Abschnitt 7

14 Künstlerleben in München.


Was des Königs unermüdeter Geist an Kunstbauten, meist durch Klenze, 41) Ziebland 42) und Gärtner 43) während seiner Regierung ausführte und später auch ins Leben rief, ist zu bekannt und hat längst die Welt mit Bewunderung erfüllt, als daß es hier am Platze wäre, sie namentlich aufzuführen; sie stehen da für alle Zeiten und reden selbst.


Durch diese Bauten hatte der König die Möglichkeit, eines der größten Talente, den damals noch jungen und leider zu früh verstorbenen Ludwig Schwanthaler, zu beschäftigen. Unendlich Vieles leistete der produktive Geist Schwanthaler’s bei diesen Bauten. So erhielt auch die Bildhauerkunst ihren Antheil an dem großen Kunsttreiben in München; Schwanthaler beschäftigte eine große Anzahl tüchtiger Bildhauer, welchen hiedurch Gelegenheit zu weiterer Ausbildung gegeben war.

Alles dieses rief ein einziger, echt deutscher Mann wie mit Zauberkraft hervor: König Ludwig der Erste.

Was meine eigene Stellung betrifft, so hätte ich in diesem großartigen Schaffen leicht ganz in Dunkelheit verschwinden können, wäre es nicht eine Eigenschaft meines Charakters, vielleicht auch eine gute Gewohnheit gewesen, da meine Kräfte zu verdoppeln, wo Hindernisse zu überwinden sind.

Am 21. Februar 1824 starb Prinz Eugen, Herzog von Leuchtenberg, und schon am 12. Oktober 1825 folgte ihm „Vater Max“, der unvergeßliche König Maximilian, nach. Zwei edle Leben endeten in ihnen und tiefe Trauer erfüllte das ganze Land.

Ich verlor sehr viel an Beiden; von dieser Zeit an trat ich als Künstler zu München in eine ganz veränderte Stellung.

In der günstigen Lage, in der ich, gestützt auf die Gnade des Königs Max, bevorzugt von Prinz Eugen und von so vielen hohen Personen mit Arbeit überhäuft lebte, war es natürlich, daß bei gar manchen Künstlern Neid und Eifersucht rege wurde. Allein solange meine beiden großen Beschützer lebten, ließ man mich ruhig gewähren. Keiner von meinen Neidern wagte, seine wahren Gesinnungen kund zu geben; keiner wollte es mit mir verderben, besonders weil man mir bei dem Prinzen Eugen größeren Einfluß zuschrieb, als ich wirklich besaß und gar Mancher auf diesen kunstsinnigen Fürsten speculirte. Kaum aber hatten diese Beschützer die Augen geschlossen, so sagte man mir, was an mir sei und wo es meinen Leistungen fehle. Das wollte mir anfangs gar nicht munden, aber gerade diese schonungslose Kritik hatte ihr Gutes. Besser wäre es freilich gewesen, schon früher auf meine Fehler mich aufmerksam zu machen. Ich hätte mich dann mehr zusammengenommen. Aber ich war noch nicht so in meinen Jahren vorgerückt, um nicht noch vieles einholen zu können. Und das that ich auch.

In meinem Einkommen entstand freilich durch den Verlust dieser beiden, großmüthigen Fürsten eine nicht unbedeutende Lücke. Allein stets gewöhnt, mich durch kein Mißgeschick entmuthigen zu lassen, wußte ich bald, welche Partie ich zu ergreifen hätte. Mit erneutem Eifer setzte ich mich an meine Staffelei; von dieser, von meinem Atelier aus, wollte ich meine Widersacher bekämpfen, und dieses Streben trug seine Früchte. Aber nicht bloß in meinem Atelier, auch in meiner häuslichen Einrichtung war ich darauf bedacht, zweckmäßige und für Zeit und Umstände passende Aenderungen zu treffen.

