Abschnitt 2

14 Künstlerleben in München.


Zur Akademie gehörte ferner Wilhelm Kobell, 8) der für Dillis die Stelle eines Lehrers in der Landschaftsmalerei übernommen; übrigens war seine Wirksamkeit als Professor nicht von großer Bedeutung. Er war ein Mann, der sich nicht unbedeutenden Ruf erwarb. Einige Zeit galt er als unser Vorbild. Peter Heß und ich blickten an ihm hinauf, ich glaubte eine hohe Stufe in der Kunst zu erreichen, wenn es mir gelingen sollte, ein zweiter Kobell zu werden. Ebenso erinnere ich mich, daß Peter Heß einmal zu mir sagte, er möchte nur wissen, wie Kobell seine Studien mache, weil er so schön male.


Kobell hatte einen äußerst angenehmen Vortrag in seinen Bildern. Sie waren mit Geschmack angeordnet, mit einer gewissen Feinheit in der Farbe. Auch verstand er sehr gut, Licht und Schatten zu vertheilen. Seine kleinsten Figuren vollendete er bis ins geringste Detail, was ihnen besondern Reiz verlieh. Ueberhaupt waren seine kleinen Bilder die schönsten. Die Zeichnung blieb bis zu einem gewissen Grade correct; aber er schien bei seinen menschlichen Figuren immer seine eigene Gestalt zum Muster zu nehmen und machte lauter ungewöhnlich lange, hagere Figuren, die immer etwas Lebloses hatten. Am besten gelangen ihm darum ganz ruhige, unbewegliche Gegenstände. Kobell malte militärische Stoffe, auch ruhige Jagdscenen, Thiere und Landschaften, welche er mit vielem Geschmack in Stimmung setzte. Seine Pferde, in deren Darstellung er einen Ruf hatte, wollten mir aber schon in meiner Jugend nicht recht gefallen; ich sah sie in der Natur ganz anders. Mehrere Bilder von Kobell sind auch vervielfältigt bei Frauenholz in Nürnberg erschienen, 9) theils in Umrissen radirt und colorirt, theils auch in Aqua-Tinta-Manier. In Aquarell-Zeichnungen besaß er eine große Geschicklichkeit. Er war ein gebildeter Künstler und angenehmer Mann, lebte sehr zurückgezogen und verkehrte wenig mit andern Kunstgenossen.

Ein tüchtiger Kupferstecher war ebenfalls als Professor an der Akademie, woselbst sich eine eigene Kupferstecherschule befand: Heß, 10) der Vater von Peter und Heinrich Heß, 11) welche später zu den hervorragendsten Künstlern Münchens gezählt wurden. In seiner Schule bildete sich Grimm 12) aus Kassel und andere tüchtige Leute.

Von der Bildhauerschule weiß ich nichts zu sagen, da ich mit ihrem Wirken zu wenig vertraut war, um darüber urtheilen zu können. Schwanthaler, 13) der Vater des berühmten Ludwig von Schwanthaler, 14) hatte damals einen Namen, auch nannte man Kirchmayer 15) und Andere.

Unter den Künstlern, die unabhängig von der Akademie ihren eigenen Weg gingen und blos dem Studium der alten Meister und der Natur folgten, war eines der hervorragendsten Talente der damals noch sehr junge Peter Heß. 16) Er hatte 1809 kaum seine ersten Versuche im Malen gemacht, und sechs Jahre später sah man von ihm Leistungen, die zu den größten Erwartungen berechtigten und Aufsehen erregten. Er malte anfangs kleine Kabinetsbilder, die sehr das Gepräge des Studiums nach den Niederländern trugen, aber auch voll Naturwahrheit waren und von einem ernsten Streben zeugten.

Bei äußerst correcter Zeichnung waren alle seine Figuren und Thiere charakteristisch, seine Composition lebendig und kunstgerecht, Vortrag und Farbe geschmackvoll und angenehm: er zeigte sich in jenen Werken wahrhaft groß im Kleinen. Die persönliche Erscheinung von Peter Heß war sehr einnehmend: ein schöner, junger Mann, scharfsinnig und damals sehr umgänglich; er verkehrte gerne mit Freunden und Kunstgenossen, was sich leider in späteren Jahren verlor.

Sein jüngerer Bruder Heinrich legte ebenfalls schon Beweise ab, die zu den Erwartungen berechtigten, die er später als großer Historienmaler in der Allerheiligen- und St. Bonifacius-Kirche rechtfertigte.

Wagenbauer, 17) obwohl nicht mehr jung an Jahren, doch jung auf dem Gebiete der Kunst, gehörte auch zu den hervorragenden Talenten jener Zeit. Er malte ausschließlich Thiere und Landschaften und war in seiner Darstellung naiv und anmuthig. Obwohl er die Niederländer studirt hatte, ging er doch seinen eigenen Weg, strebte nach Licht und Wahrheit und folgte fleißig der Natur, was seine Bilder für Jedermann verständlich und anziehend machte. Wagenbauer kam erst spät dazu, sich ganz der Kunst widmen zu können. Er hatte in der leichten Reiterei der bayerischen Armee gedient und noch in der Schlacht bei Hohenlinden gefochten. Es blieb in seinem Benehmen immer etwas Unbehilfliches und Derbes, so sehr er sich bemühte, das abzulegen. Sein Streben in der Kunst war sehr achtungswerth; er nahm es ernst und arbeitete fleißig und mit Liebe; hatte auch viel Talent für Musik.

Unter diesen aufstrebenden Künstlern ist auch Dorner 18) zu nennen. Er betrat in so ferne eine neue Bahn, als er sich strenger an die Natur hielt als seine meisten Vorgänger und Zeitgenossen. Seine Motive wählte er meistens aus dem benachbarten Hochland, in dem er sich während des Sommers viel herumtrieb und eifrig studirte. Besonders glücklich war Dorner in der Darstellung wilder Gebirgslandschaften. Seine sehr geschätzten Bilder hatten eine klare und frische Farbe, sein Vortrag etwas Energisches und Geistreiches. Wie er selbst eine kräftige, derbe Natur war, so trug er dieses sein Wesen auch auf seine Werke über. Darum drückte sich in ihnen Originalität und Selbständigkeit aus. Sein biederer Charakter und guter Humor erwarb ihm viele Freunde. Wer ihn näher kannte, der schätzte und liebte ihn.




8) Wilhelm von Kobell, geb. 6. Juni 1766 zu Mannheim, gest. 10. Juni 1855 zu München. Vgl. Nagler 1839, VII. 99. Allg. Deutsche Biogr. 1882, XVI. 357 ff.
9) Achtzehn Blätter, colorirt von Ph. H. Dunker, Verlag von Frauenholz in Nürnberg.
10) Karl Ernst Christoph Heß, Kupferstecher, geb. 22. Januar 1755 zu Darmstadt. gest. 25. Juli 1828 zu München. Vgl. Allg. Deutsche Biogr. 1880, XII. 295 f.
11) Heinrich von Heß, geb. 1798 zu Düsseldorf, gest. 29. März 1863 zu München. Vgl. E. Förster, Geschichte der deutschen Kunst. Leipzig 1860, V. 114 ff. Allg. Deutsche Biogr. 1880, XII. 278 ff.
12) Ludwig Grimm (Bruder von Jacob und Wilhelm Grimm), geb. 14. Mai 1790 zu Hanau, gest. 4. April 1863 zu Kassel. Vgl. Nagler 1857, V. 381. Allg. Deutsche Biogr. 1879, IX. 689.
13) Franz Schwanthaler 1760–1820. Vgl. Nagler 1846, XV1. 96 ff. Wurzbach, Lexikon 1876, XXXII. 280 ff.
14) Ludwig von Schwanthaler, geb. 26. August 1802 zu München, gest. 13. November 1848 das. Ueber ihn F. Pocci im Kunstvereinsbericht für 1848, S. 56 ff. Leider existirt außer Fr. Trautmann’s „Reliquien“, München 1858, und der schönen Darstellung in E. Förster, Geschichte der deutschen Kunst 1860, V. 220 ff. noch keine des Meisters würdige Monographie.
15) Jos. Kirchmayer 1773–1845. Vgl. Nagler 1839, VII. 28. Allg. Deutsche Biogr. 1882, XVI. 17.
16) Peter von Heß, geb. 29. Juli 1792 zu Düsseldorf, gest. 4. April 1871. Vgl. Nagler 1838, VI. 154 ff. E. Förster 1860, V. 187 ff. Mein Nekrolog in XXXI. 212 ff. des Oberbayer. Archiv 1871. Pecht in der Allg. Deutscheu Biographie 1880, XII. 300 ff.
17) Jos. Max Wagenbauer 1774–1829. Vgl. Nagler 1851, XXI. 117. E. Förster 1860, V. 191.
18) Joh. Jak. Dorner 1741–1813. Vgl. Nagler 1836, III. 458 ff. Allg. Deutsche Biogr. 1877, V. 364.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers