Abschnitt 8

14 Künstlerleben in München.


Der Herzog von Holstein-Augustenburg, der mich dort kennen lernte, veranlaßte mich, einige Jahre später ihn auf der Insel Alsen zu besuchen. Mehrere Monate verlebte ich auf dieser wahrhaft idyllischen Besitzung in dieser edlen Familie; diese Zeit gehört zu den angenehmsten Erinnerungen. Später ließ ich in drei Heften 18 lithographirte Blätter von Pferdeportraits aus dem Gestüte des Herzogs und anderes mehr erscheinen, die mit einem Text von dem Grafen von Holmer begleitet wurden. 45)


Im Jahre 1829 erhielt ich einen Ruf nach Württemberg um Portraits der edlen arabischen Pferde des Königs zu malen. Bald nachher bekam ich den Auftrag zu einem Reiterbildniß des Königs selbst, und da dieses sehr befriedigte, so wurde ein zweites und drittes und jedesmal auf einem anderen Pferde dargestellt, begehrt.

Diesen Bildern folgten noch andere Aufträge, so daß ich mich veranlaßt sah, ein ganzes Jahr in Stuttgart zu verweilen.

Sowohl durch die besondere Gnade des Königs, als auch durch die unzähligen Beweise von Aufmerksamkeit und des größten Wohlwollens, das mir von so vielen Freunden, die ich dort gewann, zu Theil wurde, verliefen auch diese in Stuttgart verlebten Tage höchst angenehm. Der Aufenthalt unter den treuherzigen Schwaben, ihre Sprache, die anmuthigen Umgebungen Stuttgarts, alles versetzte mich in die behaglichste Stimmung. Sobald ich sah, daselbst einen längern Aufenthalt nehmen zu müssen, ließ ich meine drei ältesten Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, dorthin kommen. Die Söhne hatten schon längst Talent für die Kunst gezeigt, so daß ich sie dort zweckmäßig beschäftigen konnte. Die Tochter, 17 Jahre alt, beschei den und häuslich erzogen, führte unsere kleine Wirthschaft. Auf solche Weise fühlte ich die Trennung von meiner Familie weniger und fand mich in Stuttgart ganz heimisch. Auch meine Kinder fanden allenthalben die liebreichste Aufnahme; wer zu uns kam, freute sich über unsern kleinen, häuslichen Kreis.

Mein Leben war zu allen Zeiten ein sehr thätiges. Ob ich nicht zu viel schuf, will ich dahingestellt sein lassen. Auf alle Fälle habe ich in der Zeit, von der hier die Rede ist, zu viele Pferdeportraits und zu viele kleine und unbedeutende Bilder gemalt. Außer diesen hat auch das Lithographiren von hundert Blättern zu dem Werke über den russischen Feldzug (Voyage pittoresque) mir viele Zeit für bedeutende Arbeiten geraubt. Indessen kam mir ein Umstand zu Hilfe, der mich aus diesem gar zu geschäftsmäßigen Kunsttreiben herausriß.

König Ludwig beauftragte mich, ein großes Bild für den Schlachtensaal (die Schlacht bei Borodino) zu malen, das sich an den Bildercyclus von Peter Heß und Wilhelm Kobell anreihen sollte. Der König legte einen besonderen Werth darein, dieses Gemälde von mir ausführen zu lassen, da ich Augenzeuge jener Schlacht gewesen. Mir konnte nichts angenehmer sein als dieser Auftrag, ich brannte vor Begierde, mich wieder auf einem großen Stück Leinwand bewegen zu können. Die tiefen Eindrücke, welche diese furchtbare Schlacht in mir zurückgelassen, traten bei Beginn meiner Arbeit mir wieder lebhaft vor Augen, so daß davon wohl auch etwas auf mein Bild übergegangen ist. Ich führte dieses Werk mit jugendlicher Frische durch. Die Composition ist lebendig und verfehlte die Wirkung nicht, die sie machen sollte. Ich hatte bei dem Bilde in Gedanken, wie in der Ausführung den Totaleindruck vor Augen und hütete mich, in einer zu detaillirten Darstellung mich zu verlieren. Das war aber nicht Vernachlässigung, noch Mangel an Kenntniß, sondern es geschah mit Absicht. Es ist bei großen Bildern, besonders bei figurenreichen Schlachtgemälden nicht gut, wenn man sich in zu viele Einzelnheiten zerstreut. Diese sind nur Veranlassung, daß man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Diesen Auftrag erhielt ich 1823, brachte das Bild aber erst 1835 zur Vollendung.

Anfangs erfreute sich meine Leistung in München nicht der großen Anerkennung, die ihr im Laufe der Zeit von Sachverständigen zu Theil wurde. Man war damals noch an einen glatten, bis in Kleinigkeiten sich einlassenden Vortrag gewöhnt. Hierin aber ist man inzwischen längst auf andere Ansichten gekommen, und ich darf sagen, ich habe den Muth gehabt, mich über den herrschenden Geschmack hinwegzusetzen und bin nicht mit der Zeit gegangen, die Zeit ist zu mir gekommen. Damals wurde ich wegen meiner Darstellung getadelt, jetzt nach 28 Jahren lobt man mich ihretwegen. So stellt die Zeit alles an seinen Platz, und ich kann mit der dem Bilde jetzt gezollten Anerkennung zufrieden sein.

Mehrere Bilder aus dem Gebiete der Schlachtenmalerei folgten auf jenes Gemälde; der Sinn für eine ernstere Richtung war durch dasselbe in mir wieder mehr geweckt. Sechs solcher Bilder kamen in den Besitz des Kaisers Nikolaus von Rußland.

Der zweite Sohn des Prinzen Eugen, Herzog Maximilian von Leuchtenberg, 46) vermählte sich mit einer Tochter des Kaisers Nikolaus, der Großfürstin Marie. Diese Verbindung veranlaßte seine gänzliche Umsiedelung von München nach Petersburg. Der Kaiser, welcher ihn liebte, suchte auf alle Weise den Prinzen an sich zu ziehen und so wurde er veranlaßt, sich dort einen eigenen Palast zu erbauen. In einem großen Saale desselben sollten die Siege des Prinzen Eugen aus den Jahren 1809 und 1812 durch mich verewigt werden. Zu diesem Behufe erhielt ich den Auftrag, sechzehn Bilder aus jenen Jahren in namhafter Größe in Oel auszuführen. Diese Aufgabe nahm mich jahrelang sehr in Anspruch, und es freute mich der Gedanke, daß der Sohn den Vater durch mich ehre und mir Gelegenheit gab, viele von den im Kriege gesammelten Skizzen ausführen zu können.

Leider erlebte der gute Prinz die Vollendung dieser Arbeiten nicht; sie wurden durch seinen allzufrühen Tod unterbrochen. Drei Bilder fielen dadurch aus; die andern dreizehn aber sind in dem für sie bestimmten Saal zu Petersburg aufgestellt. Außer diesen Bildern besaß der Herzog noch viele andere Gemälde von mir. Auch jene aus früherer Zeit, welche sich zu München in der Leuchtenberg’schen Gallerie befanden, kamen später mit dieser kostbaren Sammlung nach Petersburg.

Auf solche Weise arbeitete ich rastlos, bis das Jahr 1848 einen ganz neuen Wirkungskreis für mich herbeiführte.




45) Die Veredlung der Pferdezucht auf Alsen. Bildnisse und Skizzen aus dem Gestüte des Herzogs Christian August von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, nach der Natur gemalt 1838. Von Benno und Franz Adam. Stuttgart 1839–1841. 19 Blatt in Qu. Fol. nebst erklärendem Text vom Grafen von Holmer. Gr. 40.
46) Maximilian Eugen Joseph Napoleon von Leuchtenberg, geb. 1817 (vermählt 1839 mit der Großfürstin Maria Nicolajewna von Rußland), gest. 1852.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers