Abschnitt 7

01 Jugendjahre.


Ich hatte immer das Glück, wohin ich kam, Leute zu finden, welche mir um meines Fleißes und meines rastlosen Strebens willen mit Wohlwollen und Liebe entgegenkamen, da ich schweigsam, bescheiden und anspruchslos im Umgange war, gerne mich älteren und erfahrenern Leuten näherte, denn ich fühlte, daß ich von diesen lernen konnte. Hiedurch erwarb ich mir oft die Gunst sehr bedeutender Männer.


Im Beyschlag’schen Hause kam ein Kreis gebildeter Männer und artiger junger Leute zusammen, so daß ich gar keine Veranlassung fand, meine Unterhaltung außerhalb des Hauses zu suchen. Auch die städtische Bibliothek zu St. Anna stand mir offen und bot Gelegenheit, mit guten Werken alter und neuer Zeit vertraut zu werden. Soweit meine Zeit es erlaubte, las ich mit Leidenschaft, und ich darf sagen, ich habe in Augsburg jede Stunde wohl ausgenützt. Die Erinnerungen an die Familie Beyschlag werden bis an das Ende meiner Tage dankbare Gefühle erhalten. Der Zufall führte mich in München mit dem älteren Sohne, dem nachmaligen Baurath, 13) wieder zusammen, und ein zartes, freundschaftliches Band umschließt noch immer die Familien.

Inzwischen fiel mir von meiner Spekulation der sechs Platten, welche ich radirt hatte, ein kleiner Gewinn zu, dieser und einiges Andere, welches ich erwarb, setzten mich in den Stand, zum erstenmale in meinem Leben hundert Gulden zurückzulegen, eine Summe, durch welche ich mich sehr reich dünkte.

In den ersten Wintertagen 1807 kehrten die bayerischen Truppen aus dem vorjährigen Feldzuge siegreich wieder heim und hielten in Augsburg einen feierlichen Einzug, an welchem die Einwohnerschaft lebhaften Antheil nahm. Vor dem Jakoberthor war eine große Triumphpforte errichtet, die Abends nebst mehreren Straßen beleuchtet wurde. Besonders brillant war dabei die Illumination des Hauses, welches General-Lieutenant Wrede bewohnte; kurz, alles hatte ein festliches Aussehen und begeisterte mich.

Es garnisonirte damals und noch bis zu dieser Stunde in Augsburg das Regiment König-Chevauxlegers, für welches ich eine besondere Sympathie fühlte. Vortrefflich beritten, malerisch uniformirt und von Muth und ächt militärischem Geiste beseelt, war es für mich eine Lust, sie anzusehen. Sie trugen ein Collet von ziemlich frischem Grün mit scharlachrothem Aufschlag, weiße Beinkleider mit Stiefeln bis unter das Knie, auf dem Helm einen hohen Busch von weißem Roßhaar; das Pferd- und Sattelzeug war bis über die Croupe des Thieres mit einer scharlachrothen Schabracke bedeckt, welche, auf ungarische Art geschnitten, zierlich in einen Spitz auslief. Diese Uniformirung, welche einen im ganzen wie im einzelnen erstaunlich munteren Anblick gewährte, behielten sie bis zum russischen Feldzuge (1812). Was man auch später daran änderte, schöner wurde sie nie mehr. Ueberhaupt war für meinen Geschmack diese Truppe das Ideal aller leichten Cavallerie. Dieses Regiment hatte auch eine wahre Elite von Offizieren. Unter ihnen befanden sich Graf Anton von Rechberg, zwei Prinzen von Oettingen (von denen der jüngere, Karl, bei Hanau fiel), zwei Brüder Zandt, der damals noch junge, aber schon als tapferer Held bekannte und allbeliebte Baron Karl von Zweibrücken, Bieber, Spraul und viele andere verdienstvolle Offiziere, welche später eine bedeutende Stellung einnahmen.

Meine Vorliebe für das Militär fand durch den Umgang mit diesen Offizieren, deren Gunst ich mir gewann, neuen Aufschwung. Besonders erfreute ich mich des Schutzes des genannten Barons von Zweibrücken und seines älteren Bruders Christian (damals Hauptmann im Generalstabe). Sie gaben mir gute Pferde zum Reiten und ich zog fleißig auf den Exercirplätzen und bei den Manövern mit ihnen herum und machte Studien.

Später malte ich im Auftrage der Barone Zweibrücken ihre Portraits zu Pferde, wie der jüngere Bruder Karl an der Spitze seines Regimentes dem älteren auf dem Marsche begegnet. Dies war mein erstes militärisches Bild, überhaupt mein erstes Bild in dem Sinne, welchen man angenommener Weise diesem Worte beilegt. Auch die beiden Prinzen von Oettingen malte ich zusammen auf ein Bild in einer Lagerscene. Diesen folgten noch mehrere militärische Portraits mit Pferden, und so lebte ich mich nach und nach in das Militärwesen so sehr hinein, daß ich allen Ernstes im Frühjahre 1807 gesonnen war, als Soldat in das Regi ment einzutreten. Karl von Zweibrücken aber, dem ich mein Vorhaben zuerst mittheilte, wendete alle Beredtsamkeit an, mich davon abzubringen. Es gelang ihm, da er mir eine weit schnellere und glänzendere Carriere in Aussicht stellte. Fünf Jahre später, am 7. September 1812, erinnerte er mich auf dem Schlachtfelde an der Moskwa, wenige Stunden vor seiner tödtlichen Verwundung, an jenen Augenblick auf seinem Zimmer in Augsburg und freute sich, daß er es gewesen, der mich der Kunst erhalten. Hier sah ich den Edlen zum letztenmale, er starb, zu frühe für seine militärische Laufbahn, nach wenigen Wochen in dem Städtchen Moshaisk an seinen Wunden.




13) Christoph Friedrich von Beschlag, Oberbaurath, geb. 22. Januar 1787, gest. 28. April 1858. Vgl. Nekrolog in Nr. 131 Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung vom 4. Juni 1858.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Aus dem Leben eines Schlachtenmalers