Die Wohnung für meine zahlreiche Familie, verbunden mit einem geeigneten Lokale zum Arbeiten, zog eine ziemlich theuere Miethe nach sich. Ich kaufte deßhalb in einem etwas entlegenen Stadttheile ein Grundstück und baute mir vor allem ein Atelier mit der geeigneten Einrichtung, Thiere darin ordentlich studiren zu können. Ein paar kleine Gebäude, so eine Art Gartenhäuschen, gaben der Familie ein nothdürftiges Unterkommen; man beschränkte sich bis auf bessere Zeiten, so gut es ging. Später dann, im Jahre 1829, baute ich ein geräumiges Wohnhaus für meine Familie und legte, da dasselbe nicht unmittelbar an der Straße stand, vor und hinter demselben einen schönen Garten mit verschiedenen größeren Pflanzungen an, aus welchen im Verlaufe von 30 Jahren große Bäume wurden. Hier lebte ich ziemlich zurückgezogen, bloß in meinem Atelier, für meine Familie und mit der Erziehung meiner heranwachsenden Kinder beschäftigt. Es verschaffte mir übrigens ein ungemein behagliches Gefühl, auf meinem eigenen Grund und Boden zu hantiren, mein Leben war in ein neues Stadium getreten; ein Besitzthum band mich enger an den Staat, in welchem ich lebte. Hier, sagte ich mir, hat Niemand zu gebieten als ich, solange ich die Gesetze des Staates nicht verletze. Das paßte in meinen Kram und zu meiner selbständigen Denkart. Im übrigen aber fuhr ich stets fort, mit großem Eifer und ernstlichem Vorwärtsstreben bei meiner Staffelei zu schaffen.

Schon in den Jahren 1815–1825 hatte ich neben andern Arbeiten für den Prinzen Eugen ein Album (eine Art bildliches Tagebuch) von Erinnerungen an den russischen Krieg nach meinen in Rußland gesammelten Zeichnungen in 8 Blättern in Oel auf Papier gemalt; 1827 begann ich mit Bewilligung der Herzogin von Leuchtenberg einen Theil desselben nebst andern aus den in jenem Kriege gesammelten Skizzen in einer Reihe von 100 von mir selbst lithographirten Blättern unter dem Titel: Voyage pittoresque et militaire erscheinen zu lassen. 44)) Dieses Werk, das in fünf Jahren vollendet wurde, erregte viel Interesse und erfreute sich einer großen Verbreitung.

In der Zeit wurde ich auch von mehreren Cavalieren zu einer Reise nach Mecklenburg veranlaßt. Dort fand ich schöne Gelegenheit, meine Pferdekenntniß zu erweitern. Ich sah viel Schönes, malte viel und fand allenthalben die freundlichste Aufnahme.




41) Leo von Klenze, geb. 29. Februar 1784 bei Hildesheim, gest. 27. Januar 1864 zu München.
42) Georg Friedrich Ziebland, geb. 1800 zu Regensburg, gest. 24. Juli 1873.
43) Friedrich von Gärtner, geb. 1792 zu Koblenz, gest. 21. April 1847 zu München.
44) Voyage pittoresque et militaire de Willenberg en Prusse jusqu’à Moscou, fait en 1812, pris sur le terrain même et lithogr par A. Adam. Munic 1827–1833. 101 Blätter Fol. mit des Künstlers Brustbild von Engelmann auf dem Titel. Dann die Bildnis se des Prinzen Eugen, des Kaisers Napoleon I. und des Königs Murat, ebenfalls von Engelmann lithographirt. Am Schlusse des ersten Heftes ein Blatt nach C.W. von Heideck. – Nur die Umrisse sind von A. Adam und zwar mit dem Pinsel auf Stein gezeichnet, die lithographische Ausführung dagegen besorgten seine Söhne, vorzugsweise Benno Adam. – Daran schließen sich: Vierundzwanzig Umrisse (Scenen aus dem russischen Feldzug im Jahre 1812). Nebst dem französischen Titel: Croquis pitt. etc. München 1834. Tondruck. Qu.-Fol. (Auch unter dem Titel: Die hervorragendsten Episoden aus dem Feldzuge in Rußland.)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers