Abschnitt 1

14 Künstlerleben in München.


Zu München, dieser durch König Ludwig I. zu einer Kunststadt emporgehobenen Residenz der Wittelsbacher, endete mein unstätes Wanderleben; wenn auch inzwischen oft längere Abwesenheiten eintraten, so blieb München doch mein ständiger Aufenthaltsort und die Heimath meiner Familie.


Zu Ende Juni 1815 traf ich nach einer angenehmen Reise über den Splügen durch die Schweiz in München ein. Der gute Prinz Eugen war ziemlich empfindlich über mein langes Ausbleiben, und der erste Empfang war kein sehr freundlicher. Es gab auch einige Differenzen über meine künftige Stellung zu seinem Hause zu schlichten. Mein Gehalt sollte auf die Hälfte reducirt werden, wozu ich anfangs keine Lust hatte. Zuletzt ging ich unter Bedingungen darauf ein, durch die ich mich nach andern Beziehungen in große Vortheile setzte. Am wichtigsten war, daß mir gestattet wurde, auch für andere Kunstliebhaber, als blos für den Prinzen, arbeiten zu dürfen. Diese Beschränkung, die früher mit meiner Anstellung verbunden war, hatte mich immer sehr belästigt. Sie war mir in meinem freien Wirken und Schaffen als Künstler sehr hinderlich und setzte mich oft in die fatale Lage, sehr an nehmbare Aufträge zurückweisen zu müssen. Nie aber fühlte ich mehr als eben jetzt, wie wichtig für den Künstler die Concurrenz in Bezug auf Entwicklung und Fortschritt sei. Ein Künstler hebt den andern, eifert ihn an und zieht ihn durch seine Leistungen empor. Nur da, wo ein reges Kunsttreiben und Ineinandergreifen verschiedener Elemente ist, kommt das Große zum Vorschein.

Während meiner sechsjährigen Abwesenheit hatten junge, aufstrebende Talente, die fast gleichzeitig mit mir die Künstlerlausbahn betraten, große Fortschritte gemacht. Mit Innigkeit schloß ich mich an sie an. Ich fand in ihrem Umgange die größte Wonne, alles war mir jetzt so heimisch, daß es mir gar nicht mehr in den Sinn kam, in die lockenden Verhältnisse Mailands zurückzukehren.

Der treffliche König Maximilian I. hatte bald nach dem Antritte seiner Regierung den Keim zu jener Blüthe der Kunst gelegt, die sich später unter seinem Sohne Ludwig in so großartiger Weise entfaltete.

Die Akademie der bildenden Künste wurde unter der Direktion Peter Lange’s und seines Sohnes Robert, 1) der ihm als Professor zur Seite stand, neu organisirt. Diese beiden Männer erwarben sich durch den Eifer, mit dem sie wirkten, um das Aufblühen dieser Kunstschule die größten Verdienste. Die Lokalitäten wurden schön und zweckmäßig hergerichtet; mit nicht unbedeutenden Kosten wurde eine namhafte Anzahl guter Abgüsse von Antiken herbeigeschafft, kurz, nichts unterlassen, was diesem Institute Glanz verleihen konnte und ein gedeihliches Wirken für die Zukunft in Aussicht stellte. Bald entstand dort auch das regste Leben; aus allen Theilen Deutschlands strömten Schüler zu, die mit Ehrfurcht diese geweihten Hallen betraten. Die Direktion war ihrerseits stolz darauf, so viele Schüler zu haben. Indessen machte sich auch hier wie überall das Wort wahr: „Viele sind berufen, Wenige aber auserwählt.“ Der Erfolg entsprach den großen Erwartungen nicht so schnell, als man von dem thätigen Wirken der Vorstände dieser Anstalt und den schönen Einrichtungen gehegt hatte. Es ist eine altbekannte Thatsache, daß tüchtige Künstler nicht institutsmäßig herangezogen werden können. Wer nicht zum Künstler geboren und von der Natur mit den Anlagen ausgestattet ist, die den wahren Künstler bilden, der wird sich trotz einer Akademie sein Leben lang in der Mittelmäßigkeit herumtreiben oder ganz untergehen und sich dann um so ärmer fühlen, wenn er sich lange in dem unglücklichen Traume gewiegt, daß er auf der Akademie schulgemäß erlernen könne, was ihm die Natur versagte. Die Welt weist ihm am Ende doch den Platz an, der ihm gebührt.

Uebrigens gingen doch aus der Langer’schen Schu le tüchtige Künstler hervor. Beide Langer, Vater und Sohn, ließen sich die Bildung ihrer Schüler sehr angelegen sein, besonders waren sie Herren der Farbe; man lernte bei ihnen malen. Ein Riedel, 2) Gegenbauer, 3) Jacobs 4) und noch einige andere tüchtige Künstler sind Schüler von Langer. In einem Punkte aber war die Direktion auf Abwege gerathen: man fand in dem Eifer für die gute Sache nicht das rechte Maß und übte einen gewissen Zwang, wenn der Ausdruck erlaubt ist, Kunstdespotismus, und verfehlte dadurch oft das Ziel. Der wahre Künstler verträgt eben solchen Zwang nicht. Ein freies, seiner individuellen Anschauung folgendes Schaffen ist ihm Bedürfniß und es ist nothwendig, daß er diesem Triebe folge. Darum konnte es nicht fehlen, daß viele der talentvollsten jungen Leute nach und nach sich von dieser Schule lossagten und als freie, von der Akademie unabhängige Künstler eine besondere Korporation bildeten. Dieses führte öfters zu unangenehmen Spaltungen, was aber nach solchen Vorgängen nicht ausbleiben konnte. Das Genie bricht sich immer selbst die Bahn.

Als Professor an der Akademie fungirte neben Robert Langer Hauber, 5) ein gewandter, praktischer Historienmaler, der es vortrefflich verstand, Pinsel und Palette zu führen. Besonders sorgfältig gemalt sind seine kleinen Bilder. Man kann in ihnen das schöne Talent, womit ihn die Natur beschenkte, erkennen, aber es ist zu bedauern, daß Hauber so oft aus den Augen verlor, Künstler im schönern Sinne des Wortes zu sein. Er trieb die Kunst so ziemlich als Handwerk, malte alles, was Geld eintrug, und nach dem Preise richtete sich auch seine Leistung. Man erzählte von ihm, er habe einmal gesagt: „Malen könnte man schon wie Raphael, aber wer bezahlt’s?“ Ein alter Satz, welcher damals auch vielen andern Namen nacherzählt wurde. Hauber schuf vorzüglich Kirchenbilder und lieferte nebenbei bürgerliche Portraits, deren er mit großer Leichtigkeit eine Menge verfertigte. Aber man kann ihm große Verdienste nicht absprechen. Von den alten Meistern hatte er viele Kenntnisse und besaß selbst eine recht hübsche Sammlung alter Bilder. Bei Gemälde-Auktionen fehlte er nie, da er Schätzmeister war. Bei solchen Anlässen erstand er manches gute Bild um mäßigen Preis, womit er seine Sammlung bereicherte. Inzwischen machte er mit seinen Bildern auch Handelschaften und Tauschgeschäfte.

Ebenfalls Professor an der Akademie war Seidl. 6) Von ihm hatte man sich in seinen jungen Jahren große Erwartungen gemacht. Deßhalb wurde er noch unter Karl Theodor nach Rom als Pensionär geschickt, allein die Erwartungen rechtfertigten sich nicht. Er leistete nach seiner Rückkehr weniger als zuvor. Das ist eine Erfahrung, die sich oft bei solchen Pensionären wiederholt hat. Seidl war bieder, rechtschaffen, aufrichtig bis zur Grobheit, ein Ehrenmann, aber wer nicht wußte, daß er Künstler war, hätte ihn nimmermehr für einen solchen gehalten.

Inspektor der Akademie war Kellerhoven, 7) ein wackerer Mann von sanftem Charakter und gebildeten Manieren, ein guter Portraitmaler, welcher, bevor Stieler nach München kam, viel für den Hof zu thun hatte.




1) Joh. Peter von Langer, geb. 1756 zu Calcum bei Düsseldorf, gest. 6. August 1824 zu München. Vgl. Nagler 1839, VII. 287 ff. E. Förster, Geschichte der deutschen Kunst 1860, IV. 168. Liliencron, Allg. Deutsche Biographie 1883, XVII. 678. Robert von Langer, geb. 1783, gest. 6. Oktober 1846 zu Haidhausen. Vgl. ebendas.
2) August Riedel, geb. 1800 zu Bayreuth, gest. 6. August 1883 zu Rom. Vgl. Nekrolog in Beilage 362 Allgem. Zeitung 30. Dezember 1883.
3) Anton von Gegenbauer, geb. 1800 zu Wangen im Allgäu, gest. 31. Januar 1876 zu Rom.
4) Paul Emil Jacobs, geb. 1803 zu Gotha, gest. das. 6. Januar 1866.
5) Jos. Hauber, geb. 14. April 1766 zu Görisried (im Allgän), gest. 23. Dezember 1834 zu München. Vgl. Nagler 1838, VI. 3 ff. Allg. Deutsche Biogr. 1880, XI. 38.
6) Andreas Seidl 1760–1836. Vgl. Nagler 1846, XVI. 216.
7) Moriz Kellerhoven 1758–1830. Vgl. Nagler 1838, VI. 553. Allg. Deutsche Biogr. 1882, XV. 584.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers