Abschnitt 5

14 Künstlerleben in München.


Es lag klar zu Tage, daß Langer, dem das Aufblühen einer Corporation von Künstlern, die der Akademie gegenüber eine ganz unabhängige Stellung einnahmen, ein Aergerniß war, dagegen gearbeitet hatte. Durch eine solche Vereinigung wurden ja jene Künstler gekräftigt und der Einfluß der Akademie, dem äußern Anschein nach, geschwächt. Der Grund des abschlägigen Bescheides war übrigens ein sehr schwacher. Die Akademie hielt alle drei Jahre eine große Ausstellung. Weil wir aber fanden, daß es gut wäre, wenn den Künstlern auch innerhalb der drei Jahre Gelegenheit geboten würde, ihre Werke in einem passenden Lokale vereint zur Anschauung zu bringen, entstand der Gedanke, einen solchen Verein zu gründen. Indeß wir waren abgewiesen; man ließ die Köpfe hän gen und guter Rath war theuer. Da ging ich aus der übelgestimmten Gesellschaft nach Hause und entwarf noch denselben Abend den Plan zu einer Verloosung von Kunstgegenständen unter einer geschlossenen Gesellschaft und zu der beiläufigen Organisirung des Vereins, wie er sich nachher gestaltet hat. Andere nahmen sich dann dieses Planes an, gaben es für ihr Werk aus und thaten sich viel darauf zu gute, daß man auf solche Weise zum erwünschten Ziele gelangte, denn die in solcher Art gemachte Eingabe erfreute sich der Bewilligung der Regierung. 23)


Oft schon habe ich an mich die Frage gerichtet, ob ich mit diesem Plane etwas Gutes gethan oder nicht, und bis zu dieser Stunde bin ich darüber noch nicht einig. Indeß ließ ich mir doch um dieser Sache willen keine grauen Haare wachsen. Mir war dieser Plan nur Mittel zum Zwecke und später wäre ein ähnliches Unternehmen doch entstanden.

Offenbar erhielt von nun an die Pflege der Kunst eine ganz andere Richtung als früher. Was vordem von Kunstsinnigen und einsichtsvollen Liebhabern geschah, das wurde nun zum großen Theile in die Hände des Volkes gelegt. Das hatte, wie so vieles in der Welt, viel Gutes, aber es kamen in der Praxis auch große Schattenseiten zum Vorschein.

So lange die Gesellschaft kaum 300 Köpfe zählte, ging alles ganz vortrefflich. Man war eifrig bemüht, in das durch freie Wahl berufene Comité, dem die Leitung der Geschäfte übertragen wurde, nur die einsichtsvollsten Männer zu wählen. Jener Theil desselben, dem der Ankauf der zur Verloosung bestimmten Gegenstände oblag, bestand nur aus fünf Personen: zwei Künstlern und drei Kunstfreunden. Diese Männer, die es sich zur Ehre anrechneten, das ihnen geschenkte Vertrauen zu rechtfertigen, beobachteten die möglichste Rücksicht gegen die Künstler. Ueber ihre Berathungen wurde das strengste Stillschweigen beobachtet, und Niemand erfuhr, wer für oder gegen dieses oder jenes Bild gestimmt hatte. Es bleibt auch nur auf diese Weise das Urtheil und die Abstimmung frei von allen Nebenabsichten.

Unter den Künstlern entstand unter diesen Verhältnissen ein äußerst reges und heiteres Leben; Künstler und Kunstfreunde lebten in freundlichem Verkehr zusammen. Man versammelte sich öfters in zahlreicher Gesellschaft bei einem Mahle; 24) die Verloosung der Kunstwerke, die alljährlich am 16. Februar, als dem Stiftungstage des Vereins, stattfand, war jedesmal der Anlaß zu einem heitern Feste, kurz, das Institut stand in Jugendblüthe, wuchs und gedieh sichtlich. Es war eine der schönsten Kunstepochen in München, und wer in jener Zeit gelebt hat, versetzt sich gerne in Gedanken in dieselbe zurück; leider verlief sie nur zu schnell.

Nach 4–5 Jahren war die Mitgliederzahl von 300 auf 3000 gestiegen. Dies gab dem Vereine bald eine völlig andere Gestalt. Man glaubte nun, durch Vermehrung der Comité-Mitglieder der großen Mitgliederzahl mehr Antheil an der Verwaltung einräumen zu müssen. Das Schiedsgericht (Ankaufscommission) wurde erst von fünf auf sieben, dann auf neun, endlich auf elf Mitglieder gebracht. Der Verwaltungs-Ausschuß bestand getrennt von dieser Commission aus 16 Mitgliedern. Je zahlreicher aber diese Behörden wurden, desto mehr Schattenseiten entfaltete der ursprünglich so schöne Verein. Es war nun schwer, so viele einsichtsvolle Männer zu finden, die man zu einer schonungsvollen und umsichtigen Leitung des Ganzen brauchte, besonders da man durch eine Bestimmung, nach der die Hälfte der Comité-Mitglieder alljährlich austreten mußte, die freie Wahl beschränkte und die uneigennützigsten und brauchbarsten Männer beseitigte. Diese zogen sich zurück und versagten ihre fernere Mitwirkung bei der Leitung der Geschäfte. Die Zügel kamen dadurch oft in ungeweihte Hände, die mehr verdarben als gut machten. Mangel an Kenntnissen, Parteilichkeit, Einseitigkeit des Urtheils trat nun oft an die Stelle einer sorgsamen Pflege der Kunstentwicklung. Am Ende wurde der Verein von den Künstlern als Markt und von den Kunstfreunden die Verloosung als der wichtigste Zweck dessel ben betrachtet. Damit verlor er an Würde und man ließ das edlere Ziel, das ihm gesteckt war, die Hebung und Förderung der Kunst, immer mehr aus den Augen. 25)

Uebrigens darf man trotz dieser Mängel nicht verkennen, daß durch die Gründung des Kunstvereins ungemein viel Leben und Streben wachgerufen wurde.

Ein Hauptgewinn der Kunstvereine mit einer permanenten Ausstellung, bei der die Bilder oft wechseln, wie dies in München der Fall ist, dürfte vor allem darin zu suchen sein, daß dem Künstler Gelegenheit geboten wird, seine Werke zu jeder Zeit, die ihm dienlich scheint, neben den Werken anderer Meister aufzustellen und sie mit diesen vergleichen zu können. Wem es ernstlich darum zu thun ist, zu sehen, wo es seinen Bildern fehlt, der hat hier die beste, ja, ich möchte sagen, fast einzige Gelegenheit dazu. Kein Künstler ist im Stande, sein Bild selbst richtig beurtheilen zu können, solange es in seinem Atelier ist. Nur wenn es in einem andern Lichte und neben andern Werken zur Anschauung kommt, wird das einseitige Urtheil über das eigene Bild beseitigt. Dieser Gewinn aber ist nicht gering zu achten. Leider wird er von einer Anzahl Künstler nicht genug gewürdigt, sonst würden sie nicht bloß jene Werke zur Ausstellung bringen, die sie an den Kunstverein zu verkaufen gedenken; das ist ein Uebelstand, der beson ders in späterer Zeit sehr überhand nahm.

Während durch das Wachsen und Gedeihen des Kunstvereins Leben und reger Verkehr bemerkbar wurde, traten neue Talente hervor, die man später zu den hervorragendsten Malern Münchens zählte, so Carl Rottmann, 26) D. Monten, 27) H. Bürkel 28) und Andere mehr. Rottmann, der mit Recht als Landschaftsmaler erster Größe gilt, hatte 1822 die ersten Versuche an das Licht gebracht. Wie an diesen, so erkannte man auch an Bürkel’s Erstlingsarbeiten das schöne Talent, das ihm einen so bedeutenden Ruf erwarb. Ebenso zeigten die Leistungen von Monten bald sein Genie in der lebendigen Auffassung der Gegenstände, die er sich zum Vorwurfe seiner Darstellungen wählte.




23) Zu den Stiftern des Münchener Kunstvereins gehören Stieler, Quaglio, Heß, Gärtner, Mettenleiter und Raphael Winter, in dessen Wohnung am 26. November 1823 zweiundvierzig Künstler und Kunstfreunde zusammentraten. Adam ist in dem offiziellen Berichte nicht genannt, unterzeichnete aber am 13. Dezember die an König Max gerichtete, „Vorstellung“, worauf schon am 31. Dezember 1823 die allerhöchste Bestätigung erfolgte. Vgl. „Erster halbjähriger Bericht über die Entstehung, den Bestand, die Verfassung und das Wirken des in München errichteten Kunstvereins. Erstattet von dem ordentlichen Verwaltungsausschusse, zusammengestellt von dem Mitgliede des Ausschusses, dem königl. Kämmerer Freiherrn von Proff. München 1824.“
24) Es gab auch daselbst abendliche gesellige Zusammenkünfte, bei welchen nicht allein Künstler, sondern auch Dilettanten und Laien eigene und fremde Kunstwerke zur Ansicht auflegten und durch Vorträge erklärten. Vgl. die ersten, durch Freiherrn von Proff halbjährig erstatteten „Berichte“ S. 124 ff.
25) Wir geben hier die subjektive Ansicht Adam’s unverkürzt, ohne dessen gesammtes, in manchen Punkten zu Widerspruch reizendes Raisonnement zu theilen.
26) Carl Rottmann, geb. 9. Januar 1798 zu Handschuhsheim, gest. 7. Juli 1850 zu München. Vgl. Nagler 1843, XIII. 473. E. Förster 1860, V. 205. Regnet, Münchener Künstlerbilder, Leipzig 1871, II. 100 ff.
27) Dietrich Monten, geb. 13. September 1799 zu Düsseldorf, gest. 13. Dezember 1843.
28) Heinrich Bürkel, geb. 29. Mai 1802 zu Pirmasens, gest. 10. Juni 1869 zu München. Vgl. Nekrolog in Nr. 165 Allg. Zeitung vom 14. Juni 1869. Allg. Deutsche Biogr. 1876, III. 623 (Pecht).

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers