Abschnitt 4

14 Künstlerleben in München.


Selbst ein sehr talentvoller Landschaftsmaler, besaß er vielseitige Kunstkenntnisse. Seine Zeichnungen sind geistreich und geschmackvoll. Schon früher hatte er den Kronprinzen Ludwig auf seinen Reisen in Italien begleitet 22) und dabei viel gezeichnet. Dillis stammte aus einer achtbaren Försterfamilie und hatte den geistlichen Stand erwählt; aus seinem ganzen Wesen blickte aber immer etwas Naturwüchsiges her vor, wodurch er bisweilen mißverstanden wurde. Ich hatte große Verehrung für ihn und erfreute mich seines Wohlwollens.


Auf solche Weise wirkte die Direktion der Akademie und Gallerie verbunden mit dem wohlthätigen Einflusse von oben herab wechselweise thätig für die Fortbildung der Künstler.

So fand ich die Kunstzustände in München, als ich 1815 dorthin aus Mailand zurückkehrte. Ich werde es versuchen, über den weiteren Entwicklungsgang der Kunst, soweit mir derselbe noch erinnerlich ist, meine Bemerkungen mitzutheilen. Es liegt aber ferne von mir, eine Geschichte der Kunst in dem neuen München zu schreiben; das muß ich Jemand überlassen, der mehr Beruf zum Schriftsteller hat als ich. Ich wollte in diesen Blättern lediglich schlicht und einfach das Erlebte erzählen und die erhaltenen Eindrücke schildern.

Seit meiner Rückkehr aus Italien bis zum Tode des Königs Maximilian war meine Stellung in München, dem äußern Anschein nach zu urtheilen, eine sehr angenehme, vielleicht zu angenehm, um in jenem Maße vorwärts zu schreiten, als es vermöge der mir von der Natur verliehenen Anlagen und Kräfte hätte sein können. König Max hatte seine Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Er erwies sich mir sehr gnädig und kaufte viele von meinen Werken.

Auch Prinz Eugen nahm einen großen Theil meiner Zeit in Anspruch und war immer ein wenig eifersüchtig, wenn meine Bilder in andere Hände kamen.

Feldmarschall Fürst Wrede legte sich in seinem Schlosse zu Ellingen eine ganze Sammlung fast ausschließlich von meinen Bildern an, ebenso der Oberst-Stallmeister Baron von Kesling. Auch viele andere Kunstliebhaber bemühten sich, Werke von mir zu erhalten. Was ich nur immer machte, wurde gekauft, und alles fand man schön und gut.

Eine solche Stellung birgt für einen Künstler große Gefahren. Sie führt oft auch bei dem besten Willen zu einer gewissen Leichtfertigkeit und weckt die Lust, mehr Geld zu verdienen, als gut ist. Ein gewisses Etwas muß vorhanden sein, das den Künstler zu rastloser Thätigkeit aneifert; wenn man ausnahmsweise Beispiele hat, daß Künstler, bei denen der Gelderwerb die Haupttriebfeder ihrer Thätigkeit ist, es auch in ihren Leistungen weit bringen können, so sind diese eben Ausnahmen.

Der Ehrgeiz wirkt kräftiger und treibt manchen Künstler dazu an, das Aeußerste von sich zu fordern. Aber auch das ist ein gefährlicher Gefährte, denn er führt leicht auf Abwege. Eitelkeit, Anmaßung und Ueberschätzung des eigenen Werthes gesellen sich oft unvermerkt dazu; bei unedlen Naturen auch noch Neid und Mißgunst, die eben den Künstler nicht edler machen. Wer die Kunst nicht aus Liebe zu ihr selbst treibt, wem die Ausübung derselben nicht Lust und Bedürfniß geworden, den wird sie niemals beglücken.

Wenn ich vorhin sagte, daß die günstige Stellung, in der ich mich befand, vielleicht nicht dazu geeignet war, mich in dem Maße voranschreiten zu lassen, als es vermöge meiner Naturanlagen hätte sein können, so dürfte der Grund hievon nicht in einem Mangel an reiner Liebe zur Kunst selbst zu suchen sein. Ich kann mir selbst und der Welt das redliche Bekenntniß ablegen, daß ich von meiner frühesten Jugend bis in mein 75. Jahr, in dem ich diese Zeilen niederschreibe, von der wärmsten Liebe zur Kunst beseelt blieb. Sie gerade war es vorzugsweise, die mich zur Thätigkeit und Ausübung der Kunst getrieben hat. Auch war ich stets weit entfernt von der Schwäche, zu glauben, daß, weil meine Werke gesucht wurden und man alles, was ich in jener Epoche machte, schön und gut fand, es auch wirklich so sei. Ich tadelte manches Bild, das ich von der Staffelei gehen ließ, hinterher oft härter, als es Fremde thaten. Aber ein Hinderniß trat mir in den Weg, schwerer zu überwinden als zu große Liebe zum Gelderwerbe: der unabweisliche Bedarf desselben.

Meine treffliche Frau war keine schlechte Wirthin, aber in einem gewissen Wohlstande aufgewachsen, und nicht so wie ich daran gewöhnt, alles, was dem Menschen nur einigermaßen entbehrlich ist, abzu schütteln, sobald es die Umstände erheischen, um ungehindert einem vorgesteckten Ziele zusteuern zu können. Auch brauchte es Jahre lang Zeit, bis sie sich an die deutschen Sitten, die Lebensweise, den Umgang mit Dienstboten und Anderes mehr gewöhnte; das führte manche Ausgabe herbei, die ich unter andern Verhältnissen nicht gemacht haben würde. Meine Familie vermehrte sich sehr schnell und war in wenigen Jahren schon zu einer bedeutenden Anzahl Kinder herangewachsen, und ich begann zu fühlen, daß sich an ein glückliches Familienleben auch ein Schweif häuslicher Sorgen anhänge, der nie gekannte Lasten mir auferlegte. Daneben nahm auch die Theilnahme für meine armen Eltern, für deren Unterhalt ich sorgte, mich sehr in Anspruch. Auch meine Geschwister bedurften meiner Unterstützung, und so wuchs im Laufe der Zeit der Geldbedarf meines Hauses zu einer ansehnlichen, mir sehr unwillkommenen Höhe und hemmte die freie Bewegung meines künstlerischen Schaffens. Ich war der einzige vom Glücke Begünstigte in meiner Familie und hatte mir schon 1804, als ich das elterliche Haus verließ, die Aufgabe gestellt, dereinst die Stütze meiner Familie zu werden und wollte das, was ich mir damals gelobt, jetzt lösen, aber es mußte sehr häufig auf Rechnung der Kunst geschehen.

In München machte sich im Laufe der Zeit ein sichtbares Vorwärtsschreiten in der Kunst bemerkbar. An Heß und Heideck hatte ich zwei große Rivalen, und ich durfte alle meine Kräfte zusammennehmen, um mitzukommen.

Heideck danken wir die Beseitigung mancher veralteten, zum Theile noch aus der Zopfzeit auf uns übergegangenen Manieren. Der dunkle Vordergrund, der gewisse Coulissenbaum und ähnliche Unarten verschwanden nach und nach. Heideck, der nicht von dem Ertrage seiner Leistungen zu leben brauchte, erfreute sich einer sehr unabhängigen Stellung, und geistreich, wie er war, versuchte er manches, was ein anderer sich nicht getraute. Er war durchaus hell in seinen Bildern, suchte keine groben Contraste, um die Gegenstände auseinander zu setzen, und brachte das Licht oft bis ganz in den Vordergrund. Mannlich sagte von ihm, er jage den Difficultäten nach. Uebrigens fallen die besten Werke Heideck’s nur zwischen die Jahre 1816–1825; später gerieth er auf Abwege.

Im Jahre 1823, den 16. Februar, wurde der Kunstverein in München gegründet. Es war der erste in Deutschland und das Vorbild für so viele ähnliche Vereine, die sich über ganz Deutschland und darüber hinaus verbreiteten, um die Liebe zur Kunst zu erwecken und den Künstlern Gelegenheit zu ihrer Entwicklung und zum Verkaufe ihrer Werke zu verschaffen. Anfangs hatte die Vereinigung einer Gesellschaft von Künstlern und Kunstfreunden keinen andern Zweck vor Augen als den, ein geeignetes Lokal zu miethen, in welchem die Künstler ihre Werke auf eine vortheilhafte Weise ausstellen könnten, um sie dem Publikum und auch Fremden leichter zugängig zu machen. Zweck und Absicht hiebei war der Beachtung werth und fand auch bald große Theilnahme, allein man stieß auf Hindernisse. Zur Gründung eines Vereins bedurfte man der Bewilligung der Regierung und die deßhalb gemachte Eingabe wurde unter Hinweisung auf die Akademie, welche dieselben Zwecke verfolge, abschlägig beschieden.




22) Vgl. hierüber die Erinnerungen des Dr. Joh. Nep. von Ringseis, gesammelt und herausgegeben von Emilie Ringseis. Regensburg 1886, I. 371 ff.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers