Abschnitt 3

14 Künstlerleben in München.


Dominicus Quaglio, 19) aus einer alten italienischen Decorationsmaler-Familie, war in diesem Künstlerkreise nicht nur als Künstler, sondern auch in seinem geselligen Umgange einer der genialsten Menschen. Anfänglich trieb er die Theatermalerei, verließ sie aber bald und schuf viele Architekturbilder (meistens innere und äußere Ansichten von Kirchen). Er lithographirte auch anfänglich vieles und erwarb sich durch sein Streben und seinen Fleiß schnell einen bedeutenden Ruf. Im geselligen Verkehre war er die Seele der Unterhaltung. Unerschöpflich an Witz und launigen Erzählungen, belebte er jede Gesellschaft, weßhalb man sich gerne um ihn schaarte und obwohl man ihm wegen seines mißtrauischen Wesens selber nicht viel traute, so liebte man ihn doch, weil er ein so angenehmer und guter Mensch war.


Ein sehr hervorragender Künstler, obwohl er die Kunst nicht als eigentlichen Beruf trieb, war Karl von Heideck, 20) Major im Generalstabe der bayerischen Armee. Er hatte sich nach Beendigung der Kriege und seiner Rückkehr aus Spanien mit großer Liebe zu der Kunst gewandt. Seine geistreichen Aquarellzeichnungen ließen schon früher sein Talent zur Genüge erkennen. Seit 1815 versuchte er sich in der Oelmalerei und leistete in kurzer Zeit Außerordentliches. Alles, was er machte, trug den Stempel der Genialität und einer scharfsinnigen Beobachtungsgabe, mit der ihn die Natur reichlich beschenkt hatte.

In diesem Kreise war ferner Stieler 21) wegen seiner feinen Manieren und seines äußerst gefälligen Benehmens im Umgange eine allgemein beliebte Persönlichkeit. Auch bei Hofe galt er viel; er hatte ein Atelier in der Residenz und sehr viele Aufträge vom Hofe. Besonders excellirte er in Damenportraits. Er wußte das Schöne an den Köpfen hervorzuheben, ohne die Aehnlichkeit zu verlieren, eine Eigenschaft, mit welcher der Portraitmaler sich immer sehr beliebt macht. Das schließt aber nicht aus, daß er auch ähnliche Männerportraits malte, was aber immer leichter ist. Die Bilder von Stieler trugen den Stempel seines eigenen Charakters; sie hatten etwas mild Abgerunde tes und Gefälliges.

Diese soeben genannten Künstler und andere, die namentlich aufzuzählen mich zu weit führen würde, trugen wesentlich in München zum neuen Aufblühen der Kunst bei. Sie waren es auch, auf die König Maximilian I. seine besondere Aufmerksamkeit richtete.

In diesem Kreise bewegte ich mich vorzugsweise. Ich verkehrte viel mit diesen Malern und fühlte eine wahre Wonne darin, mich wieder in einem regen, vorwärtsstrebenden Kunstleben zu befinden. Ich hatte dies ja so lange und schmerzlich vermißt. Mit besonderem Vergnügen blicke ich noch jetzt auf jene Zeit in München als eine der glücklichsten Epochen meines Künstlerlebens zurück.

In dieser Zeit war Mannlich, ein schon bejahrter, gebildeter Mann von großen Kenntnissen, Centralgallerie-Direktor und übte nicht unbedeutenden Einfluß auf die Richtung der Kunst, voran der Malerei. Er besaß das Vertrauen des Königs und war der Vermittler zwischen ihm und den Künstlern. Und Diejenigen, welche unabhängig von der Akademie ihre eigene Richtung verfolgten, lehnten sich an Mannlich an.

Es ist nun einmal ein Uebelstand in dieser Welt, daß so selten die Menschen vereint und ohne Nebenabsichten zu einem guten oder schönen Zwecke ruhig und mit Besonnenheit zusammenwirken! Eitelkeit, übertriebener Ehrgeiz, Eigennutz bereiten der Entwicklung des Guten und Schönen stets die größten Hindernisse. So ging es auch hier.

Langer, eifersüchtig auf Mannlich, der vorzugsweise das Vertrauen des Königs besaß, feindete diesen an. Bei der dadurch herbeigeführten Uneinigkeit blieben die Anhänger Mannlich’s nicht unbetheiligt und so trennte sich bald die Corporation der Künstler in zwei Parteien, von denen die der Akademie der Zahl und Stellung nach die größere, die andere aber bald die stärkere war. Langer gab sich in seiner Leidenschaftlichkeit öfters Blößen, die dem kaltblütigen, besonnenen, alten Mannlich die Mittel boten, ihn bei dem König in ein nachtheiliges Licht zu setzen und seinen Einfluß zu schwächen.

Der gute König Maximilian, dessen edles Herz gerne die ganze Menschheit mit Liebe umfaßt und beglückt hätte, richtete jetzt seine Aufmerksamkeit vorzugsweise auf jene Künstler, die sich an Mannlich angeschlossen hatten und bot ihnen Gelegenheit zu ihrer Fortbildung. Er beglückte sie mit seinem Wohlwollen und behandelte sie wie zarte Pflanzen, die man auf einen für ihr Wachsthum gedeihlichen Boden setzt, um sie groß zu ziehen.

Die Künstler durften ihm ihre Werke zeigen, und alljährlich kaufte er einen Theil der vorzüglichsten derselben, was sie aneiferte. Die Wände seiner Wohn zimmer waren ganz mit Bildern meist lebender Künstler angefüllt; erhielt er etwas Neues, Besseres, so mußte ein älteres weichen. Er machte dann öfters Geschenke, entweder an die Gallerie, oder nach auswärts, denn er zeigte gerne, was man in München leistete.

Aufträge jedoch gab er nicht leicht, ebenso war es eine seltene Ausnahme, wenn er Pensionen ertheilte, um Künstler nach Rom zu schicken. Er hatte eine vorgefaßte Meinung, daß man ihnen sehr oft dadurch nur die Gelegenheit zum Faullenzen biete. Alles aber, was er für die Kunst that, geschah mit Liebe und Zartgefühl. Kein Künstler fühlte, daß ihm der König sein Bild abkaufte, nur ihm eine Unterstützung zu gewähren, es wurde stets als eine Auszeichnung betrachtet. Als ein Beweis, wie zart der König mit den Künstlern umging, erzähle ich hier etwas, was mir selbst begegnete. Er hatte ein Bild von mir gekauft, das ihm große Freude machte. Bald darnach begegnete ich ihm bei einem Pferdevorführen im Beisein vieler Cavaliere. Sobald er mich erblickte, winkte er, ging mit mir auf die Seite und sagte: „Apropos, Adam, der alte Mannlich hat an dem Bilde etwas getadelt, vielleicht könnte es noch geändert werden. Ich will es Dir schicken und wenn der Fehler gut zu machen ist, thue es dem Alten zu Liebe. Er meint es gut und versteht etwas. Mir für meinen Theil wäre es so, wie es ist, auch recht.“

Mannlich hatte eine gute Art, dem Künstler seine Ansichten mitzutheilen. Er that dies stets offen und so, daß ihn jeder verstehen konnte. Dabei drang er keinem seine Meinung auf und war nicht abstoßend. Für das wirklich Gute und Gelungene zeigte er lebhaftes Interesse.

Neben Mannlich stand als Gallerie-Inspektor Georg Dillis, dessen ich schon oben Erwähnung gethan. Er füllte seinen Platz auf eine Weise aus, die ihm Ehre machte und ein wahres und lebhaftes Interesse für Kunst und Künstler bekundete. Die Gallerie war in dieser Zeit für die Künstler sehr zugänglich, und das Studium der alten Meister wurde ihnen auf alle Art und Weise erleichtert.

Dillis machte fast täglich die Runde durch alle Säle und ging den dort studirenden Künstlern mit Rath und That an die Hand. Man konnte recht gut sehen, daß er dies nicht blos von Amtswegen, sondern aus Interesse für die Kunst that.




19) Dom. Quaglio, geb. 1. Januar 1788 zu München, gest. 9. April 1837 zu Hohenschwangau. Vgl. Nagler 1842, XII. 140 ff. Kunstvereinsbericht für 1837, S. 79 ff. (mit Quaglio’s Portrait).
20) C.W. von Heideck, genannt Heydecker, geb. 6. Dezember 1788, gest. 21. Febr. 1861. Vgl. E. Förster 1860, V. 191. Allg. Deutsche Biogr. 1880, XI. 295.
21) Carl Jos. von Stieler, geb. 1. November 1781 zu Mainz, gest. 9. April 1858 zu München. Vgl. Nagler 1847, XVII. 348 ff. Wurzbach XXXVIII 358 ff.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers