiethe nicht mit eingerechnet, täglich 24 Kreuzer. Dabei war ich so gesund, sah so blühend aus und hatte eine solche Heiterkeit des Gemüthes, daß sie oft bis zum Muthwillen überging und meine Freunde oftmals sagten: „Wir wollen nur sehen, wenn du einmal gescheit wirst.“

Auf solche Weise verlebte ich in München unbeschreiblich glückliche Tage. Bei den wenigen Bedürfnissen für meinen Unterhalt dünkte ich mich reich, und ich hätte eine entschiedene Lüge begehen müssen, um dem Könige zu sagen: „Ich bitte Ew. Majestät allerunterthänigst um eine Unterstützung, ich bin arm!“

An den Winterabenden zeichnete ich mit auf der Akademie, versuchte mich bisweilen in Compositio nen und malte einige kleine Bilder; ein ausgeführtes Bild machte ich von der Familie des Grafen Froberg. Einen großen Theil meiner Zeit nahm immer das Studium der Pferde in Anspruch, zu welchem sich mir in München eine so günstige Gelegenheit darbot.

Als im Herbste 1808 ein großes Lager bayerischer Truppen bei Augsburg zusammengezogen wurde, begab ich mich sogleich dorthin, erneuerte meine alten, mir so lieb gewordenen Bekanntschaften und zeichnete viel.

Ich war wieder recht in meinem Elemente unter dem Militär, besonders unter dem Regiment König. Trotzdem hatte ich aber an meinen Verhältnissen in München und dem dort herrschenden Kunstleben solchen Geschmack gefunden, daß ich nach Beendigung des Lagers gleich wieder dorthin zurückkehrte.

Eine große Leere war inzwischen zu München in meiner Umgebung entstanden; ich hatte meine beiden mir so lieb gewordenen Freundinnen verloren, nachdem ich noch zuvor im Sommer in der königlichen Gallerie zu Schleißheim mehrere Wochen in ihrem Umgange angenehm verlebt hatte.

Marie Geiger hatte in Wien einen reichen Onkel, welcher zwar kinderlos war, aber sich bisher wenig oder gar nicht um die Familie seines minder bemittelten Bruders bekümmerte. Durch einen Zufall erfuhr er viel Vortheilhaftes von seiner Nichte, welche in Mün chen studirte und mit einer Staatspension von 600 Gulden lebte.

Er schickte ihr schon zu Weihnachten einen werthvollen Pelzmantel nebst einigen anderen kleinen Geschenken als Zeichen seiner wohlwollenden Gesinnung, lud sie ein, zu ihm nach Wien zu kommen, und versprach, sie an Kindesstatt zu adoptiren. Sie folgte dieser Einladung und reiste acht Monate später, von ihrer treuen Freundin Reinhardt begleitet, welche sich nicht von ihr trennen wollte, dahin ab.

Ich fühlte, daß ich viel verlor, und trennte mich hart von ihnen. Das Lager bei Augsburg, welches bald darauf folgte, nahm mich glücklicherweise so sehr in Anspruch, daß ich mich leichter in die Trennung fand, als wenn ich in München geblieben wäre.

Bei meiner Rückkehr von Augsburg brachte ich die längeren Abendstunden hier in Gesellschaft von ein paar wackeren Freunden zu, denn Wirthshausleben war nie meine Sache, und nur ausnahmsweise verlebte ich bisweilen einen Abend in Gesellschaft von Künstlern in einem Gasthause. So verging der Winter, bis das verhängnißvolle Jahr 1809 herankam.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers